Die Lateiner fragten in Rechtsangelegenheiten: Cui bono – wem nutzt es? Stellt man die Frage, was das Treffen für politische Aktivisten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit wie Correctiv interessant machte, dann ist es vor allem eines: die Verbindung Martin Sellners zur AfD. Stellt man die Frage, was das Treffen für den Verfassungsschutz interessant machte, der an maximaler Behinderung und am Verbot der AfD arbeitet, dann lautet die Antwort ebenfalls: die Verbindung Martin Sellners zur AfD.
Thomas Haldenwang äußerte in der Art des Chefs einer politischen Polizei: „Nicht allein der Verfassungsschutz ist dafür zuständig, Umfragewerte der AfD zu senken.“ Auch Correctiv etwa? Und wieso ist der Verfassungsschutz dafür zuständig, die Umfragewerte einer zugelassenen und in den Parlamenten vertretenen Partei zu senken – einer Partei, die rechtlich und dadurch, dass ihre Vertreter demokratisch in die Parlamente gewählt worden sind, auch demokratische Legitimation besitzt? Ein Verfassungsschutz, der sich dafür zuständig fühlt, „die Umfragewerte“ einer Partei „zu senken“, die im demokratischen Wettbewerb steht, und so mit staatlichen Machtmitteln in freie und geheime Wahlen einzugreifen, schützt nicht die Verfassung. Er greift sie an.
Auf die Wahrheit kommt es nicht an
In Übermedien konnte sich die stellvertretende Chefredakteurin von Correctiv, Anette Dowideit, nicht genug dafür rühmen, dass die Correctiv-Erzählungen die Demos initiiert hatten.
In der Urfassung des Textes vom 10. Januar heißt es klar und deutlich über das Motiv von Correctiv: „Etwa zehn Monate vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg belegt dieses Treffen, dass rassistische Einstellungen bis in die Bundesebene der Partei reichen … Für die AfD ist das mit Bezug auf die Debatte um ein mögliches Verbotsverfahren juristisch heikel.“ Deutlicher kann man es als Journalist wohl nicht sagen, dass man den Verfassungsschutz im Kampf gegen die AfD unterstützen und ihm Material für ein Verbotsverfahren beschaffen will. Dass man sich im Grunde als Filiale des Verfassungsschutzes sieht? Oder umgekehrt den Verfassungsschutz inzwischen als Filiale von Correctiv versteht?
Im Theaterstück, das den Correctiv-Text als Art theatralischen Gassenhauer zu vertonen sucht, das am 17. Januar im Berliner Ensemble aufgeführt wurde und an dem der Correctiv-Mann Jean Peters mitgeschrieben hat, heißt es in Szene 3 ANWESENHEITSLISTE: „Am Schluss entsteht so ein Bild des gesamten Vereins, der da versammelt ist (sortiert nach benannten Gruppen wie ‚AfD‘ / ‚WerteUnion‘ etc.).“ Es geht im „Theaterstück“, dessen Dramaturgie ganz auf der Ebene des ersten Signalsystems angesiedelt ist, darum, einen Kreis der Verschwörer zu kreieren:
„Martin Sellner, ein rechtsextremer Aktivist aus Österreich … Ein IT-Unternehmer und Blut-und-Boden-Nazi … dann haben wir zwei Leute, die von der WerteUnion sind …. und last but not least die Anwesenden der AfD … Gerrit Huy, Bundestagsabgeordnete … Dann Ulrich Siegmund, Fraktionsvorsitzender AfD Sachsen-Anhalt. Tim Krause, Vorsitzender im Kreis Potsdam … Und Roland Hartwig, rechte Hand der Parteichefin Alice Weidel … Naja, ist auf jeden Fall eine illustre Runde. Mindestens 3 Neo-Nazis, einige Unternehmer, 2 aus der WerteUnion und mindestens 4 Offizielle der AfD.“
Diese einfache Konstellation nutzten und benutzen Medien und Verfassungsschutz in ihrer Argumentation, doch was noch fehlte, nachdem man das Skandalon auf der personellen Ebene schon etabliert hatte, war die inhaltliche Ebene. Hat man erstmal die Personen, finden sich schon die Inhalte.
Und wenn es an Inhalten mangeln sollte, kann man einfach erfinden, was man meint, was die gesagt haben könnten. Wie schrieb Jean Peters doch über sich in einem inzwischen gelöschten Text? „Ich entwickele Aktionen und erfinde Geschichten, mit denen ich in das politische und ökonomische Geschehen interveniere. Besonders wichtig dabei: Mit der passenden Medienstrategie Aufmerksamkeit erregen, den gesellschaftlichen Diskurs anregen und so zum Wandel beitragen.“ Nicht auf die Wahrheit kommt es an, sondern auf die Brauchbarkeit, auf die Nützlichkeit im politischen Kampf, der mit allen Mitteln geführt wird, weil der woke Zweck die Mittel heiligt.
Correctiv: eine Art Schwarzer Kanal der Regierung?
In Peters im S. Fischer Verlag erschienenen Buch feiert der Autor seitenlang seine Heldentat, in Clownsmaske die Politikerin Beatrix von Storch körperlich mit einer Torte angegriffen zu haben, weil er meint, dass „künstlerisch“ „Sahne auf Nazis wunderbar funktioniert“.
Peters und damit wohl auch Correctivs Demokratieverständnis kann man dessen eigenen Worten so beschreiben: „Ich würde mir weit mehr freie Theatergruppen wünschen, die auch Sahneperfomances von der Tribüne des Bundestages aus machten, vielleicht mit schwarz-rot-goldener Lebensmittelfarbe.“ Okay, aber auch Sahneperfomances mit grüner Lebensmittelfarbe auf Ricarda Lang? Auch auf Britta Hasselmann? Oder endet da die „Kunst“? Endet da die Ästhetik? Und wenn ein Tortenattentat von einer „rechten“ freien Theatergruppe käme, zählte das dann auch zu den „Sahneperfomances“ oder würde das schon als rechter Terror gelten?
Jean Peters lässt im Kapitel „Selbstbewusstsein“ die Leser miterleben, vor welch theoretischen Überlegungen er nicht einmal zurückschreckt: „Alas, die Kunst des politischen Tortenwerfens ist voller theoretischer und praktischer Herausforderungen.“ Die Frage, ob etwas Gewalt ist oder nicht, kommt „eben auf den Kontext an“? Wie wahrscheinlich auch die Frage, was Wahrheit ist und was Fake auf den politischen Kontext ankommt?
Da aber Jean Peters sich, wie er schreibt, „eher in die Hose machen würde, als dass ich mit meinen dünnen Ärmchen jemanden körperlich angreifen würde“, hat er sich stattdessen dazu entschlossen „medientaktische Interventionen, subversiven zivilen Ungehorsam und investigativen Journalismus als Mittel zu benutzen“. Um die seltsame Form, den „künstlerischen“ Dilettantismus, die propagandistische Motivation und Ausführung der „Recherche“ und das Selbstverständnis eines der Hauptautoren der Correctiv-Tales und mithin die Vorstellung des regierungsnahen Portals zu verstehen, sei zum letzten Mal Jean Peters zitiert: „Doch in diesem Fall habe ich mich entschieden, eine Gruppe wie die AfD … mit gewaltfreien, aber auch undemokratischen Mitteln zu bekämpfen.“ Eines dieser undemokratischen Mittel dürfte mithin der Correctiv-Deportations-Plot sein.
Von Anfang an ging es nicht um Information, sondern um Propaganda
Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Interesse an dem Treffen mit Blick auf das AfD-Verbotsverfahren gehabt haben sollte, stellt sich die Frage, warum der Verfassungsschutz das Treffen nicht selbst observierte und warum das Bundesamt nicht das zuständige Landesamt in Potsdam informierte? Die Antwort auf die erste Frage ist womöglich einfach: weil es „rechtlich nicht“ nicht nur nicht „vorgesehen“ ist, Bundestags- und Landtagsabgeordnete zu bespitzeln und abzuhören, sondern auch verboten ist. Ist es übrigens auch für Correctiv und Greenpeace.
Dass die Staatsanwaltschaft Potsdam keine Ermittlungen gegen Correctiv einleiten will, weil sie keine Bilder festgestellt hat, die in einem „letzten persönlichen Rückzugbereich“ gemacht worden wären, denn hier ginge es ja schließlich um Zeitgeschichte, überrascht nicht. Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden. Und, so die Staatsanwaltschaft, Tonaufnahmen des Treffens seien nicht bekannt. Wie eben nicht bekannt ist, was man sich zu ermitteln weigert. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat die mittelalterliche Rechtsauffassung – wo kein Kläger, da kein Richter – eigenwillig erweitert: wo politisch kein akzeptierter Kläger, dort kein Richter.
Eines ist zeitlich interessant und zeigt eine offensichtlich konzertierte Aktion aus dem rotgrünen Milieu. Obwohl die Correctiv-Erzählungen erst am 10. Januar publiziert worden sind, arbeitete das Berliner Ensemble spätestens am 6. Januar an einer Bühnenfassung, um eine maximale Verbreitung zu erreichen und unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit noch weiter im Erfinden und Unterstellen zu gehen, als man es ohnehin schon im Artikel selbst unternahm – und sich obendrein im Verleumden keine Hemmungen aufzuerlegen. Deutlich wird, dass man nicht informieren, sondern Empörung schüren wollte, eine Empörung, die dann möglichst viele Leute auf die Straße treibt. Die Straße galt es, von den Bauern, die gegen die Regierung zu protestieren wagten, zurückzuerobern.
Das überrascht nicht, wenn man weiß, dass die Akteure, die Correctiv- und die Theaterleute, sich bestens kennen. Die Senatsverwaltung informierte: „Im Rahmen eines einmaligen Gastspiels des Theaters Dortmund (‚Die schwarze Flotte‘) zeigte das Berliner Ensemble im Jahr 2017 zwei Vorstellungen eines Monologs basierend auf einer Recherche von Correctiv über Menschenschmuggel.“ In dieser Zeit war Kay Voges Intendant des Theaters Dortmund, an der Recherche hatte der Chef von Correctiv mitgewirkt: David Schraven. Die Aufführung am Berliner Ensemble kam als Koproduktion zwischen dem Berliner Ensemble und dem Volkstheater Wien, dessen Intendant Kay Voges ist, zustande.
Die Initiative für die Zusammenarbeit könnte von Jean Peters ausgegangen sein, denn Feinde muss man auch „mit undemokratischen Mitteln … bekämpfen“. Zwei oder drei Autoren des Stücks kennen sich aus gemeinsamer Arbeit. Während Kay Voges, der auf dem Titelblatt steht, die Einrichtung der szenischen Lesung des Correctiv-Artikels besorgte, Jean Peters für die Recherche stand, bleibt der Autor der Fassung der szenischen Lesung im Dunklen, wagt es – aus welchen dubiosen Gründen auch immer – nicht, sich zu seiner Arbeit zu bekennen. Denn der Name des dritten Autors stellt offensichtlich ein Pseudonym dar, weil man über Lolita Lax, außer im Zusammenhang mit dem Correctiv-Theaterstück, nichts im Internet findet.
Dramaturgisch besitzt der aus dem Correctiv-Artikel zusammengeschusterte Text keinen Wert, schauspielerisch konnten die Zuschauer am 17. Januar eine Bankrotterklärung des einstmals wichtigen Theaters erleben. An die artistische Höhe der Dokumentarstücke von Peter Weiss und Rolf Hochhuth reicht der Text, der jedes dramaturgische und sprachliche Talent vermissen lässt, nicht heran.
Nicht einmal in der DDR war das Berliner Ensemble so sehr auf Linie
Theater lebt von Figuren, von Menschen, auch davon, das Böse zu verstehen, gelegentlich von Karikaturen. Doch die Autoren Lolita Lax, Jean Peters und Kay Voges gelingen nicht einmal Karikaturen, denn auch die müssen in sich stimmig sein. Im Stück finden sich bezeichnenderweise in der Szene 4 – ERÖFFNUNGSREDE folgende Sätze: „ich bin die Bühnenfigur Gernot Mörig und heiße euch noch einmal ganz herzlich willkommen. Was ich jetzt hier sage, das habe ich wortwörtlich nicht so gesagt. Aber einige Begriffe und Ausdrücke, die konnten durch Gedächtnisprotokolle überliefert werden. Das war wichtig, damit das Ausmaß meiner faschistischen Sprache zu Geltung kommt.“
Bis heute hat Correctiv die ominösen „Gedächtnisprotokolle“ nicht einmal abgetippt und anonymisiert vorgelegt, auch nicht dem Gericht. Das ergibt keinen Sinn, denn der „Quellenschutz“ wäre gewährleistet. Wenn sich jedoch die „Gedächtnisprotokolle“ als Abhörprotokolle erweisen sollten, was die Staatsanwaltschaft Potsdam sich weigert zu ermitteln, dann hätte sich Correctiv strafbar gemacht und der ominöse Quellenschutz wäre in der Tat der sehr handfeste Selbstschutz, der dazu dienen würde, eine strafbare Handlung zu vertuschen. Die Antwort darauf kennt nur Correctiv und die Staatsanwaltschaft Potsdam könnte sie ermitteln, wenn sie denn die Antwort wissen wollte.
Nicht minder wichtig lautet die dramaturgische Frage: Würde eine Figur, die als Nationalsozialist angelegt ist, die eigene Sprache mit dem Kominternausdruck als „faschistisch“ bezeichnen anstatt als „nationalsozialistisch“, oder obwaltet hier nur wie überall im „Stück“ der Holzhammer für das Publikum? Doch in diesem Satz offenbart sich das Vorgehen von Correctiv: „was ich jetzt hier sage, das habe ich wortwörtlich nicht so gesagt.“ Die Leute, über die Correctiv schreibt, müssen das wörtlich nicht so gesagt haben, die müssen es überhaupt nicht gesagt haben, was das „Recherche“-Portal Correctiv ihnen unterschiebt. Es reicht, dass Correctiv unterstellt, dass sie es so gemeint haben müssen, da es „das Ausmaß meiner faschistischen Sprache zu Geltung“ bringt. Correctiv entscheidet, was wahr und was falsch, was real und was „fake“ ist.
Auch die Bühnenfigur Gernot Mörig hätte ihre Sprache niemals als „faschistisch“ bezeichnet. Bühnenfiguren bewerten sich nicht selbst von außen, sie offenbaren sich in dem, was sie tun und sagen. Den Komintern-Ausdruck Faschismus würden wirkliche Nazis niemals als Selbstbezeichnung verwenden, sondern sie würden sich als Nationalsozialisten sehen. „Faschistisch“ wäre der Fachausdruck der Antifa, der Komintern, der Linken und Sozialsten aus leicht erkennbaren Gründen für „nationalsozialistisch“. Zudem würde die Figur sich nicht selbst anklagen, würde nicht das Ausmaß „meiner faschistischen Sprache zu Geltung“ bringen wollen.
Nicht minder primitiv ist der jeder Bühnenfigur fremde Satz, der allein der Tastatur eines Autors entsprang, dem Erzählen fremd und die ästhetische Eigenart von Figuren noch fremder ist, wenn er die „Bühnenfigur Gernot Mörig“ sagen lässt: „Also vor allem auch, weil ja Abgeordnete der AfD hier sind und ihr immer so tun müsst, als wärt ihr nicht rechtsextrem. Und dann auch hier die Mitglieder der WerteUnion. Schön, dass Sie hier Ihr wahres Gesicht zeigen.“
Selbst, wenn Mörig rechtsextrem wäre, würde er das nie so formulieren. Gutes, auch gutes Dokumentartheater würde Figuren aus ihrem Eigenverständnis sich selbst entlarven lassen. Doch hier entlarven sich nicht die Figuren des Theaterstücks, sondern stellen die Figuren nur ihre Autoren bloß. Aber es geht in dem vermeintlichen Stück – und das kennzeichnet den tiefen Fall des Berliner Ensembles vom Theater zur Propagandabude – nicht um Dramaturgie, nicht ums Erzählen, sondern darum, mit den billigsten Mitteln Empörung zu stiften. Nicht einmal in der DDR war das Berliner Ensemble so sehr auf Linie.
Doch welcher tiefere Grund, sieht man von Eitelkeit und Geltungsdrang ab, bestand darin, parallel zur Veröffentlichung auf dem eigenen Blog ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen, was den eigenen Plot noch trivialisiert? Welchen politischen Nutzen erhoffte man sich?
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Hier geht es zu Teil 1: „Geheim am Treffen ist nur der Tippgeber“.