Tichys Einblick
Die Wortwahl von Anbeginn zum Schießen

Politisch korrekt bis in den Wolfstod

Für Wolf Kurti lef es wohl von Anfang an auf Kugel oder Spritze hinaus. Die amtliche öffentliche Abwägung dazwischen und Gefangenschaft war dem Verbalen des total politisch Korrekten geschuldet - bis in den Wolfstod. Eine Lehre für Wölfe und Nicht-Wölfe: Beim politisch Korrekten gehts um reden, nicht um handeln.

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Kürzlich berichteten wir bei TE in einer märchenhaften Erzählung über die Rotgrünkäppchen im nicht ganz so hohen Norden und ihrem Problemwolf. Nun haben sich die Rotgrünkäppchen aus Niedersachsen doch noch überraschend entschlossen, den Wolf, den sie Kurti tauften und der mehr Mensch als Wolf sein wollte, letal der Natur zu entnehmen, wie es im ministeriellen Sprachjargon hieß. Er bekam jetzt ganz banal die Kugel. Der Fall ist bisher einzigartig, denn bisher wurde noch kein Wolf so politisch korrekt unter die Erde gebracht.

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Von Rotgrünkäppchen und ihrem Problemwolf
Zwar stand lange fest, dass Kurti aus der Art geschlagen war, und Jäger wie geschädigte Landwirte mahnten einen Abschuss an. Doch den politisch korrekten Wolfsverstehern aus dem Umweltministerium passte das nicht ins Wolfsmanagement. Denn schließlich war ständig von Experten gepredigt worden, dass ein Wolf sich niemals in die Nähe des Menschen wagt, schon gar nicht aggressiv wird. Der Wolf habe sich den Menschen anzupassen, so wurden die Mahner und Zweifler besänftigt, und nicht der Mensch dem Wolf. Die Schafe und Rinder der Bauern und Viehhalter, an denen sich Kurti gütlich tat statt an Hasen und Rehen, wurden schlicht verdrängt.

Kurti war als Einwanderer in ein Land gekommen, wo versorgungstechnisch Milch und Honig fließen, hatte aber die niedersächsische Willkommenskultur offensichtlich missverstanden. Bald genügte ihm nicht mehr das Fast-Food auf Schafs- und Rinderweiden, sondern ihn gelüstete zusätzlich nach menschlicher Nähe. Schließlich näherte er sich einer Frau mit Kinderwagen auf Tuchfühlung. Die Frau schaffte es, Kurti auf Schweiflänge Abstand zu halten, wie es eine weise Seherin aus Köln empfohlen hatte. In aller Eile wurde ein schwedischer Experte eingeflogen, der Kurti mit Gummi „vergrämen“ sollte.

Doch Kurti hatte den Gummi-Schuss nicht gehört. Weil er den ständigen Reizüberflutungen nicht wiederstehen konnte,  trieb er sich weiter in der Nähe menschlicher Behausungen herum und biss sogar einen Hund. Nur zum Vergrämungsexperten hielt er unbegreiflicherweise ausreichend Abstand.

Nun war es sogar den Rotgrünkäppchen zu wölfisch geworden. Man sah sich veranlasst, zu handeln, aber immer schön politisch korrekt. Töten, abschießen, die Kugel geben: Das waren Tabu-Worte im Fall Kurti. Nach mehreren Stuhlkreisen im Wolfsmanagement hatte man die Lösung: Kurti sollte zunächst  „immobilisiert“ (betäubt) und in ein Wolfsgehege eingebracht werden. Das wäre wegen der „hospitalistischen Verhaltensweise“ Tierquälerei, schimpfte jedoch der Tierschutzbund WWF. Stattdessen sollte man Kurti „letal der Natur entnehmen“.

Das haben die Rotgrünkäppchen nun veranlasst. Man fragt sich: wann muss wohl der nächste verhaltensauffällige Wolf  „letal entnommen“ werden? Vielleicht hat Kurti seine Gene bereits weitergegeben? Wer kann ausschließen, dass seine Nachkömmlinge nicht auf den Gedanken kommen, eines Tages bei der Großmutter oder Lieschen Müller an der Haustür zu schnuppern? Muss  es dann in Niedersachsen Letalisierungs-Beauftragte oder Integrationscamps für falschtickende Wölfe geben?

Doch halt, man sollte nicht gar so pessimistisch in die Zukunft schauen, sondern den politisch korrekten Experten vertrauen. Die finden am Ende noch immer eine Lösung.

Allen, die um Kurti trauern, mag Trost sein, dass alles sauber ablief. Auf jeden Fall politisch korrekt bis in den Wolfstod. Bis auf die Wortwahl, die war von Anbeginn zum Schießen.

Klemens Volkmann ist Redakteur im Ruhestand und hat viele Jahre in einer obersten Landesbehörde gearbeitet.

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