Ende 2021 hatte der derzeitige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewohnt vollmundig das per Notfallzulassung auf den Markt gelangte Wundermittel Paxlovid gegen schwere Covid19-Verläufe angekündigt: „Das Medikament ist extrem vielversprechend, weil es in der frühen Gabe den schweren Verlauf von Covid deutlich abschwächen kann“, und entsprechend beherzt eine Million der „extrem vielversprechenden“ Pillen beim US-Pharmakonzern Pfizer geordert. Im März 2023 verstaubten dann jedoch mit 620.000 Packungen fast zwei Drittel der eingekauften Menge in den Regalen der Großhändler. Weitere 120.000, so schätzten Branchenfachleute, würden ungenutzt bei Ärzten und Apotheken lagern.
Offenkundig teilte die Ärzteschaft Lauterbachs Euphorie nicht. So äußerte beispielsweise Martin Scherer, Allgemeinmediziner am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf im September 2022: „Die Liste der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist gigantisch“.
Der vermeintliche Game Changer Paxlovid verursacht verschiedenste Wechselwirkungen mit gängigen Medikamenten beispielsweise gegen Asthma, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck oder Schmerzen, die gerade von jener Risiko-Patientengruppe eingenommen werden, die von Paxlovid profitieren sollten. Klinische Studien fehlten. Und so musste auf Grund der mangelnden Nachfrage bereits im September 2022 das erste Mal die Haltbarkeit des Medikaments rückwirkend auf 18 Monate verlängert werden. Eine weitere Verlängerung der Haltbarkeit auf nunmehr 24 Monate für den Ladenhüter Paxlovid erfolgte am 15. Februar 2023 seitens der Europäischen Union.
Aktuell, ein weiteres Jahr später, erwägt das Bundesministerium für Gesundheit eine erneute Verschiebung des Ablaufdatums, um die endgültige Blamage, die eine Vernichtung des einstigen Wundermittels, darstellen würde, noch um einige Monate hinaus zu schieben. Doch nun fällt ausgerechnet die Herstellerfirma Pfizer dem derzeitigen Gesundheitsminister Lauterbach in den Arm und warnt vor einer neuerlichen Verlängerung des Haltbarkeitsdatums, wie die Tageszeitung WELT am 4. März 2024 berichtete.
„Ich wende mich an Sie, um Ihnen unsere Besorgnis über das Vorgehen des Ministeriums auszudrücken“, schrieb Sabine Gilliam, Vorsitzende von Pfizer Deutschland, in einem Brief an die Behörden. Es gäbe weder in Deutschland noch anderswo wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine weitere Verlängerung der Haltbarkeitsdauer stützen.
Erst im Februar 2024 hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) vor dem Risiko schwerwiegender und möglicherweise tödlicher Nebenwirkungen bei Einnahme von Paxlovid in Kombination mit bestimmten Immunsuppressiva aus der Gruppe der Glukokortikoide wie Steroid- oder Kortison-Präparate, die gegen Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Morbus Crohn oder nach Organtransplantationen zum Einsatz kommen, gewarnt.
Aktuell belaufen sich die Lagerbestände von Paxlovid auf 430.000 Packungen im Wert von mindestens 280 Millionen Euro. Und auch der flehentliche Aufruf Lauterbachs vom Januar 2024, „Long-Covid-Patienten sollen so schnell wie möglich einen erleichterten Zugang zu dem Arzneimittel erhalten“, wird an der beklagenswerten Lage nichts ändern. Nicht zuletzt deshalb, weil, wie Forscher der University of Washington mitteilten, Paxlovid weder vor Long Covid schützt, noch die Symptome lindert.
Sollte Lauterbachs neuerlicher Taschenspielertrick nicht gelingen, müssten die verbliebenen Dosen auf Kosten der Allgemeinheit als Sondermüll vernichtet werden. Und das, nachdem bereits 755 Millionen Corona-Masken verbrannt werden mussten. Die Kosten beliefen sich auf etwa sieben Millionen Euro. Über 57 Millionen Masken wurden in den Bundesländern entsorgt. Überdies sind 83 Millionen Impfdosen vernichtet worden, EU-weit sogar 215 Millionen im Wert von über vier Milliarden Euro. (Stand Januar 2023)
Der aktionistische Umgang Lauterbachs mit Medikamentenbestellungen erinnert in bestürzender Weise an die Causa Tamiflu – ein Grippemittel, welches zwischen 2005 und 2009 massenhaft gekauft, eingelagert und später vernichtet werden musste. Pikanter Weise war ausgerechnet Angela Spelsberg, Lauterbachs Ex-Frau, an der Aufklärung dieses Skandals durchTransparency International beteiligt. Damals hatteTransparency Internationalgefordert, zuständige Kommissionen bei WHO und in den Ländern mit unabhängigen Experten zu besetzen. Offensichtlich ist dies nicht gelungen. Statt dessen wurde ein Pharma-Lobbyist zum Gesundheitsminister gemacht, der nicht nur den Pflegenotstand und die Fallpauschalen, sondern Ende der 1990er Jahre während seiner Tätigkeit beim Pharmakonzern Bayer eine Studie zum Lipidsenker Lipobay zu verantworten hatte. Nach nahezu 100 Todesfällen im Zusammenhang mit Lipobay musste das Medikament von Markt genommen werden. Lauterbachs Karriere hat all dies nicht geschadet. Nach wie vor wirft er das Geld der Steuerzahler für fragwürdige und teils gefährliche Medikamente zum Fenster hinaus und versucht nun ein weiteres Mal in unverantwortlicher Weise abgelaufene Medikamente unters Volk zu bringen.