Hilferufe an die Adresse fremder Mächte sind für die ungarischen Sozialisten keine Neuigkeit. 1956 riefen ihre Vorgänger die brüderliche Sowjetunion zur Hilfe, um den Aufstand gegen Kommunismus und Fremdherrschaft niederzuschlagen. Vor einigen Tagen ging ein Hilfeersuchen nach altem Usus aber an eine neue Adresse: an die EU. István Ujhelyi, sozialistischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments, hat den Fraktionsführer der Europäischen Volkspartei und CSU-Mitglied Manfred Weber flehentlich um Hilfe der EU im Kampf gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dessen Partei Fidesz gebeten. Orbán sei ein trojanisches Pferd, das „Zwietracht unter den Mitgliedern der EVP sät“ (sic!) schrieb er. Die EVP müsse aktiv werden gegen „die Verräter der europäischen Idee“ und Fidesz ausschließen, schrieb der Mann der MSZP – der Ungarischen Sozialistischen Partei, Nachfolgeorganisation von Kádárs Ungarischer Sozialistischer Arbeiterpartei, MSZMP.
Auslöser des Hilferufs war die Verabschiedung von einigen Änderungen an dem bis dahin geltenden Hochschulgesetz, die ihre Gegner als „Lex CEU“ bezeichnen – und das mit einigem Recht. Kurz zusammengefasst verfügt das Gesetz, dass in Zukunft nur dann aus dem Ausland finanzierte und gelenkte Hochschulen in Ungarn tätig sein und Diplome erteilen dürfen, wenn über ihre Tätigkeit zwischenstaatliche Vereinbarungen mit dem entsprechenden Staat getroffen wurden. Im Falle der Central European University zielt die neue Regelung auf die Reduktion der Machtfülle des Gründers und Financiers George Soros und würde bedeuten, dass nachträglich ein bindender Vertrag mit den Vereinigten Staaten oder einem ihrer Bundesstaaten über die Tätigkeit und Finanzierung der Universität unterzeichnet werden müsste. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass es innerhalb eines halben Jahres zu einer Vereinbarung kommen müsse, wenn die Lizenz für das Erteilen von Diplomen für die CEU weiter bestehen soll.
Die CEU begann als Freiheits-Universität …
Die 1991 gegründete CEU hatte am Anfang Zielsetzungen, die für die osteuropäischen Gesellschaften von großer Bedeutung waren. Während der sowjetischen Herrschaft war diese Region nicht nur von den technischen Entwicklungen und hochwertigen Konsumgütern der westlichen Welt abgeschnitten, sondern auch von den freiheitlichen Ideen der Geisteswissenschaften des 20. Jahrhunderts. Eine Universität, die osteuropäischen Studenten ein Fenster auf diese Welt öffnet, war eine großartige Idee. Die Finanzierung übernahm der Multimilliardär George (György) Soros, ein gebürtiger Ungar, dem es nach dem Krieg gelungen war, seine kommunistische Heimat zu verlassen und in die Vereinigten Staaten zu emigrieren. Die Universität fügte sich nahtlos in das Netzwerk seiner Open Society Foundations in allen postkommunistischen Ländern ein. In denen organisierten sich Mitglieder und Anhänger der sogenannten Demokratischen Opposition, die von Soros auch während der kommunistischen Herrschaft unterstützt wurden. Die Demokratische Opposition war keineswegs so weltanschauungsneutral wie die Bezeichnung suggeriert. Ihre Anhänger waren Linke, die den Kommunismus zwar ablehnten, aber von einer Gesellschaft auf dem Dritten Weg träumten. Sie wollten freie Wahlen und ein Mehrparteiensystem, aber mit der freien Marktwirtschaft hatten sie große Probleme. Rückblickend kann man sagen, dass sie dem Sozialismus immer näher standen als der Freiheit.
Soros sagte irgendwann Ende der 90-er Jahre dem Autor dieses Artikels, dass er die Förderung seiner Stiftungen langsam auslaufen lassen wolle. Wenn die Gesellschaft diese Organisationen brauche, sagte er, dann werde sie auch Wege finden, sie am Leben zu erhalten. Die Idee war richtig, doch verwirklicht wurde sie nie. In dem Moment, als in Ungarn die erste konservative Fidesz-Regierung gewählt wurde (1998-2002), begann sich die Rolle der Soros-Förderungen zu ändern. Von nun an floss das Geld in regierungskritische NGOs wie die Ungarische Helsinki Gruppe, Transparency International, in linke Quasi-Parteien und linken Parteigründungsinitiativen, linke Rundfunksender (Tilos Rádió), Print- und Internetmedien (Magyar Narancs, 444) – und seit dem Ansturm der Migranten auf Europa geht immer mehr Geld an sogenannte Flüchtlingsinitiativen und an Kritiker der ungarischen Einwanderungspolitik. Soros unterstützt mehr als 60 verschiedene Organisationen, von Forschungsinstituten bis hin zu „Mediaberatungen“, deren organisatorische und finanzielle Zusammenhänge schwer oder gar nicht zu durchschauen sind. Sie zeichnen sich alle durch extreme Regierungsfeindlichkeit aus. Sie beklagen sich regelmäßig in verschiedenen Gremien der EU über Ungarn, fertigen nicht auf Wahrheitsgehalt kontrollierbare „Berichte“ an und erwirken verurteilende Resolutionen, die immer neue Kampagnen der EU-Führung gegen Ungarn einleiten. Sie reichen Klagen gegen die Regierung beim Europäischen Gerichtshof ein, wie in einem Fall nur untermauert durch „Zeugenaussagen“ von unauffindbaren straffällig gewordenen Personen, die illegal die ungarische Grenze überquert hatten. Was den EuGH nicht daran hinderte, den Klägern Recht zu geben.
… und wandelte sich zum Ideologie-Instrument
Zusammen mit dieser Entwicklung begann sich auch die Rolle der CEU zu wandeln. Schritt für Schritt wurde sie zum Sprachrohr und Dienerin der aktuellen EU- und UN-Klima-, Gender- und Immigrationspolitik. Ihre Absolventen finden Anstellungen bei der EU, in der UN und bei Hilfsorganisationen, wie im Jahresbericht der Universität zu lesen ist. Heute schreibt Rektor Michael Ignatieff auf der Homepage der Universität: „wir haben in den letzten 25 Jahren nie gezögert, unsere Mission im Lichte neuer Umstände neu zu denken. Infolge der letzten Ereignisse in der Welt … müssen wir uns mehr denn je für einen offenen Geist und offene Grenzen einsetzen.“ Inzwischen prägen die Themen des westlichen Mainstreams die „Forschungsgebiete“ der CEU: Gender-Theorien, Lob der Homosexualität, Kampf gegen Religion, Nation, Familie, Verurteilung von allem, was konservativ ist und nicht zuletzt eine tiefe Verneigung vor dem Islam. Hier nur als Beispiel die Themen einiger Doktorarbeiten der letzten Jahre: „Entmachtung und Zukunftslosigkeit: Gemeinsamkeiten im Marxismus und der Queertheorie“, oder „Spiel mit Identitäten: Studien über die Budapester Sado-Maso-Gemeinschaft“, oder „Blasphemie als Mittel der Kritik in der postsowjetischen politischen Kunst“. Dann geht es noch um die Kritik nationalistischer Ideologien in Polen und in Mazedonien, und noch ein letztes Beispiel: „Sein und Existenz: Die Erfahrungen junger feministischer Männer auf Island“. Man kann nicht behaupten, dass dies die Themen seien, die der immer noch armen, von vielen Problemen geplagten ungarischen Gesellschaft gegenwärtig auf den Nägeln brennen würden. Es sind Fragestellungen, die eine kleine privilegierte Schicht der Budapester Intellektuellen bedient und ihnen das Gefühl gibt, ganz wie im Kommunismus, Teil einer weltweiten Avantgarde zu sein.
Dass jetzt erst der ungarische Staat anfing, sich für die CEU zu interessieren, hat natürlich mit dem Standpunkt Ungarns in der Asylpolitik zu tun und mit den dauernden Angriffen dagegen aus dem Ausland, insbesondere der EU. Die ideologische Ausrichtung der CEU allein wäre kein Grund für eine Intervention gewesen. Aber die CEU ist mit vielen undurchschaubaren Strängen mit den Soros-NGOs in Ungarn und Europa verbunden. Wie die Zusammenhänge sind, ist undurchschaubar. Die wichtigsten Mittel der Universität stammen von der von Soros gegründeten CEU Foundation Holland, die 2005 über ein Vermögen von 400 Millionen US$ verfügte. Vorsitzender der Foundation ist George Soros selbst. Im Jahresbericht der CEU von 2015 steht eine Entnahme von 38,033,886 $ aus dem Fonds, die 69.3% des Jahresetats ausmachte. Was mit diesem Geld passiert ist, wofür es ausgegeben wurde, ist nicht bekannt. Die bisherige Freiheit der CEU ist 2005 vom damaligen Bildungsminister Bálint Magyar Soros zugesichert worden, für die sich der Gründer artig beim Minister des SZDSZ – dem Verband der Freien Demokraten, der Nachfolgeorganisation der Demokratischen Opposition – bedankte. Wenn es also jetzt ein Lex CEU gibt, so löst er eine Lex Soros ab, gegen den weder damals noch heute irgendjemand zu protestieren für nötig hielt.
Ungarn fehlt eine echte Stimme der Freiheit
Was also soll man von dem neuen Gesetz halten? Seine Zielsetzung ist eine zumindest partielle Entmachtung von Soros und des von ihm eingesetzten Personals. Die Hoffnung war wohl, dass Orbán für dieses Vorhaben im neu besetzten US-Außenministerium einen Partner finden würde. Danach sieht es zur Zeit nicht aus. Die wichtige Frage bleibt also bestehen: Muss eine rechtmäßig gewählte Regierung in einem parlamentarischen System, das keine Diktatur ist und das die Unterstützung der Bevölkerungsmehrheit hinter sich hat, erdulden, dass ausländische Privatpersonen unkontrolliert NGOs, Medien und Bildungsinstitutionen im Lande betreiben, im In- und Ausland gegen die Regierung agitieren, Demonstrationen organisieren und ihnen genehme Parteien in den Wahlkämpfen unterstützen? Während die Unterstützung der Demokratischen Opposition im Kommunismus – die eine Diktatur war – richtig war, kann dieser Freibrief in einem demokratischen Rechtsstaat nicht gelten. Allerdings geht es Orbán nicht allein um die Frage von Souveränität, er führt auch einen Kulturkampf. Er will seinem Land ebenso eine Ideologie aufzwingen, wie es die Fortschrittlichen tun. Um die Freiheit geht es in dieser Auseinandersetzung keiner der Parteien.
Etwa 80.000 Menschen haben in den vergangenen Wochen für die CEU in Budapest demonstriert. Das sind die vorwiegend jungen Menschen aus den wohlhabenden intellektuellen Milieus von Budapest, die heute in Ungarn für die westliche Mainstream-Meinung zu gewinnen sind, auch wenn die meisten von ihnen vermutlich gar nicht wissen, worum es bei dem Konflikt geht. Die Budapester Intelligenzia befindet sich seit einiger Zeit in einem hysterisierten Dauerzustand. Das Orbán-Regime ist – auch wenn es in der Asylantenfrage einen richtigen und wichtigen Standpunkt vertritt – außenpolitisch irrlichternd, extrem korrupt und strebt selbst nach einer konservativ-nationalen Meinungsdiktatur. Deshalb ist es für Teile der gebildeteren und wohlhabenderen Budapester, die das Gefühl haben, in dieser Atmosphäre zu ersticken, schwer zu ertragen. Es gibt aber keine politische Kraft, die für einen Wechsel sorgen könnte, gerade weil Orbáns Gegner außer mehr Umverteilung und der westlichen Mainstream-Meinung nichts als Gegenprogramm zu bieten haben. So greifen sie nach jedem Strohhalm. Jeder Protest wird zur großen Wende erklärt, aber stattdessen verglüht er ebenso schnell, wie er entflammt: Das war bei den Demonstrationen gegen die Internetsteuer ebenso wie bei der Initiative gegen Olympia in Budapest, und es ist nicht schwer vorherzusagen, dass es auch mit der CEU so kommen wird.
Piroska Farkas ist freie Publizistin.