Österreich schafft auch ohne Bundesregierung eine Regierungskrise: Die von der konservativen ÖVP und den nun marxistisch angehauchten Sozialdemokraten zu Koalitionsverhandlungen eingeladenen Neos geben auf – ihre Parteichefin Beate Meinl-Reisinger (46) will „nicht dem Populismus dienen“. In der Alpenrepublik sorgt das nun für noch mehr Unmut über ÖVP, SPÖ, Neos und den Bundespräsidenten. So hat bekanntlich Alexander Van der Bellen den klaren Wahlsieger vom 29. September, FPÖ-Chef Herbert Kickl, von einer Regierungsbildung ausgeschlossen.
96 Tage wurde verhandelt, doch jetzt stehen die Fast-Koalitionspartner da wie begossene Pudel: Die links-liberalen Neos, die als dritte Partei für die Bildung einer halbwegs stabilen Bundesregierung gebraucht worden wären, kündigten den Ausstieg aus den Verhandlungen an. Und allein würden ÖVP und SPÖ nur knapp die einfache Mehrheit im Parlament schaffen. Österreich war nun also länger als drei Monate politisch lahmgelegt, keine der so dringend nötigen Reformen gegen Massenzuwanderung oder zur Belebung der dahinsiechenden Wirtschaft konnten implementiert werden.
Der Zorn in der österreichischen Bevölkerung wächst, vor allem der Bundespräsident, der ja diese Variante des politischen Taktierens ausdrücklich verlangt hat, gerät auf den Social-Media-Kanälen immer mehr ins Schussfeld vieler Kritiker. Nicht wenige finden sich an das Zitat aus Friedrich Schillers „Wallenstein“ erinnert: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.“ Die Sympathisanten und Wähler der FPÖ verzeihen Bundespräsident Alexander Van der Bellen (80) nicht, dass er Wahlsieger Herbert Kickl nicht mit der Bildung einer Bundesregierung betraut hat, sondern dies an den Zweitplatzierten, ÖVP-Chef Karl Nehammer, übergeben hat.
Jetzt stehen der Bundespräsident, ein Ex-Parteichef der Grünen, sowie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und auch der Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, der bekennende Marxist Andreas Babler (SPÖ), vor einem gewaltigen Scherbenhaufen: 96 Tage endeten mit einer Blamage sondergleichen, ohne Reformen gehen in Österreich die Unternehmen in Serie in Insolvenz, die Arbeitslosigkeit steigt weiter, die Energiepreise belasten Firmen wie Privathaushalte immer mehr.
Drei Szenarien gelten nun bei der Fortsetzung der österreichischen Tragikomödie auf der politischen Bühne als wahrscheinlich.
Erstens: Die Wahlverlierer ÖVP und SPÖ lassen nun in ihrer Notlage den größten Wahlverlierer, die Grünen, in die Koalitionsverhandungen eintreten. Das wäre die einfachste, aber für die politische Zukunft der ÖVP fatalste Entscheidung – auch die Landeshauptleute der ÖVP müssten diesem Polit-Stunt erst zustimmen. Immerhin würde da die ÖVP dann mit zwei ultralinken Fraktionen regieren müssen. Bis zum 29. September konnten sich Karl Nehammer und sein Team nicht einmal gegen eine einzige kleine linke Partei – die Grünen – in einer Koalition durchsetzen.
Zweitens: In der ÖVP setzt sich nun der rechte Flügel durch, der immer schon für eine Neuauflage einer ÖVP-FPÖ-Koalition war. Das ginge natürlich nicht mit Karl Nehammer, der sich gegen jede Partnerschaft mit Kickl festgelegt hat. Also müsste ihn ein neuer ÖVP-Chef ablösen – Sebastian Kurz sei bereit, wie auch Tichys Einblick schon berichtet hat. Oder es folgt eine Übergangslösung mit einem ÖVP-Funktionär aus der zweiten Reihe, um Kurz erst dann wieder ins Spiel zu bringen, wenn sich die politische Lage stabilisiert und das Budget etwas saniert ist. Was bei diesem Szenario ungewiss ist: Würde Herbert Kickl wirklich auf den Kanzlerposten verzichten? Oder die ÖVP?
Drittens: Der betagte und blamierte Bundespräsident geht in die Offensive und rät zu Neuwahlen. „Seine“ Grünen würden da wohl kaum im Parlament zustimmen, ihnen droht damit ja ein weiterer Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Die in innerparteilichen Fehden dahintorkelnde Sozialdemokratie wird wohl ebenso nicht für eine Neuwahl sein, und die ÖVP muss auch einen weiteren Mandats- und Machtverlust fürchten, außerdem ist die ÖVP hoch verschuldet. Also wären nur die FPÖ und die Neos für eine Neuwahl, gemeinsam hätten sie aber nur 75 der 183 Mandate im Parlament.
Somit zeichnet sich ab: Falls der linke Kamikaze-Kurs der CDU-Schwesterpartei ÖVP gestoppt werden soll, wird sie doch noch auf die FPÖ zugehen müssen. Eine Neuauflage einer Koalition von Österreichs Konservativen mit den Grünen und mit künftig auch noch linkslinken Tendenzen aus der SPÖ dürfte von Nehammer innerparteilich wohl kaum durchzusetzen sein.