Tichys Einblick
Endspurt in Österreich

Kostet das Hochwasser die rechten Parteien den Wahlsieg?

Österreichs Rechts-Politikern steht das Wasser bis zum Hals - zumindest auf den vielen Plakaten, die im Hochwassergebiet in Niederösterreich und bei Wien untergehen. Die Linke und nicht wenige Journalisten erhoffen sich nun auch, dass die Flut den "Klimawandel-Leugner" Kickl von der Spitze der Wahlumfragen spült. Das dürfte allerdings nicht ganz so sicher sein. Von Richard Schmitt

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Österreichs Rechts-Politikern steht das Wasser bis zum Hals – zumindest auf den vielen Plakaten, die im Hochwassergebiet in Niederösterreich und bei Wien untergehen. Die Linke und nicht wenige Journalisten erhoffen sich nun auch, dass die Flut den „Klimawandel-Leugner“ Kickl von der Spitze der Wahlumfragen spült. Das dürfte allerdings nicht ganz so sicher sein: Noch immer könnte die Sorge über zugewanderte Terrormörder größer sein als vor einem „Klima-Gott“, der mit Tempo 100 und einem Verbot von Plastiksstrohhalmen zu besänftigen sein soll.

„Ich weiß zwar nicht genau wie, aber das hier kann das Wahlergebnis verändern“, orakelt eine Redakteurin der einst bürgerlichen Wiener Tageszeitung „Die Presse“ auf X zu den Meldungen über die Hochwasser-Situation. Und der frühere Wiener Planungsstadtrat Christoph Chorherr (Die Grünen) schildert ebenfalls auf dieser Social-Media-Plattform seinen „schlimmsten Albtraum“: „Wegen Hochwasser beginnen viele an ihrer Stimme für die FPÖ zu zweifeln und wählen ÖVP. Die ÖVP wird knapp Erste, dann kommt Schwarz-Blau.“

Österreichs Linke und Ultralinke hoffen also, dass der Wettergott das schafft, was sie sicher nicht mehr zusammenbringen werden: einen Wahlsieg der FPÖ bei der kommenden Nationalratswahl am 29. September zu verhindern. Die Debatte, warum Herbert Kickl, der viele Aussagen zum menschengemachten Klimawandel tatsächlich kritisch sieht, nicht gewählt werden dürfte, gewinnt jedenfalls an Dynamik und wird mit eindrucksvollen Bildern von versinkenden FPÖ-Plakaten oder mit Videos von Hochwasser führenden Flüssen illustriert.

Die Message, die damit ankommen soll: Die „Klimawandel-Leugner“ seien schuld am Hochwasser, sie dürften deshalb in Österreich keinesfalls den Kanzler stellen. Wer Kickl wählt, wähle die Flut, das Leid, die Zerstörung.

In konsequenter Fortsetzung dieser doch etwas naiven Strategie im Wahlkampf-Finale müsste dann allerdings auch gefragt werden: Warum kommt es JETZT noch zu einer Hochwasser-Situation, wenn die Grünen ohnehin schon fünf Jahre lang in Österreichs Bundesregierung mitmischen durften? War die CO2-Steuer noch immer zu niedrig? Lag’s vielleicht daran, dass in Österreich auf weiten Autobahn-Strecken weiterhin Tempo 130 gefahren werden darf? Gab’s doch zu wenige Blockade-Aktionen der Klima-Kleber?

Diesen nicht allzu intelligenten Zugang zu einem durchwegs komplexen Thema wie der Klimaveränderung kennen wir bereits aus den Geschichtsbüchern – oder viele zumindest aus den Asterix-Comics: Die Gallier fürchteten bekanntlich, dass ihnen bei Gewittern „der Himmel auf den Kopf fällt“. Und die Azteken rissen bis zum Jahr 1520 tausenden Gefangenen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust, damit am nächsten Tag auch ganz sicher wieder die Sonne aufging, wie sie meinten.

Fakten spielen in dieser aufgeflammten Klimawandel-Debatte in Österreich aber ohnehin kaum eine Rolle, viel wichtiger scheint: jetzt doch noch etwas gefunden zu haben, was der Rechtspartei FPÖ, die bei aktuellen Umfragen mit 29 bis 31 % klar vor ÖVP, SPÖ und den Grünen liegt, noch den Sieg am 29. September nehmen könnte.

Im alpenländischen Wahlkampf-Finish geht’s nun also darum, was die Österreicher mehr fürchten: Einen menschengemachten Klimawandel – oder doch den islamistischen Terrormörder, der ihnen, ihrer Tochter oder ihrem Sohn dank unkontrollierter Grenzen und einem totalen Staatsversagen bei längst fälligen Abschiebungen schon beim nächsten Event den Hals durchschneiden kann?

Die Wähler werden entscheiden.


Richard Schmitt, Journalist, Wien.

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