Die Liste der Raubzüge, der Boni, Tagegelder, Mietzuschüsse, Pensionszulagen, Beraterverträge und sonstigen Vergünstigungen, deren sich die Spitzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehwesens erfreuen, ist endlos lang. Und maßlos teuer; überraschend ist sie aber nicht. Sie ist, ganz im Gegenteil, genau das, was zu erwarten steht, wenn man einem Kartell von staatlich privilegierten Geschäftemachern erlaubt, ein Monopol zu errichten, das nicht nur die Preise, sondern auch den Absatz garantiert. Man kann dann liefern, was man will, bezahlt wird immer. Nicht, weil die Kunden zahlen wollten, sondern weil sie glauben, zahlen zu müssen. Aber das glauben sie nur.
Bevor es ums Geld geht, soll es hier allerdings ums Recht gehen, genauer: um den fatalen Staatsvertrag, dem ARD, ZDF und Deutschlandfunk ihre Drohnen-Existenz verdanken. Der Vertrag verpflichtet sie dazu, umfassend und ausgewogen, sachkundig und wahrheitsgemäß über alles zu berichten, das zum Verständnis des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Weltgeschehens nötig ist. Sie sollen sagen, was ist, weil ohne Kenntnis der Fakten die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit in der Luft hängt. Die großen Drei berufen sich zwar gern auf diesen Auftrag, erfüllen ihn aber nicht. Sie missbrauchen die Sonderstellung, die ihnen zugewiesen worden ist, veralbern ihre Kunden und lassen sie dafür auch noch bezahlen.
Jetzt brauchte man etwas Ungewöhnliches, etwas Gefährliches, einen Abgrund – damals, während der Spiegel-Affäre, einen Abgrund an Landesverrat, diesmal, im Kampf gegen rechts, einen Abgrund an terroristischer Bedrohung –, der sich dann auch prompt auftat und von den Medien grell ausgeleuchtet wurde. Statt sich mit ihnen anzulegen, hatte die Regierung die Medien auf ihre Seite gebracht, und das zahlte sich aus. Staatsmacht und Medienmacht hatten sich verbündet und schmückten gemeinsam den Abgrund aus, dem sie mit knapper Not entgangen waren.
Auf diese Medien ist Verlass. Öffentlich-rechtlich wie sie sich nennen, wissen sie, was sie ihren Gönnern schuldig sind. Wenn das Handwerk eine Pleitewelle auf sich zurollen sieht und der Bundesverband der Deutschen Industrie über die wachsende Zahl von Betrieben klagt, die um ihre nackte Existenz kämpfen, dann wendet man sich an die ARD; und die weiß Rat. Sie winkt einen Experten herbei, der zwar einräumt, dass die Zahl der Firmenpleiten einem neuen Höhepunkt entgegentreibt und allemal über der des Vorjahres liegt; sie liegt aber unter der Prognose, die irgendein anderer Experte früher einmal abgegeben hatte, und damit ist nun alles wieder gut. Die Bäcker machen es wie von Robert Habeck empfohlen, statt Insolvenz anzumelden, hören sie mit dem Backen einfach auf. Dann tauchen sie in keiner Statistik mehr auf, und die Insolvenzwelle hat sich „verhaltener“ entwickelt als erwartet.
Es bleibt jedoch ein großer Unterschied. Denn Claas Relotius konnte ich mir vom Leibe halten, habe das auch getan, nachdem ich einen der klebrigen Texte, die er ausschied wie die Schnecke den Schleim, überflogen hatte; ich muss den „Spiegel“ ja nicht kaufen. Mit den Öffentlich-Rechtlichen würde ich es gern ähnlich halten, doch das erlauben sie mir nicht. Sie stellen mir den Fuß in die Tür und drohen mit Mahnungen, Strafbescheiden und Zwangsvollstreckung, wenn ich mich weigere, für etwas, was ich nicht haben möchte, zu bezahlen. Sie bestehen auf meinem Beitrag zu einem Unternehmen, zu dem ich aus guten Gründen nichts beitragen will, und wenn ich diese Gründe nenne, antworten sie mir, ich könne ja verzichten: aufs Angebot, versteht sich, nicht aufs Zahlen.
Es gibt jedoch eine wachsende Zahl von Leuten, die das nicht einsehen. Sie haben den Unterschied zwischen freier und manipulierter Meinung immer noch nicht vergessen und weigern sich, den Beitrag zu entrichten. Sie sagen: Wir haben genug von Talkshows, die uns Politiker, von denen wir mehr als genug haben, auch noch zum Anfassen präsentieren. Wir brauchen keine Fachleute, die den Schleier, den sie in Persien als Zeichen der Unterdrückung anprangern, in Deutschland als ein Symbol für kulturelle Vielfalt feiern. Wir haben keine Lust, uns das Märchen vom schwarzen Mann anzuhören, dem es gelang, einen Fernseher zu konstruieren, der ohne Energiezufuhr auskommt.
Wir wehren uns gegen die Zumutung, Tomatensuppe und Kartoffelbrei, über einen Monet oder van Gogh gegossen, als Kunstwerk zu betrachten. Denn darauf läuft der Beitrag, der von uns gefordert wird, doch allemal hinaus: auf das Ansinnen, nicht nur hinzunehmen, sondern auch noch zu fördern, was keine Förderung verdient. Viel zu viel von dem, was die Öffentlich-Rechtsfreien mit unseren Beiträgen anstellen, ist eben nicht nur überflüssig, anmaßend oder dumm, sondern gefährlich.
Gefährlich, weil es das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit pervertiert. Wenn ein Sender, noch bevor der Wahlausgang feststeht, den Bürgern suggeriert, wie sie zu reagieren haben – mit Erleichterung und Freude, falls die einen, und mit Empörung oder Entsetzen, falls die anderen gewonnen haben –, ist das ein Missbrauch von Artikel fünf des Grundgesetzes. Wenn man unter der Rubrik „Nachrichten“ erfährt, dass der eine Redner begeistert hat, während der andere enttäuschte, sollte man lieber von Manipulation als von Information sprechen. Partei zu ergreifen, Stellung zu nehmen, Haltung zu beweisen, und das nicht erst im Kommentar, sondern schon in der Nachricht, gilt mittlerweile als professionell. Der Journalist sitzt nicht im Publikum, er sitzt am Tisch der Mächtigen, ist Partner, nicht Beobachter der Politik und lässt sich gut dafür bezahlen, dass er die Wahrheit arrangiert.
Zwischen der platten Lüge und der nackten Wahrheit gibt es nämlich noch etwas Drittes, die halben Wahrheiten; aber auch die sind meistens ganze Lügen. Wer über Tatsachen wie die Zweigeschlechtlichkeit in einer Sprache spricht, die eben diese Tatsache bestreitet, oder über die Wirklichkeit eines Demonstrationszuges mit gerahmten, geframten Bildern berichtet, hat nicht die Wahrheit im Kopf, sondern sein eigenes Programm. Er will nicht informieren, sondern Stimmung machen, und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Am Anfang war dann immer noch das Wort, am Ende allerdings die Lüge. Wo es so weit gekommen ist, kann die Wahrheit, wie seinerzeit von Hannah Arendt erörtert, zu einem politischen Faktor allerersten Randes werden. „Wo prinzipiell und nicht nur gelegentlich gelogen wird“, hatte sie bemerkt, „hat derjenige, der einfach sagt, was ist, bereits zu handeln angefangen, auch wenn er das gar nicht beabsichtigte.“
Und damit wird die Meinungsmacht gefährlich. In Deutschland hat sie sich mit der Staatsmacht verbündet und ist, nachdem ihr nun auch noch die dritte Gewalt, die Rechtsmacht, beigesprungen ist, nahezu unangreifbar. Staatsnah, aber politikfern, nach dieser absurden Formel hat das Bundesverfassungsgericht den Öffentlich-Rechtlichen Privilegien zugesprochen, die zum Missbrauch geradezu einladen: ein weißer Rabe, den aber auch die Richter nicht aus ihren Hüten zaubern konnten. So lange sie diesem Fabeltier nachjagen, wird den Bürgern nicht viel anderes übrigbleiben, als ihren Widerspruch in derjenigen Sprache vorzutragen, die von den Rundfunk- und Fernseh-Gewaltigen am besten verstanden wird, in der Sprache des Geldes.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.