Schlimmen Zeiten gehen wir entgegen. Die drei apokalyptischen Reiter – Krieg, Teuerung und Pandemie – sind los und werden uns so bald auch nicht verlassen. Die Zukunft sieht düster aus, selbst die Rundfunk- und Fernsehgewaltigen, wohlversorgt mit den Annehmlichkeiten des öffentlichen Dienstes, wagen das Undenkbare zu denken und sagen Wirtschaftskrisen, Wachstumsschwächen und Wohlstandsverluste voraus. Der Abschied von der Vergangenheit, in der sie sich so komfortabel eingerichtet hatten, fällt ihnen aber schwer. Sie haben ihre Privilegien, die schweren Dienstwagen und die lebenslangen Ruhegeldzusagen, liebgewonnen und wollen sie nicht missen. Und weil sich die öffentlich-rechtliche Medienindustrie unter dem Schutz der rechtsprechenden Gewalt zu einem Staat im Staate ausgewachsen hat, der nach eigenen Regeln verwaltet und finanziert wird, müssen sie das auch nicht.
Begründet wurde das mit der Notwendigkeit, die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit zu garantieren: Das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, sei zu wichtig, um es dem Markt zu überlassen. So blieb der Staat im Spiel, in Grenzen allerdings. Das übliche Verfahren zur Finanzierung von Staatsaufgaben, die Steuer, schied ja aus, weil sie die politischen Gewalten, das Parlament und die Regierung, dazu verlockt hätte, Einfluss auf das Programm zu nehmen; und das wollte man nicht. Deshalb ging man dann einen anderen Weg, den über die Gebühr.
Gebühren sind, ähnlich wie Pflichtbeiträge zur sozial genannten Versicherungsindustrie, letztlich Steuern; jedenfalls wirken sie so. Sie werden festgesetzt wie Steuern, erhoben wie Steuern und eingetrieben wie Steuern; nur nennen darf man man sie so nicht, weil sie, im Gegensatz zur Steuer, zweckgebunden sind. Der Unterschied ist wichtig, zumindest für Rechtsgelehrte, denn er erlaubt ihnen, bei der Verteidigung der Öffentlich-Rechtlichen zweigleisig zu verfahren. Fühlt sich ein Bürger durch das, was ihm da ins Haus geliefert wird, unzureichend, einseitig oder schlecht informiert, bekommt er zu hören: Du kannst ja abschalten! Will er für ein Angebot, das er nicht nutzt, weil er sich anderswo besser und gründlicher unterrichtet fühlt, dann aber auch nicht zahlen, heißt es: Das musst du aber! Die Informationsfreiheit zu garantieren, sei eine Staatsaufgabe, der man sich nicht entziehen dürfe, auch wenn sie noch so schlecht erfüllt wird.
Das Ergebnis ist ein faktisches Monopol, das einzige vielleicht, das neben dem Preis auch den Absatz garantiert. Der garantierte Preis hat zu den abenteuerlichen Gehaltsexzessen geführt, wie sie ja nicht nur in Berlin üblich waren oder sind. Die Absatzgarantie wirkt wie ein Freibrief, der zum Missbrauch einlädt, die Willkür fördert und die Wokeness belohnt. Nachricht und Kommentar zu vermengen, Stimmung zu machen und Weltbilder zu propagieren, gilt als Beweis für Haltung, als Dienst am Fortschritt, dem sich die Intendanten ebenso verpflichtet fühlen wie die Regierung.
Wenn Lauterbach mit seinen Prognosen daneben liegt und Annalena Baerbock wieder einmal einen Bock geschossen hat, sind sie zur Stelle, um ihre Gönner rauszuhauen. Klemmt es beim Bürgergeld, dann droht ein Scheitern, und weil das offenbar vermieden werden muss, hofft man auf den Erfolg. Das eine Wahlergebnis löst Empörung, ja Entsetzen aus, das andere Erleichterung, wo nicht gar Freude. Während der eine Parteiführer begeistert, vermag der andere nicht zu überzeugen – und so weiter im Lexikon des manipulativen Sprachgebrauchs.
In seiner real existierenden Gestalt wird der öffentlich-rechtlich verfasste Rundfunk seinem Auftrag, die Grundversorgung sicherzustellen, genauso wenig gerecht wie der real existierende Sozialismus dem seinen. Hält man sich an das, was da verkündet oder auch verschwiegen wird, dann versteht man die Welt nicht mehr. Man erfährt, dass die Schweden-Demokraten üble Leute sind, dass Viktor Orbán ein Autokrat und Giorgia Meloni eine Postfaschistin ist. Warum die Italiener sie gewählt haben, warum die Ungarn an Orbán festhalten und was die Schweden dazu bestimmt haben könnte, mit der jahrzehntelangen Vorherrschaft der Sozialdemokraten Schluss zu machen, darüber erfährt man wenig oder nichts. Die sogenannten Berichterstatter wollen gar nicht berichten, sie wollen Ansichten verbreiten, Reklame machen für sich und ihre Freunde. Wer sich darüber ärgert und aufbegehrt, gilt als ein schlechtes, wer kuscht und zahlt und schweigt, als gutes Mitglied der Gesellschaft.
Verkehrte Welt. Wo die Information über die Tatsachen nicht gesichert ist, hatte Hannah Arendt seinerzeit geschrieben, wird die Meinungsfreiheit zur Farce. Wo auf die Sprache kein Verlass mehr ist, wäre aus heutiger Sicht zu ergänzen, wird die Informationsfreiheit zur Farce, denn Information ist auf Sprache angewiesen. Und die wird planmäßig in Dienst genommen, verbogen und entstellt. Wenn die Wörter ihren Sinn verlieren, können sie alles Mögliche bedeuten, sogar das Gegenteil von dem, was sie ursprünglich einmal gemeint hatten. Täter werden dann zu Opfern, Schlepper zu Rettern, Utopisten zu Realisten, Terroristen zu Aktivisten – und, selbstverständlich, umgekehrt. In der politisch korrekt verlogenen Sprache gibt es Pazifisten, die nach Waffen rufen, Liberale, die den Zensor lieben, Egalitäre, die auf Unterschiede pochen, und Humanitäre, die auf die Menschenrechte pfeifen. Und schließlich gibt es dann auch noch die wahren Lügen; die Medien sind voll davon.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.