Im besten Deutschland aller Zeiten ist man es schon längst gewohnt, dass die Regierung sich ihre Fettnäpfchen teuer aus der Tasche des Steuerzahlers bezahlen lässt. Der interne Konkurrenzkampf um die Krone der größten Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird dabei mit harten Bandagen geführt. Robert Habeck, der einst noch beiläufig beim Pommes-Essen auf der Straße fotografiert werden wollte (wozu er wahrscheinlich mittlerweile keine Zeit mehr hat, ohne Scheiß), leistet sich nun einen Hoffotografen für schlappe € 350.000, rangiert damit aber noch immer weit hinter dem deutschen König der Verschwendung, Karl Lauterbach, dessen neueste Impfkampagne „Ich schütze mich“ je nach Quelle zwischen € 32,7 Millionen und € 40 Millionen verschlungen hat. Dafür wirken an dieser Kampagne, entgegen früher Aussagen des Gesundheitsministers, es handle sich nicht um Schauspieler oder Models, auch professionelle Kleindarsteller aus Stripchats mit. Wer wagt da noch am verantwortungsvollen Einsatz der Steuergelder zu zweifeln?
Doch diese Investitionsdiskrepanz konnte Habeck nicht einfach so auf sich sitzen lassen, nun steigt auch er in die werbetechnische Champions League auf. Seine Energiesparkampagne „Damit wir gut durch den Winter kommen“ beläuft sich laut NZZ auf ebenfalls rund € 40 Millionen. Damit übersteigt der Kostenpunkt beider Kampagnen das kumulative Gesamtbudget der Bundestagswahlkämpfe von CDU und SPD im Vorjahr. Doch während die Wahlkampfausgaben der beiden traditionellen Großparteien Deutschlands nur einmal alle vier Jahre anfallen, gönnen sich die Ministerien sogar mehrere solcher Kampagnen pro Jahr.
Das führt zur inhaltlichen Frage, ob diese Kampagnen sich denn volkserzieherisch gelohnt haben. Vor allem für Karl Lauterbach sollte es schwierig sein, die Resultate der letzten drei Impfkampagnen, die rein von ihren kumulativen Werbebudgets die € 100 Millionen Schallmauer durchbrochen haben, als Erfolg umzudeuten. Was alle drei Kampagnen nämlich eint, ist die Tatsache, dass selbst die Mainstream-Presse zugeben musste, dass sie allesamt darin fehlschlugen, weitere Menschen für die Impfung zu begeistern. „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“
Nun könnte man einwenden, dass Informationskampagnen in Krisenzeiten durchaus zum Repertoire von Regierungen gehören sollten, um die Bevölkerung aufzuklären. Doch wo solche Kampagnen in der Vergangenheit noch selten, bieder und informativ waren, unterliegen die heutigen Kampagnen den zeitgenössischen Regeln der Werbung. Die „Besonderen Helden“ waren ein Versuch, unterhaltsam und witzig zu wirken, was allerdings bei Projekten eines bürokratischen Verwaltungsapparates – wenig überraschend – fast immer krachend misslingt.
Weniger auffällig wird das Versagen solcher Kampagnen, wenn diese vor allem auf Emotionalität und postmodernes Wir-Gefühl setzen. Nachdem NGOs bereits eine politische Vorreiterrolle übernommen haben, geben sie auch in der Gestaltung der Werbung den Ton an. Schuldgefühle, eindringliche Blicke von „Menschen wie Du und ich“, vage Versprechungen eines bitterlich vermissten Gemeinschaftsgefühls – schon längst sind diese omnipräsenten Versatzstücke an die Stelle von Informationsvermittlung getreten.
Das mag beim Kauf von Seife vernachlässigbar sein, doch bei der Gestaltung von Regierungskampagnen ist diese Form der Manipulation demokratiegefährdend. Von einem tatsächlichen Informationsgehalt kann bei Slogans wie „Ärmel hoch“, „Freiheit bewahren und unser Klima schützen“, oder „Ich schütze mich, weil meine Mama mich braucht und ich sie“ keine Rede sein. Was sie jedoch vermitteln, ist eine Definition von tugendhaftem Verhalten und dessen Propagierung.
Gerade deshalb ist es aber geboten, die verschiedenen Kampagnen der Regierung nicht gesondert, sondern als gemeinsames Projekt zu verstehen. Die Formung des Bürgers zur tugendhaften Lebensweise nach Vorstellung der Verwaltungspädagogen findet an verschiedenen Fronten gleichzeitig statt. Dass die Wirtschafts- und Gesundheitsministerien daran so intensiv teilnehmen, ist nur die neueste Erscheinung dieses Prozesses. Das „Nudging“, das „Anstupsen“, der Bürger ist ein verhaltensmanipulativer Ansatz, der erstmals 2008 formuliert wurde und direkt Eingang in die Politik gefunden hat. Basierend auf Einsichten der Verhaltensforschung strebt Nudging offen danach, die Bürger zu tugendhaften Verhaltensweisen zu manipulieren.
In Amerika hielt Nudging unter Barack Obama großflächig Einzug in die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, in Deutschland ist vor allem das groß angelegte Projekt „Demokratie leben“, das Anfang 2015 rechtzeitig zur Flüchtlingskrise begann, und im Zuge dessen die Bürger zu „demokratischem Handeln und gegen rechtsextreme, fremdenfeindliche und antisemitische Tendenzen“ erzogen werden sollten, erwähnenswert. Mit knapp € 40 Millionen wurden damals „Modellprojekte gegen Islamfeindlichkeit, Antiziganismus, Antisemitismus, Homophobie, Transgender-Diskriminierung und Demokratieentwicklung“ gefördert. Die dafür geschaffenen Kategorien erinnern dabei frappierend an die Schlagwörter der auch heute omnipräsenten Kampagnen: „Chancen schaffen“, „Grenzen überwinden“, „Leben bewahren“, „Generationen verbinden“ und „Demokratie stärken“.
Dass es sich hier nicht um kurzfristige Modeerscheinungen, sondern um ein bewusstes Mittel zur langfristigen ideologischen Umerziehung handelt, verraten einem einmal mehr die Finanzen. „Demokratie leben“ wurde 2016 auf € 50 Millionen aufgestockt und 2017 sogar auf € 104,5 Millionen verdoppelt. Seit 2018 hat sich das jährliche Budget für das Nudging-Großprojekt auf ungefähr € 120 Millionen jährlich eingependelt. Die 2017 geäußerte Kritik von Markus Wehner in der FAZ, dass „Demokratie leben“ sich, angesichts der Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg, zu wenig mit der Bekämpfung von Linksextremismus befassen würde, verhallte wie so oft ohne nennenswerte Konsequenz. Der Anschlag in Halle im Oktober 2019 diente jedoch als Anlass, um die Finanzierung für „Demokratie leben“ auf weitere fünf Jahre hinaus zu garantieren.
Rechnet man lediglich die Kosten von „Demokratie leben“, sowie der Pieks- und Frierkampagnen von Lauterbach und Habeck zusammen, so ergibt sich alleine für das Jahr 2022 eine Summe von fast einer Viertelmilliarde Euro, die dem Steuerzahler abgenommen wird, um ihn selbst zu einem besseren Menschen „nudgen“ zu lassen.
Man irrt, wenn man darin eben nur den selbstdarstellerischen Spleen woker Politiker vermutet. Selbst der Begriff des Nudgings suggeriert fälschlicherweise, es handle sich bei diesen Prozessen um eine relativ neue Erscheinung. Doch der Historiker Paul Edward Gottfried beschrieb bereits vor über 20 Jahren die seit Jahrzehnten stattfindende Entwicklung eines Verwaltungsstaates, der sich in Berufung auf Konzepte von u.a. Adorno dazu berufen fühlt, „krankhaftes Verhalten“ (Diskriminierungen und Phobien aller Couleur) zu bekämpfen und seine Bürger zu „therapieren“. Gottfried erkannte eine „therapeutische Tyrannei“, die für ihn allerdings die „natürliche Entwicklung einer Massendemokratie“ darstellt. Möglich ist diese aber nur, wenn die „Bereitschaft der Öffentlichkeit, staatliche Maßnahmen, die auf Verhaltensveränderungen hinauslaufen, zu akzeptieren“ gegeben ist. Wo diese Bereitschaft vorliegt, steht einer „Implementierung einer Zivilgesellschaft, die durch Sozialingenieure mit ‘progressiven’ Gesellschaftsideen gelenkt wird“ kaum etwas im Wege.
Mittels dieser Überlegungen rücken sogar transnationale Bewegungen wie die Agenda 2030 und das berüchtigte „Du wirst nichts besitzen und Du wirst glücklich sein“ des World Economic Forum in greifbare Nähe zu den Nudging-Kampagnen in Deutschland. Vordenker dieses Prozesses, wie Yuval Noah Harari, erscheinen dann auch nicht mehr als theoretisierende Phantasten, sondern als Wegbereiter der nächsten Stufe gesellschaftlicher Therapie durch die Obrigkeit. Die Weitsicht eines Aldous Huxley, der all diese Bestrebungen bereits 1958 in einem Interview ankündigte, drängt sich dem aufmerksamen Leser mit bemerkenswerter Eindringlichkeit auf:
„Die Diktatoren der Vergangenheit haben ihren Willen durch Gewalt und durch Gewaltandrohung durchgesetzt. Ihr Hauptmittel an der Macht zu bleiben, war der Terror. Die wissenschaftlichen Diktatoren der Zukunft werden den Terror vermutlich nicht anwenden. Diese Diktatoren werden von dem Terror Abstand nehmen, nicht etwa weil sie menschlicher sind als die Diktatoren der Vergangenheit, sondern weil der Terror relativ wirkungslos ist. Ich glaube, dass wissenschaftliche Diktaturen sich verschiedener wissenschaftlicher Mittel bedienen werden, durch die man die Menschen manipulieren kann. Wir wissen heute wesentlich mehr über die Funktion des Nervensystems als früher. Früher wusste man intuitiv und aus Erfahrung, wie man Menschen am besten manipuliert. Heute aber weiß man aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen, wie man Menschen am besten dazu bringt, ihre Versklavung zu lieben. Das war genau das, was ich in meiner ‚Schönen neuen Welt‘ herausstellen wollte. Ich fürchte, dass mit den wissenschaftlichen Diktaturen der Zukunft die Entwicklung mehr und mehr in diese Richtung geht, das heißt, es wird eine Gesellschaft entstehen, in der die Bedingungen wirklich unmenschlich sind, in der aber die Seelen der Massen so manipuliert werden, dass die Menschen diese Bedingungen nicht nur akzeptieren, sondern sie geradezu lieben.“
Es bleibt fraglich, ob es den Sozialingenieuren gelingen kann eine „globale Bewußtseinsveränderung“ in ihrem Sinne vorzunehmen (Gottfried), denn der mangelnde Erfolg allein der Impfkampagnen in Deutschland verdeutlicht, dass die Nudging-Methoden naturwüchsig an Grenzen stoßen könnten. Nun ist es zwar schade um das viele Steuergeld, das man beileibe in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft gut gebrauchen könnte, doch vielleicht führen die inflationär geführten Nudging-Kampagnen zumindest dazu, dass diese Form der Manipulation sich letztlich abnutzt und zunehmend wirkungsloser wird. Zu wünschen wäre es uns.
David Boos ist Organist, Dokumentarfilmer und Journalist für den European Conservative und andere Magazine.