Tichys Einblick
Wall Street Journal:

Nord-Stream-Anschlag: Fünf neue Enthüllungen werden für Selenskyj und auch Scholz zum Problem

Knapp zwei Jahre nach den Explosionen am 26. September 2022 belasten neue hochinteressante Details zu dem Terroranschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee nicht nur Wolodymyr Selenskyj, seinen Ex-Armee-Chef und den ukrainischen Geheimdienst, sondern auch mehrere europäische Regierungen. Von Richard Schmitt

picture alliance / abaca | ABACA

Wie nun das Wall Street Journal aufdeckt, hätte die CIA vor dem Attentat auf Nord Stream von den Plänen der ukrainischen Täter gewusst – und somit vermutlich auch die Dienste der Verbündeten. Auch die Yacht des Sprengkommandos konnte ungehindert in Deutschland ablegen. Geschickt verpackt das bekannte US-Medium die für die europäischen Verbündeten der USA und auch für die ukrainische Regierung belastenden Details in eine „besoffene Gschicht“: Bei einer ausgelassenen Feier im Frühjahr 2022 sei in Kiew die Idee geboren worden, die für Mitteleuropa bedeutende Gasversorgung über die Pipeline Nord-Stream-2 zu kappen. Der Terroranschlag sollte als PPP-Modell umgesetzt werden, also als Public-Private-Partnership-Projekt mit 300.000 US-Dollar Kapital ausgestattet.

Die Investigativ-Journalisten des Wall Street Journals berufen sich bei ihrem Bericht auf die Aussagen von vier Geheimdienstmitarbeitern der Ukraine, die in die Planungen involviert gewesen sein dürften. Und was diese Insider berichten, wird für den deutschen Kanzler ebenso zum Problem wie auch für andere europäische Regierungen und natürlich auch für Wolodymyr Selenskyj und seinen Ex-Armeechef Valeriy Zaluzhniy, der nun als Botschafter der Ukraine in London residiert.

Es sind vor allem diese 5 brisanten Punkte, die nun ganz gezielt vom US-Medium veröffentlicht worden sind:

Erstens: Laut Wall Street Journal genehmigten Selenskyj und Zaluzhniy den Terrorplan. Nach Intervention durch die CIA soll Selenskyj noch versucht haben, die Operation zu stoppen – doch es war zu spät, die ukrainische Armeeführung hatte keine Möglichkeit mehr, die Tätergruppe zu erreichen. Zitat eines ukrainischen Geheimdienst-Insiders: „Zaluzhniy wurde gesagt, das sei wie bei einem Torpedo – du kannst das Team nicht mehr zurückrufen.“ Von der ukrainischen Regierung wird eine Mitwisserschaft weiterhin abgestritten.

Zweitens: Es wurde bisher nicht dementiert, dass die CIA und auch der holländische Nachrichtendienst lange vor den Explosionen von den Attentatsplänen wussten – und trotzdem wurden Mainstream-Medien nach den Detonationen mit der Story gefüttert, dass es die Russen selbst waren, die ihre eigenen Gas-Exporte so stoppen wollten. Europa hat also ein massives Fake-News-Problem bei seinen größten Medien.

Drittens: Die Tätergruppe konnte laut Wall Street Journal absolut ungehindert am 7. September 2022 aus Rostock ablegen und war dann bis 23. September an Bord der Yacht Andromeda, das Sprengkommando wurde angeblich auch nicht überwacht. Ein befreundeter Dienst – die CIA – weiß also von einem Terrorplan und informiert nicht die deutschen Verbündeten? Das ist eigentlich schwer vorstellbar. Die jetzigen Enthüllungen belasten Kanzler Olaf Scholz (SPD): Was wusste er wann?

Viertens: Im Wall Street Journal findet sich auch ein millionenschweres Motiv der ukrainischen Regierung, mutmaßlich den Anschlag in Auftrag gegeben oder zumindest mitorganisiert zu haben: Dank der nach den Explosionen in der Ostsee einzig verbliebenen intakten Pipeline durch die Ukraine kassiert Kiew seit September 2022 noch wesentlich mehr Millionen über die Durchfuhrzölle auf russisches Gas, das nach Europa gepumpt wird.

Fünftens: Die aktuelle Veröffentlichung selbst ist eine politische Bombe – mit dem Bericht wird ein „Blame Game“ gestartet, wer nun für diesen Terror tatsächlich verantwortlich sei. Laut Wall Street Journal einmal klar Ex-Armeechef Valeriy Zaluzhniy, der nun in London noch gefährlicher leben dürfte. Dann auch Präsident Selenskyj selbst – dass er noch die Notbremse ziehen wollte, stellt ihn zwar etwas positiver in dem US-Bericht dar, doch allein die Nennung der Involvierung des Staatschefs durch ein Medium eines der wichtigsten Verbündeten der Ukraine ist für Selenskyj kein gutes Omen.

Der Bericht des Wall Street Journals wird massive politische Folgen in Europa haben – immerhin haben die durch den Nord-Stream-2-Anschlag geschädigten Bürger, die dann noch höhere Energierechnungen stemmen mussten, ein Recht auf eine komplette Aufklärung des Politkrimis und auf Entschädigung.

Die österreichische FPÖ gab dazu nun schon die Richtung vor: Der bekannte Mineralöl-Konzern OMV, der sich zu einem Drittel im Besitz der Republik Österreich befindet, hat fast eine Milliarde Euro in den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline investiert. Die Bundesregierung in Wien soll sich nun laut FPÖ an jenen Staaten, die für den Anschlag offenbar verantwortlich sein sollen, schadlos halten, das sei sie dem Steuerzahler schuldig.

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