Landratswahl im thüringischen Kreis Sonneberg: Nationale Front – Block der Blockparteien
Gastautor
Die Sozialistische Einheitspartei wusste, wie man mit eigensinnigen Wählern fertig wird: mit Hilfe einer Nationalen Front. Die Nationale Front hat sich nur umbenannt und neu kostümiert, sie nennt sich jetzt Zivilgesellschaft und trägt nicht mehr die nationalen, sondern die Regenbogenfarben. Von Konrad Adam
Nachdem der AfD-Kandidat Robert Sesselmann bei den Landratswahlen im thüringischen Kreis Sonneberg auf Anhieb 47 Prozent der Stimmen erhalten hatte, musste die politische Klasse erst einmal tief durchatmen. Dann trat Ministerpräsident Bodo Ramelow namens der Linkspartei vor die Presse und redete den Nicht-Wählern ins Gewissen: Sie trügen ein Stück Mitverantwortung für das Ergebnis. Ihr Bürger, soll das heißen, habt zu wählen, und ihr habt so zu wählen, wie wir uns das wünschen. Die Tradition des demokratischen Zentralismus, eine Errungenschaft der SED, ist unvergessen. Und sie wird ganz besonders gern von denen kultiviert, die wie Ramelow aus dem Westen kommen.
Die Sozialistische Einheitspartei wusste, wie man mit eigensinnigen Wählern fertig wird: mit Hilfe einer Nationalen Front. So ein Gebilde schließt sämtliche Parteien zu einer einzigen Großpartei, zum Block der Blockparteien zusammen, in dem nach einem festen Schlüssel Geld und Stellen, Ämter und Sinekuren vergeben werden. Die Wähler können dann wählen, wen oder was sie wollen, das Ergebnis steht von vornherein fest, schwankt zwischen 99,1 und 99,3 Prozent und macht das Durchregieren leichter. Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand behalten, hatte Walter Ulbricht seinen Genossen eingeschärft, als er von seinem Moskauer Exil nach Deutschland zurückkehrte. Die Genossen haben das nie vergessen, bis heute nicht.
Jetzt lernen wir die pluralische Variante des Einparteienstaates kennen, hatte ein gelernter DDR-Bürger seinen Freunden vorausgesagt, als es mit dem real existierenden Sozialismus im Osten zu Ende ging. Und er hat Recht behalten, die Nationale Front hat sich nur umbenannt und neu kostümiert, sie nennt sich jetzt Zivilgesellschaft und trägt nicht mehr die nationalen, sondern die Regenbogenfarben.
Um Robert Sesselmann von der AfD zu verhindern, haben sich sämtliche Parteien im Landkreis Sonneberg zur bunten Front vereinigt. Mitglieder von SPD und FDP, auch Linke und selbst die Grünen wollen jetzt für einen CDU-Mann stimmen – weil ihnen die Alternative fehlt, wie sie kleinlaut behaupten. Als ob es nicht eben diese Parole gewesen wäre, der die AfD ihren Aufstieg verdankt.
Sie wird auch weiter wachsen, wenn alles so weitergeht wie bisher. Tatsächlich gibt es nichts Einfältigeres als das, was uns in Wahlprogrammen, auf Kirchentagen oder von der Tagesschau zugemutet wird. Die Bürger haben das längst verstanden, sie sind nicht so naiv, wie ihre Vormünder das gern hätten, und wenden sich ab. Sie haben nicht vergessen, dass eine alternativlose Politik ausnahmslos eine schlechte, bornierte, einfallslose Politik ist.
Wenn sie zur Wahl gehen, dann wollen sie die Wahl auch haben; wird die von den Parteien nicht mehr geboten, dann bleiben sie zu Hause oder wählen neue Parteien – genauso, wie in Sonneberg geschehen. Nicht zu Unrecht macht die CDU die viel zu bunte Ampel für das Stimmungshoch der AfD verantwortlich. Ehrlicher wäre es allerdings gewesen, wenn sie von ihrer eigenen, ihrer Mitverantwortung gesprochen hätte. Denn an der Wiege der AfD stand als die gute Fee Frau Merkel.
Anzeige
Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus. Unterstützen