In den letzten Jahren erfreute sich der ursprünglich aus den USA stammende Begriff des Mansplaining auch in Deutschland einer steigenden Beliebtheit. Die englische Definition des Merriam-Webster’s Collegiate Dictionary lässt sich laut Wikipedia wie folgt übersetzen:
„Das, was geschieht, wenn ein Mann herablassend mit jemandem (vor allem einer Frau) über einen Themenbereich spricht, in dem er nur unvollständige Kenntnisse hat. Dabei nimmt er fälschlicherweise an, er wisse mehr über den Gegenstand als die Person, mit der er spricht.) Das Phänomen wird als Ausdruck der generellen und unreflektierten Annahme des Sprechers gesehen, sein Gegenüber wisse weniger als er“.
Wie sinnvoll es ist, eine unreflektierte, herablassende und auf unvollständiger Themenkenntnis beruhende Sprechweise auf genetisch bestimmte Geschlechtsmerkmale zurückzuführen, sei nun einmal dahingestellt. Dies vor allem Männern zuzuschreiben und nicht auch Alten, Jungen, Frauen, Kleinen, Großen, Weißen, Schwarzen, Klerikern, Politikern und Anderen – sprich dem Menschen an sich, beziehungsweise von bestimmten Gesinnungen geprägten Menschen – kann man zumindest als fragwürdig betrachten. Allerdings bietet der Begriff eine vorzügliche Steilvorlage, um ein anderes – wie ich finde problematisches – Phänomen unserer heutigen Gesellschaft zu definieren: Die Vorherrschaft vermeintlicher Moral, die auf unvollständigen Kenntnissen und unreflektierten Annahmen des sie selbst propagierenden Subjekts beruht – kurz Moralsplaining.
Mansplaining und Moralsplaining
Gemäß der oben erläuterten, von Wikipedia übersetzten Wortschöpfung des Mansplaining, gelangt man zu folgender Definition von Moralsplaining:
„Das, was geschieht, wenn ein sich als moralisch (richtig) einstufendes Subjekt herablassend mit jemandem (vor allem einem vom eigenen Standpunkt abweichenden Subjekt) über einen Themenbereich spricht, in dem es nur unvollständige Kenntnisse hat. Dabei nimmt es fälschlicherweise an, es wisse mehr über ein Thema als die Person, mit der es spricht.“
Im Unterschied zum Mansplaining, ist das sich des Moralsplaining bedienende Subjekt nicht auf bestimmte genetische Geschlechtsmerkmale festgelegt, sondern alleine dadurch definiert, dass es sich als moralisch einstuft, fälschlicherweise annimmt, mehr als der Gegenüber zu wissen, dabei aber unvollständige Kenntnisse hat und sich herablassend äußert. Moralsplaining betreibende Subjekte zeichnen sich durch einen moralischen Populismus aus, in dem ein nicht zu Ende gedachtes Ideal in quasi-religiöser Weise zur Ideologie wird und den Menschen, unter Ausblendung jeglicher Folgen und Nebenwirkungen als einfache und richtige Lösung versucht wird nahezubringen. Anders als beim „rechten Populismus“, steht am Anfang ein naives und stark vereinfachtes, aber in seiner Natur hehres Ziel – wie zum Beispiel eine Welt ohne Grenzen – welches aufgrund der eindimensionalen Methodik der moralischen Populisten Gefahr läuft ins Gegenteil – hier die weltweite Destabilisierung – pervertiert zu werden.
Die Flüchtlingskrise
Mich persönlich erinnert der Umgang mit der Flüchtlingskrise stark an das Phänomen des Moralsplaining. Ganze 82 Prozent der Zeitungsartikel in Deutschland bezüglich der Flüchtlingskrise sind laut FAZ nicht beschreibend, sondern positiv wertend. Man möchte der Bevölkerung ein bestimmtes Narrativ vermitteln, wonach Millionen von oft über Jahrzehnte islamistisch indoktrinierte und weitestgehend ungebildete Flüchtlinge ein Segen für sie seien. Bei ausbleibenden Argumenten versucht die moralische Elite anders Denkende zu gerne mit dem Vorwurf des „Rechtsradikalismus“ zum Schweigen zu bringen. Nicht mehr Gesetz und Justiz, sondern die Regierung schreibt Facebook – der größten Medienplattform des Landes – vor, welche Inhalte zu dulden und welche zu zensieren sind.
Komiker, Wissenschaftler aber auch einfache Arbeiter werden nicht nur sozial isoliert, sondern müssen auch wirtschaftlichen Druck aushalten und oft gar um Ihre Jobs fürchten, sollten Ihre Ansichten oder Forschungsergebnisse konträr zu den von der moralischen Elite propagierten Ideen sein – und dazu muss nicht ein Gericht eine bestimmte Äußerung als rassistisch bewerten, nein es reicht, wenn Subjekte der moralischen Elite eine ihnen nicht genehme Meinung als fremdenfeindlich deklarieren.
Nun kann glücklicherweise wer sozialer Ächtung und wirtschaftlichem Druck standhält hierzulande immer noch anderer Meinung sein. Allerdings ist der wachsende Konformitätsdruck eher ein Merkmal totalitärer, denn freier Gesellschaften und der Mut von Personen, die sich dem widersetzen nicht zu unterschätzen. Seit der andauernden Flüchtlingskrise, werden zunehmend nicht mehr kluge Argumente ausgetauscht und versucht, gemeinsam zu pragmatischen Lösungen zu kommen, sondern es findet ein einseitiges Moralsplaining der Gesinnungsethiker einer vermeintlichen moralischen Elite gegenüber dem Rest der Gesellschaft statt – was in der Konsequenz zu allem Anderen als zu einem friedlichen Miteinander und einer nachhaltigen Integrations- und Einwanderungspolitik führt.
Moralsplaining in der Flüchtlingskrise
Gemäß der Definition erfüllen die Moralsplaining betreibenden Subjekte im Kontext der Flüchtlingskrise folgende Kriterien:
- Sich als moralisch einstufen
Auffällig sind die verkürzten Denkmuster, der sich als moralisch einstufenden Apostel der Neuzeit. Das eigene Weltbild wird ohne Hinterfragen in quasi-religiöser Manier als absolut richtig hingestellt und überhöht, während andere Ansätze von Beginn an diskreditiert werden. In der Flüchtlingskrise ist das die überhöhte Forderung einer bedingungslos offenen multikulturellen Gesellschaft ohne Grenzen, welche der diskreditierten und vom „gemeinen Volk“ und Anderen geforderte kontrollierte Einwanderung in Maßen unter Berücksichtigung aller Risiken und Nebenwirkungen gegenübersteht.
- Herablassendes Verhalten
Die herablassende Art wird dann deutlich, wenn die bedingungslose Grenzöffnung grundsätzlich als moralisch richtig, modern und kosmopolitisch, und die kontrollierte Einwanderung als verwerflich, nationalistisch und rückwärtsgewandt bezeichnet wird. Dies geschieht unabhängig davon, ob die bedingungslose Grenzöffnung vielleicht zu einer Fehlintegration und Destabilisierung der Gesellschaft und die kontrollierte Einwanderung langfristig zu einem besseren und friedlicheren pluralistischen Miteinander führen könnte. Wenn die moralische Selbsterhöhung nicht ausreicht und der Gegenüber partout nicht in die Grenzöffnungshymnen mit einstimmt, so gipfelt das herablassende Verhalten eines sich des Moralsplaining bedienenden Subjekts zu gerne auch im Vorwurf des Rassismus. Dieser inflationär verwendete, herablassende und häufig völlig haltlose Vorwurf führt nicht nur dazu, dass echter Rassismus verharmlost wird, sondern wirkt darüber hinaus für viele in Zeiten zunehmenden Konformitätsdrucks absurderweise wie ein Ritterschlag für freie Meinungsäußerung.
- Unvollständige Kenntnisse
Dabei spielt es oft keine Rolle, dass der eigene, angeblich moralische Ansatz aufgrund von unvollständigen Kenntnissen unter Umständen gar nicht funktionieren kann oder sogar eine negative Wirkung auf die Gesellschaft und die Flüchtenden hat. Denn: zu Ende gedacht werden muss ein auf verkürzten Denkmustern beruhender moralischer Ansatz ja nicht – er ist selbstredend richtig(er) als alles andere. Die häufig hochstudierten moralischen Meister der Einfachheit folgen dabei folgender Logik: 1.Es gibt Leid auf der Welt, 2.Wir lösen das Leid durch das Öffnen unserer Grenzen. Im eigenen, ursprünglich gut gemeinten Ideal einer helfenden Gesellschaft gefangen, bemerkt die moralische Elite nicht, beziehungsweise verdrängt bewusst, dass diese simplifizierte Logik einem verantwortungsbewussten Umgang mit Geschichte, Politik, Wirtschaft und vielfältigem Zusammenleben widerspricht.
Nein, auch der „unmoralische“ Rest der Gesellschaft hat kein Patentrezept zur Lösung der Flüchtlingskrise und kann sich natürlich auch nicht auf vollständige Kenntnisse berufen. Allerdings will die Masse der Bevölkerung nicht nur helfen, sondern das auch noch lösungsorientiert und somit verantwortungsbewusst. Die moralische Elite nimmt fälschlicher Weise an, nur sie exklusiv habe den Gedanken einer friedlichen multikulturellen Gesellschaft, die Menschen in Not helfen sollte, verinnerlicht. Zusätzlich zur Hilfsbereitschaft übersieht die Bevölkerung keine problematischen Gesichtspunkte und versucht auf Basis vieler Faktoren, komplexe Probleme zu benennen und ganzheitlich anzugehen. Die Gesellschaft weiß genau was an zusätzlichen ökonomischen Belastungen durch grenzenlose Aufnahme auf sie zukommt, welche mittelfristigen Auswirkungen dies auf das Wohlstandsniveau, Beitragshöhe und Leistungsfähigkeit des Sozialsystems und auf das Steuersystem beziehungsweise die Staatsverschuldung haben wird.
Und die Menschen wissen auch, welche gesellschaftlichen Folgen eine vornehmlich aus armen, ungebildeten und islamistisch indoktrinierten Gesellschaften erfolgende Einwanderung mit sich bringt – nämlich wachsende Gegen-und Parallelgesellschaften zusätzlich zu den beispielsweise bereits 5.000 islamistischen Gülen-Anhängern alleine in Mannheim; mehr Gewalt, Raub und Sexualdelikte und weniger Sicherheit (auch Millionen von blonden und blauäugigen Flüchtlingen hätten beispielsweise diesen Effekt, wenn sie über Dekaden verarmt, ungebildet und religiös-extremistisch sozialisiert worden wären und alleine schon aufgrund ökonomischer Faktoren schwieriger eine Partnerin finden); mehr Anfeindungen gegen und weniger Sicherheit für Homosexuelle und Juden; sinkende Aufnahmefähigkeit für künftige Flüchtlinge; Verfolgung von arabischen Minderheiten durch Islamisten in Deutschland; Kinderheiraten; höheres Risiko an Terroranschlägen usw.
Zusätzlich ist bekannt, dass das aufnahmefähige Europa ohne postkommunistische und südeuropäische Krisenstaaten keine, wie häufig behauptet 600 Millionen, sondern in etwa nur 200 Millionen Einwohner hat, während alleine Afrika, ohne den Mittleren Osten, sich bis 2050 auf über 2,5 Milliarden Menschen verdoppelt. Allerdings wird von der moralischen Elite häufig schon alleine die Nennung solcher Tatsachen als rassistisch abgetan. Die Mehrheit der Menschen weiß auch, dass die Flüchtlinge nicht auf die Probleme, die mit dem Aufstieg des Islamischen Staates einhergehen, zu reduzieren sind, sondern, dass auch nach dem Sturz des IS in vielen anderen Teilen der Welt Islamisten und andere geopolitische Entwicklungen für Flüchtlinge sorgen werden. Die breite Masse an Menschen, die sich alle dieser komplexen Beweggründe und Folgen der Flüchtlingskrise bewusst ist, ist mit Sicherheit nicht weniger hilfsbereit als die Gesinnungsethiker und sie hat keine diffusen Fremdenängste, sondern sie erkennt und benennt Probleme und versucht sie dann pragmatisch zu lösen.
Da den Moralaposteln der Neuzeit alle diese Kenntnisse und Details fehlen oder sie diese bewusst ignorieren, muss man ihre simple Lösung – 1.Leid in der Welt, 2. Lösung durch Grenzöffnung – nicht nur als wohlwollenden Paternalismus, sondern auch als moralischen Populismus bewerten.
Wenn die moralischen Populisten nicht mehr weiterwissen, greifen sie auch häufig in die Trickkiste der verdrehten Fakten. Beispielsweise, unser System bedürfe aufgrund demographischer Herausforderungen dieser Flüchtlingswelle. Wirklich, brauchen wir Massen von ungebildeten, meist armen und indoktrinierten Menschen um unser Sozialsystem zu retten? Oder sollten wir nicht eher gebildete Fachkräfte, die ihre Bräuche mitbringen und unserer Gesellschaft bereichern anstatt Gegengesellschaften zu bilden, durch eine kluge Einwanderungspolitik zu uns holen?
Die Aufnahme von Flüchtlingen ist und bleibt eine Hilfeleistung, die nicht unser System rettet, sondern vom System in einem gewissen Maße ausgehalten werden kann und geleistet werden muss – alles andere ist Schönfärberei. Ganz absurd wird es, wenn Forscher angegriffen werden, weil sie zum Ergebnis kommen, dass uns das Ganze einen bestimmten Betrag kosten wird oder dass der Islamismus deutlich weiter verbreitet ist in den Köpfen vieler Flüchtlinge, als uns lieb ist. Da verdächtigt man den Wissenschaftler doch zu gerne des Rassismus oder zumindest der Unterstützung der AfD und legt sofort eine Gegenstudie vor, nach der so und so viele Arbeitsplätze durch Immigranten geschaffen wurden.
Ideologiebildung statt klassischer Schulbildung?
Dass Immigranten und Flüchtlinge nicht in einen Topf zu werfen sind, ist moralischen Populisten egal. Und ich frage mich dann auch, warum wir eigentlich seit Jahrzehnten darüber diskutieren, wie wir unser Schulsystem verbessern und warum wir es nicht einfach abschaffen oder durch ideologische Bildung ersetzen. Angeblich ist ja laut moralischer Elite eine Masse ungebildeter beziehungsweise hauptsächlich ideologisch gebildeter Menschen ein Erfolgsgarant für das Sozialsystem und die Wirtschaft.
Besonders schade ist es, dass die moralischen Populisten die politische Korrektheit – eigentlich ein intelligenter Begriff, mit dem verantwortungsbewusstes politisches Handeln ausgezeichnet werden sollte – für sich beanspruchen und darüber hinaus auch noch zugeschrieben bekommen. Der fromme Wunsch nach Grenzöffnung, der ins Chaos führt, sowie dessen quasi-religiöse Verteidigung ist nämlich nicht politisch korrekt, sondern zeugt von völlig falschem politischen Verständnis. Ich plädiere deshalb dafür, dass der Begriff der politischen Korrektheit wieder positiv besetzt wird und nicht mehr die moralischen Populisten, sondern diejenigen miteinbezieht, die Probleme ehrlich und sachlich benennen, um sie dann auch pragmatisch und zielstrebig anzugehen und zu lösen. Nicht Gesinnungsethiker und moralische Populisten, sondern verantwortungsbewusste Pragmatiker, die humanistisches Ideal und Realitätssinn zu verbinden wissen und sich somit für eine nachhaltige Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik zum Wohle einer friedlichen pluralistischen Gesellschaft einsetzen, sind politisch korrekt!
Sebastian Vogel arbeitet mit zwei Freunden an einem Start-up. Neben seinem Interesse an Politik, Wirtschaft und Sport beschäftigt er sich mit den Themen Pluralismus, Liberalismus und Islamismus.