Tichys Einblick
Teil 2: Die Neugründung Europas

MEGA – Make Europe Great Again oder Renovatio Europae

Gut, dass es ein Frankreich gibt, das nicht wie Deutschland ist, ein Großbritannien, nicht wie Deutschland und auch nicht wie Frankreich. Gut ist die Bereicherung der europäischen Kultur durch Italien, Belgien, Spanien und alle anderen hier nicht genannten Länder.

French President Charles De Gaulle (1890 - 1970, right) greets German Chancellor, Konrad Adenauer (1876 - 1967, left) at Villacoublay Air Base outside Paris, at the start of an official visit, 21st September 1963.

© AFP/Getty Images

Abraham Lincoln, der nicht nur ein sehr kluger, sondern auch ein sehr mutiger Mann war und der seinen Kampf mit dem Zeitgeist wohl klar für sich entschied, hat einmal gesagt: „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“

Und so wird die Zeit der Selbsttäuschung EU-Europas, dass man eine erfolgreiche Gesellschaft aufbauen und bewahren könnte, ohne die Grundsätze der Institutionenökonomik und der guten Governance zu beachten, in absehbarer Zeit zu Ende gehen. Populistische Leerformeln wie „Gerechtigkeit“, „Solidarität“ und andere Begriffe, die sich bei näherem Hinsehen schon jeder sauberen Definition entziehen, sind eben kein Ersatz für bewährte demokratische, freiheitliche und marktwirtschaftliche Erfolgsrezepte.

Die erste Frage, die sich stellen wird, wenn die ökonomische und politische Katastrophe sich entlädt, die unsere Eliten in Berlin, Brüssel, Paris und Frankfurt so lange und so fleißig angespart haben, wird sein, ob die bestehenden Institutionen der EU reformiert oder abgeschafft und neugegründet werden sollten. Und bereits hier plädiere ich für eine Neugründung. Warum? Gehen wir doch die Institutionen der Reihe nach durch:

Teil 1: Anleitung für den Vormärz
MEGA – Make Europe Great again oder Innovatio Europae (Lat. Die Sanierung Europas)
Die Europäische Kommission befindet sich als Beute in der Hand von extrem überbezahlten Bürokraten, die sich jeder Reform, die ihre Tentakel von den Kühlschränken des Subventionsriesentopfes, den man aus der EU gemacht hat, mit allem entgegenstellen werden, was sie haben. Die einmalige Mischung aus Korruption und Planwirtschaft, die dort regiert, ist ebenso wenig reformierbar, wie man Frösche dazu bewegen kann, den Sumpf trockenzulegen oder Truthähne für Weihnachten begeistern könnte. Hier gilt: Abwickeln, Restanten abarbeiten und die Beute machenden Vertreter des Mittelmaßes nach Hause schicken mit Pensionen, wie sie auch für andere Staatsdiener in vergleichbaren Positionen üblich sind.

Was brauchen wir stattdessen? Eine Institution, die sich endlich als wahrhafte Hüterin der Verträge versteht, die die Mitglieder eines freien Europas der Vaterländer zum gemeinsamen Vorteil eingehen, wie zum Beispiel eine Zollunion und damit verbunden solche Institutionen, die den grenzüberschreitenden Handel mit Waren und Dienstleistungen erleichtern, statt ihn durch 30.000 Vorschriften zu behindern. So etwas könnte nach dem Muster der WTO entwickelt werden. Die marktwirtschaftlichen Aspekte des Binnenmarktes, wie Wettbewerbsschutz etc. finden auch in so einem System ihren Platz. Die protektionistischen und den freien Handel behindernden Teile sollten abgeschnitten und entsorgt werden. In so einer Zollunion wäre dann wahrscheinlich auch Großbritannien wieder dabei.

Das Europäische Parlament kann man nicht abschaffen, weil es gar kein Europäisches Parlament gibt. Es gibt eine zwischen Straßburg und Brüssel auf Steuerzahlerkosten nomadisierende Versammlung, die sich nach einem Apartheidswahlrecht konstituiert und ihre mageren Kontrollmöglichkeiten gegenüber der europäischen Exekutive eher für Kuhhandel im Sinne eines manus manum lavat genutzt hat, als für die Gestaltung einer Zukunft für die Bürger Europas, die den Namen auch verdient hätte. Wer heute wissen will, was der Kanzlerkandidat der SPD, Herr Schulz, eigentlich in seinen vielen Jahren als Präsident dieser Versammlung Konkretes für die Bürger bewegt hat, wird nicht fündig. Wie sollte es auch anders sein bei einem Job, an den man wohl eher gespült wird wie ein Schiffbrüchiger der Würselener Kommunalpolitik an sanfte Südseegestade, als dass man dafür wirklich etwas zuwege gebracht haben müsste. Wenn Europas Bürger eine wahre Volksvertretung brauchen oder wollen, dann bitte außerdem nach dem Wahlgrundsatz: Eine Person, eine Stimme. Sonst braucht das kein Mensch.

„A sense of malaise“
Quo vadis EU-Europa?
Die Europäische Zentralbank wird sich mit ihrer Politik selbst in die Luft sprengen. Die Frage nach der Abschaffung erübrigt sich von daher. Besser wäre es natürlich, wenn das kontrolliert passiert, aber damit ist bedauerlicherweise nicht zu rechnen. Ebenso wenig wie damit zu rechnen ist, dass die Vorschläge, wie man den Euro doch noch irgendwie retten könnte, in den Korridoren der Arroganz der Macht Gehör finden oder auch nur für diskussionswürdig befunden werden. Eine Nachfolgeorganisation könnte aus einem Süd-Euro und einem neuen DM-Block bestehen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich die Völker EU-Europas nach dem absehbaren Komplettdesaster ihrer Gemeinschaftswährung noch einmal so bald auf dieses Experiment einlassen werden.

Die Bankenunion: Keine europäische Institution hat ihre Fehlkonstruktion, bürokratische Überheblichkeit und ihr Komplettversagen mit einem Tempo dokumentiert, das mit der Bankenunion, insbesondere der an der EZB angegliederten Europäischen Bankenaufsicht SSM (Single Supervisory Mechanism) auch nur annähernd mithalten könnte. Wo sie Transparenz hätte schaffen sollen (und können), hat sie nur eine Nebelwand zur Verdeckung von Risiken im Bankensystem geliefert und das Stresstest genannt. Wie absolut desaströs das gelaufen ist, ist eine eigene Kolumne an dieser Stelle wert. Hoffnungsloser Fall.

Das gleiche gilt für die EBA, die European Banking Authority in London. Obwohl grenzüberschreitende Regulierung der Finanzindustrie einen Beitrag zur Finanzmarktstabilität leisten könnte, wenn man sie richtig macht, kann ich mir nicht vorstellen, wie man das diesen fehlgeschlagenen Organisationen zutrauen sollte.

Ost-EU formiert sich
Wie verrückt ist die EU?
Hier müssen wir als Europäer wohl zurück auf Los. Vielleicht bietet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in Basel eine Möglichkeit für einen Neuanfang. Sie hat sich jedenfalls in den letzten Jahren durch intellektuelle Unabhängigkeit ausgezeichnet und ihren kritischen Blick auf die Fehlentwicklungen gewahrt. Dort könnten auch die – gar nicht mal schlecht, weil mit Zurückhaltung geführten – Aufsichtsbehörden für Versicherungen, Pensionsfonds, Ratingagenturen und Kapitalmärkte, ESMA und EIOPA integriert werden.

Kommen wir zu etwas, was wir bisher nicht haben: Eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Die macht angesichts der Schwächung der NATO und der wachsenden Bedrohungen von Innen und Außen durchaus Sinn. Dafür müssten sich die Beteiligten halt mal auf ein ordentliches Verteidigungsbudget einigen, sagen wir mal 2% des Bruttosozialprodukts. Weniger darf es nach 25 Jahren der Vernachlässigung unserer Verteidigungsfähigkeit wohl auch kaum sein und diese Zahl sollte man nicht wieder so lässig betrachten die wie 3% aus dem dann obsoleten, aber als Lehrbeispiel gut geeigneten Maastrichter Vertrag. Dort könnte auch die Sicherung der Grenzen angesiedelt werden, bei denen Europa bisher ein Trauerspiel erster Klasse liefert und wo man Grenzsicherung im Mittelmeer mit dem Betrieb eines  Sammeltaxis Libyen – Italien zu verwechseln scheint.

Dokumentation
Viktor Orbán: Wem gehört in Zukunft Europa?
Das sind die Bausteine eines künftigen Europas der Vaterländer. Welche davon auch immer realisiert werden sollten, es muss klar sein, dass die Governance Prinzipien, denen sie unterliegen, nicht die der bisherigen Beliebigkeit und des Kuhhandels sind. Diese Prinzipien sind stattdessen: Eine Person – Eine Stimme, Keine Entscheidungsvollmacht ohne demokratische Kontrolle durch den Souverän („no taxation without representation“), keine Verfügung über Steuerzahlermittel ohne Haftung, keine Umverteilung zwischen den Staaten durch die Hintertüre und damit auch Schutz der Minderheiten vor Ausbeutung durch Mehrheiten, Subsidiarität, Souveränität der Mitgliedsstaaten und Schutz ihrer historischen kulturellen Identität.

Und bevor jetzt jemand kommt und das Wort Identität in die nationale Ecke drängt: Da gehört es nicht hin! Ich bin dankbar, dass es ein Frankreich gibt, das nicht wie Deutschland ist. Und Ein Großbritannien, das nicht wie Deutschland und auch nicht wie Frankreich ist. Ich bin dankbar für die Bereicherung der europäischen Kultur durch Italien, Belgien, Spanien und auch alle anderen hier jetzt nicht genannten Länder. Europas Identität ist die Vielfalt seiner Nationen, nicht der Einheitsbrei des Multikulti, das in Wahrheit zum Kulturimperialismus degeneriert ist im Namen einer „immer engeren Union“. Das Europa der Vaterländer ist die wahre Quelle eines bunten Europas, bei dem Diversity nicht zum Alibi der Quotenheinis verkommt, sondern wahrhaftig gelebt wird.

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