Tichys Einblick
Geschichten aus dem Lockdown

„Ich kann nicht mehr“

Mit Kindern zuhause und in verantwortungsvollen Jobs - beide im Home-Office - stoßen Familien rasch an die Grenze der Belastbarkeit. Eine TE-Leserin berichtet aus ihrem Lockdown-Alltag und klagt über eine Politik, die davon offenbar keine Ahnung hat.

Schicken auch Sie uns Ihre persönlichen Geschichten und Erfahrungen.

Ich berichte fairerweise von mir, obwohl der Lockdown als Familie durchgemacht wird. Ich bin berufstätig im Home Office seit März 2020. Zwei kleine Kinder. Ich und mein Mann sind beide in einem großen Unternehmen tätig, das von der Pandemie profitiert.

Ja, es ist Jammern auf hohem Niveau. Wir haben unsere Jobs. Wenn man seinen Job auch gut und zuverlässig ausführen kann, ist man auch nicht gefährdet. Aber das Problem ist, dass wir beide Elternteile in einem Bereich tätig sind, in dem mit Milliarden gearbeitet wird und mit hochsensiblen Daten, die man nicht ohne weiteres in Anwesenheit von zwei Kleinkindern bearbeiten kann. Wir teilen uns auf. Einer arbeitet tagsüber, der andere teilweise nachts, je nach Präsenznotwendigkeit und Terminen. Aber das ist gesundheitlich und psychisch objektiv nicht länger möglich. Wir stoßen an unsere Grenzen. Die Verantwortung ist im Job enorm groß. Als Eltern immer übergroß.

Die Kinder haben ihre Schwierigkeiten entwickelt. Ohne Betreuung bleibt keine andere Möglichkeit, als Kids vor den Fernseher zu setzen. Die Große hat Ängste aufgrund von Corona-Maßnahmen in der Kita Ende Frühjahr bekommen, die Kleinere hat seit dem letzten Lockdown Sprachverzögerung. In der Kita Kindertrennung nach Alter, streng nach Erzieher, auch wenn unbeliebt beim Kind, Absperrbänder auf dem Gelände, neue Regeln – das ist etwas, was Kindern mehr ausmacht, als man denkt. Unsere Kinderärztin schlägt Alarm, wie viele seelische Probleme die Kinder bekommen haben, die sie betreut. Ob das aufzuholen ist, werden wir sehen.

Ich möchte mit keinem Hotelier und Gastronomen tauschen. Ich klage nicht wegen meinem Schicksal. Es gibt sicher viel schlimmeres im Leben. Mir tut jeder unfassbar leid, der seine Existenz gerade verliert. Aber unter solchen Bedingungen den Job ausführen zu müssen, das ist Folter. Und mit der Motivation, dass man einen sicheren Job im Vergleich zu den anderen hat, kann man auch nicht lange durchhalten.

Die Auswirkungen von meinem etwaigen Fehler werden morgen Konsequenzen haben im Vergleich zu den Regierenden. Und diese andauernde Anspannung ohne Lichtblick macht uns als Familie krank.

Nicht mal Schwimmen und Spielen im Sportverein ist seit Monaten möglich. Wann hat das ein Ende? Wann ist ein Hauch von Strategie zu erkennen? 

Das werfe ich dieser Regierung vor. Alle haben keinen Bezug zur Realität und zum wirklichen Berufsleben. Geschweige denn zum Elternleben.


Der Name der Leserin ist der Redaktion bekannt.


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