Tichys Einblick
Wohlstandsverwahrlost und ideologieblind

Lieber heute als morgen fliegen

Westeuropa hat kein positives Verhältnis zum Luftverkehr mehr. Man beschließt Einschränkungen und verteuert die Flüge im Zuge der Klimapolitik. Die elitäre Klimapolitik aus Berlin und Brüssel ist eine politisch gewollte, historische Kehrtwende zum „Weniger“ – wobei der Verzicht für die anderen gilt, nicht für einen selbst. Von Niels Hipp

An die Aussage des Publizisten und Historikers David Engels, „dass morgen schlimmer sein wird als heute“, kann man sich erinnert fühlen, wenn man etwa liest, dass die Lufthansa-Tochter Swiss für Flüge innerhalb der Schweiz (Zürich-Genf und zurück) einen sogenannten „Ökotarif“ verpflichtend machen will. Fliegen soll teurer, elitärer werden. Die beste Zeit zum Fliegen in (West-)Europa ist vorbei, anders als etwa in der Türkei oder generell in Asien – siehe den Neubau der Flughäfen Ho Chi Minh Stadt und Hanoi, den neuen Flughafen in Doha/Katar von 2014 oder den neuen Großflughafen in Istanbul von 2019. Die beste Zeit zum Fliegen war in Deutschland ungefähr von Mitte/Ende der 1990er-Jahre (mit den „Billigfliegern“) bis vor ‚Corona‘ – auch wenn die Einführung der Luftverkehrssteuer 2011 das Fliegen etwas verteuert.

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Es gibt verschiedene Faktoren, die das Fliegen in Zukunft erschweren sollen. Zunächst ist an echte Verbote zu denken, wie in Frankreich bei kurzen Flügen. Das ist in Deutschland auch vorstellbar. Dass man alle oder viele Flüge aus bzw. nach Deutschland verbieten würde, ist eher nicht zu erwarten, obwohl man mittlerweile über gar nichts mehr erstaunt wäre (siehe Corona-Politik). Aber die kostenlos ausgegebenen EU-Emissionszertifikate für den Luftverkehr werden ab 2024 reduziert und ab 2026 ganz abgeschafft. Und die sonstigen EU-Emissionszertifikate werden von Jahr zu Jahr in höherem Tempo als bisher gekürzt. Also steigen die Kosten.

Außerdem soll ab 2025 eine Beimischquote von „Nachhaltigem Flugtreibstoff“ (SAF) Pflicht werden, wobei die Quote anfangs ‚nur‘ bei zwei Prozent liegt und erst in den 2030er-Jahren deutlich steigt. 2050 sollen es 70 Prozent sein. SAF ist – zumindest momentan – drastisch teurer als Kerosin. Ob die Preise für SAF bis 2050 deutlich fallen, steht in den Sternen. Entsprechenden Beteuerungen von Politikern sollte man gerade in Deutschland – nach der Erfahrungen mit der „Energiewende“ – sehr skeptisch sehen. Die Kosten für SAF dürften sich anfangs (bei niedriger Beimischquote) noch in Grenzen halten, aber das ändert sich mit der Zeit.

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Bei Flügen aus der EU heraus ist zu bedenken, dass es außerhalb keine derartigen SAF-Planungen gibt, so dass bei Langstreckenflügen Anschlussflüge (noch) interessanter werden können als Direktflüge. Eventuell kann man in einem späteren Stadium selbst bei Flügen nach Amerika eine Verbindung via Istanbul – also ein ziemlicher Umweg – einsparen. Die SAF-Regeln könnten noch einen Effekt haben, der zugunsten Istanbuls und zulasten der Drehkreuze am Persischen Golf geht: Flüge gen Osten über Istanbul könnten dann interessanter sein als über Dubai oder Doha, da dann die SAF-Beimischquote nur für die 2.000 Kilometer von Düsseldorf (oder 1.600 Kilometer ab München) bis Istanbul und nicht für die 4.500 bis 5.000 Kilometer bis Dubai oder Doha gelten würden.

Turkish Airlines (Drehkreuz: neuer Flughafen Istanbul), deren Billigtochter Andadolu Jet und die private Fluggesellschaft Pegasus Airlines (Drehkreuz jeweils: der Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen) würden profitieren, und zwar gegenüber den Golfairlines – wie Emirates (Dubai) und Qatar Airways (Doha). Vor allem aber gegenüber den heimischen Airlines wie Lufthansa oder Air France-KLM, für die die SAF-Beimischquote zum Beispiel für einen kompletten Flug von Frankfurt nach Tokio mit einer Länge von mehr als 9.000 Kilometern gelten würde.

CO2-Emissionen – die größte Sünde unserer postchristlichen Zeit – werden damit natürlich nur verlagert (Carbon-Leakage-Effekt). Man erkennt aber an den steigenden Beimischquoten deutlich, dass sich die Situation immer weiter verschlechtert. Es ist ähnlich wie bei der deutschen CO2-Bepreisung seit 2021 oder der sukzessiven jährlichen Erhöhung der Mineralölsteuer 1999 bis 2003. Das Ganze steht symbolisch für sich im Zeitraffer verschlechternde Lebensverhältnisse. Man verabschiedet sich – ähnlich wie bei Energiewende oder den Russland-Sanktionen – vom wohlstandssteigernden Effekt billiger Energie, wie Alexander Horn treffend feststellt. Die elitäre Klimapolitik aus Berlin und Brüssel ist eine politisch gewollte, historische Kehrtwende zum „Weniger“, wobei der Verzicht für die anderen gilt, nicht für einen selbst.

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Die Wende zum „Weniger“ im Luftverkehr zeigt sich auch am Boden: Der Flughafen Amsterdam Schiphol verbietet Privatflüge und will eine eigentlich genehmigte Start- und Landebahn nicht bauen. Das war auch in Westeuropa einmal anders: 1964 entschied sich der französische Ministerrat für den Bau eines Großflughafens nördlich von Paris. 1968 begannen die Bauarbeiten, 1974 wurde der Flughafen Charles de Gaulle eröffnet. „Fliegen entspricht den Wünschen, den Träumen und den Bedürfnissen der Menschen“, erklärte der damalige Premierminister Pierre Messmer bei der Eröffnung. Es gab damals weder Bürgerproteste noch Umweltauflagen noch Planungsbeschränkungen. Das wirkt aus heutiger Sicht wie ein Wunder. Damals wollte man noch durch bessere Infrastruktur den Wohlstand erhöhen. Das gibt es heute auch noch, aber in anderen Teilen der Welt: Der neue Flughafen Istanbul ersetzte 2019 den alten, überlasteten Atatürk-Flughafen. Die Bauzeit betrug – man vergleiche dies mit dem BER – fünf Jahre.

Es geht also noch, wenn man denn will. Aber in Westeuropa will man offenbar nicht mehr. In ärmeren Weltregionen hat man ohnehin eine andere Haltung zu Wohlstand, aber teilweise auch in reicheren Ländern wie den Golfstaaten. Bei uns müssen wir Wohlstandsverwahrlosung in Kombination mit ideologischer Verblendung diagnostizieren.

Mein Tipp für Fernreisen lautet also: Wenn Sie etwas Geld und genug Zeit haben, dann reisen Sie lieber heute als morgen. Wenn Sie hingegen wirklich reich sind, dann kann es Ihnen (fast) egal sein.


Niels Hipp ist Jurist und hat sehr viele Länder bereist.

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