Der Petitionsausschuss des Bundestags hat am Montag eine Petition behandelt, in der die Beibehaltung der gesetzlichen Erstattungsregelungen für homöopathische Arzneimittel und homöopathische Leistungen gefordert wird. Das gibt Anlass, die namentlich von Karl Lauterbach forcierten Pläne zu bewerten, den Krankenkassen die Möglichkeit zu nehmen, ihren Versicherten Homöopathie als Satzungsleistung zugänglich zu machen.
Dazu eines vorweg: Der Autor hat als Facharzt für Allgemeinmedizin zeit seines Lebens niemals bewusst ein homöopathisches Arzneimittel verordnet oder selbst eingenommen. Er ist damit alles andere als ein Anhänger der Homöopathie. Gerade dadurch ist es aber möglich, einen vorurteilsfreien Blick auf die Stärken und Schwächen einer Behandlungsmethode zu werfen, die von Millionen von Deutschen geschätzt wird.
Im Folgenden soll es nicht um wissenschaftliche Details wie etwa die Verfügbarkeit von Wirkungsnachweisen oder die Diskussion der gut belegten Placebo-Effekte gehen. Es geht ausschließlich darum aufzuzeigen, dass die Argumente der Gegner der Homöopathie allesamt nichts taugen. Diese Gegner behaupten nämlich, dass die Homöopathie nicht nur unwirksam, sondern auch gefährlich sei, und zudem die Kosten für die Krankenkassen in die Höhe treibe. Dem sind vor allem folgende drei Argumente entgegenzuhalten.
- Die Homöopathie ist seit ihrer Begründung vor rund 220 Jahren eine lebenserhaltende Antwort der Alternativmedizin auf die in allen Zeiten tödliche Übertherapie der Schulmedizin.
- Die Homöopathie ist eine außerordentlich patientenzentrierte Behandlungsmethode, da dort stets die ausführliche Anamnese im Mittelpunkt steht, die in der Schulmedizin viel zu oft sträflich vernachlässigt wird.
- Die Patientenprobleme, die derzeit mittels Homöopathie behandelt werden, würden bei Verweis auf die Schulmedizin nicht zu einer Verringerung von Nebenwirkungen und Kosten führen, sondern im Gegenteil zu einer erheblichen Steigerung sowohl der Nebenwirkungen als auch der Kosten.
Homöopathie als Rückzugsort vor tödlicher Überdiagnostik und Übertherapie
Die monomane Diskussion um die „Wirksamkeit“ geht an den tatsächlichen Gründen für die seit mehr als 200 Jahren andauernde Beliebtheit der Homöopathie völlig vorbei. Es wird übersehen, dass Homöopathie nicht etwa Patienten aufgezwungen wird, sondern dass sich Patienten ihren homöopathisch tätigen Arzt gezielt aussuchen. Hier trifft sich sozusagen ein geschlossener Benutzerkreis, in dem Therapeut und Patient die gleichen Einstellungen teilen. Und beide eint ein gehöriger Vorbehalt gegenüber den zahlreichen Gefahren der Schulmedizin. Denn der häufig unkritische Einsatz „wissenschaftlich anerkannter“ Diagnostik und Therapie ist nicht nur extrem teuer, sondern kann den Patienten darüber hinaus enorme Schäden zufügen.
Dieses Phänomen reicht zurück bis auf die Entstehungsgeschichte der Homöopathie. Als Samuel Hahnemann die Homöopathie Ende des 18. Jahrhunderts im wahrsten Sinne „erfand“, war die damalige „Schulmedizin“ geprägt von grauenhaften Prozeduren, die vielen Menschen das Leben kosteten. Patienten wurden mit tödlichen Quecksilberdosen traktiert und viele Schwerstkranke, die jeden Tropfen Blut zur Überwindung ihrer Krankheit gebraucht hätten, wurden mit völlig sinnlosen Aderlässen auf brutalem Wege ins Jenseits befördert. In dieser traurigen Zeit hatte Hahnemanns Homöopathie den gigantischen Vorteil, dass Patienten wieder eine realistische Chance hatten, ärztliche Behandlungen zu überleben.
Bei kritischer Betrachtung hat sich seit den Zeiten Hahnemanns gar nicht so viel verändert. Ja, es gibt heute anerkannte Diagnostik und wirksame Therapien. Aber diese „anerkannten“ diagnostischen und therapeutischen Verfahren benötigen zwei entscheidende Kofaktoren, um dem Patienten tatsächlich zu helfen: erstens die richtige Indikation und zweitens einen qualifizierten Behandler. Viel zu häufig werden Indikationen jedoch falsch gestellt, sodass der Patient mit unnötiger Diagnostik oder Therapie traktiert wird und dadurch Schaden nimmt. Und mindestens ebenso häufig wird eine „anerkannte“ Diagnostik oder Therapie von einem nicht ausreichend qualifizierten Therapeuten durchgeführt mit demselben fatalen Ergebnis für den Patienten. Bestes Beispiel für beide Phänomene sind die berüchtigten ECMO-Therapien während der Corona-Zeit.
Schon vor 25 Jahren, als der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch nicht zu einem links-grünen Propagandamedium verkommen war, wurde in der ARD berichtet, dass in Deutschland jährlich rund 25.000 Patienten an Nebenwirkungen „wirksamer“ Arzneimittel versterben. Unter diesen Toten dürfte kein einziger homöopathisch behandelter Patient gewesen sein. Und an diesem Befund hat sich bis heute nichts Substanzielles geändert.
Homöopathie ist Zuwendungsmedizin
Auch die Fälle zur angeblichen Schädlichkeit der Homöopathie sind an den Haaren herbeigezogen: Ja, es gibt diese Fälle, in denen etwa eine schwere kindliche Mittelohrentzündung fehlerhaft nur mittels Homöopathie behandelt wird und dadurch Schädigungen bis hin zur Schwerhörigkeit verursacht werden. Aber diese Fälle sind selten und fallen gegenüber den gravierenden Folgen vieler schulmedizinischer Prozeduren nicht ins Gewicht. Viel häufiger in der Praxis ist, dass der homöopathisch tätige Arzt die Eltern überzeugen kann, auf eine nicht indizierte Antibiotikagabe zu verzichten, und damit sowohl dem Kind eine unnötige Therapie erspart als auch die verheerende Resistenzentwicklung verlangsamt wird
Oder man nehme das Beispiel der nicht nur „anerkannten“, sondern auch teuren Herzkatheter-Untersuchungen. In Deutschland gibt es je Einwohner dreimal mehr davon als in der Schweiz und doppelt so viele wie in Österreich. Und trotzdem ist die Zahl der Herzinfarkte keineswegs geringer als in der Schweiz oder in Österreich. Also: Ob eine Methode, die von Ärzten eingesetzt wird, „anerkannt“ ist oder nicht, sagt nichts aus über die daraus folgende Gesundheit der Patienten oder die verursachten Kosten. Im Gegenteil: Die moderne Schulmedizin kann, falsch indiziert oder schlecht ausgeführt, deutlich teurer und deutlich schlechter für den Patienten ausfallen.
Die Patienten schätzen die Homöopathie jedoch nicht nur wegen ihrer geringen Nebenwirkungen. Ausschlaggebend für eine Bevorzugung dieser Behandlungsform dürfte vor allem die zentrale Stellung einer gründlichen Anamnese sein, die in der Homöopathie entscheidend für die Wahl des zutreffenden Arzneimittels ist.
Von den Patienten wird dies als pure Zuwendung erlebt, die in der Schulmedizin so oft vermisst wird. Der Patient fühlt sich angenommen und in seinen Beschwerden verstanden. Und aus dieser vertieften Befassung mit dem Beschwerdebild ergeben sich für den behandelnden Arzt, der ja aufgrund seiner ärztlichen Approbation auch „Schulmediziner“ ist, immer wieder wegweisende Erkenntnisse, die in einem rein schulmedizinischen „5-Minuten-Kontakt“ unter den Tisch fallen würden.
Homöopathie als kostengünstige Behandlungsalternative
Schließlich erscheinen auch die angeblichen Einsparpotenziale der Krankenkassen bei einer Streichung der Möglichkeit zur Übernahme homöopathischer Behandlungskosten als reine Luftbuchungen. Zum einen liegen die Kosten für die Homöopathie derzeit ohnehin nur bei weniger als 0,03 Prozent (!) der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass es sich in den entsprechenden Fällen in der Regel um reale Patientenanliegen handelt, die erfahrungsgemäß bei schulmedizinischer Behandlung zu wesentlich höheren Ausgaben führen.
In der Diskussion wird ferner oft übersehen, dass die Homöopathie derzeit keineswegs eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist, sondern vielmehr eine freiwillige Satzungsleistung, über welche die jeweilige Krankenkasse selbst entscheidet. Der einzelne Versicherte kann also durch seine Kassenwahl bestimmen, ob er einer Kasse mit Erstattung homöopathischer Behandlung angehören möchte oder nicht. Erstaunlicherweise läuft diese „Abstimmung mit den Füßen“ genau andersherum wie die Diskussion in der überforderten Ampel: Die Versicherten wählen offenbar gezielt diejenigen Kassen, die Homöopathie als Satzungsleistung anbieten.
Also: Welcher Teufel reitet die Ampel, den Versicherten diese Wahlentscheidung, die elementarer Ausdruck der Patientenautonomie ist, entreißen zu wollen?
Jeder Tag mit Lauterbach ist ein verschwendeter Tag
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor gigantischen Herausforderungen, die von einem ebenso erratischen wie egomanischen Gesundheitsminister nicht einmal ansatzweise angepackt werden. Stattdessen verkämpft er sich in absurden Projekten wie der Cannabis-Legalisierung, dem Geschlechterwechsel oder der Streichung der Homöopathie als Kassenleistung.
Daher zeigt auch die Homöopathie-Irrfahrt: Dieser Gesundheitsminister hat fertig. Jeder Tag, den er länger im Amt bleibt, gebiert Folgekosten in unermesslicher Höhe für das deutsche Gesundheitswesen.
Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und ist damit ein genauer Kenner des Medizinsektors.