In allen politischen Absichtserklärungen gilt der Schutz des Klimas stets als eine große globale Herausforderung. Der Klimawandel sei ein weltweites Phänomen, das alle Menschen betreffe und eine wirksame und effiziente Klimapolitik erfordere. Soweit die offizielle Lesart. Obwohl die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher wahrzunehmen seien, fokussiert sich der klimapolitische Diskurs in Deutschland fast ausschließlich auf die Mitigationsstrategie, also auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, und setzt damit auf die trügerische Hoffnung, dass sich der globale Klimawandel und die Erderwärmung durch ad hoc-Maßnahmen in Deutschland eindämmen lässt. Damit verfehlt die deutsche Klimapolitik ihr selbst formulierten Absichten und Ziele. Angesichts der Trägheit der Klimaveränderungen sollte sie stärker auf die nationalen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel setzen. Nur so brächte es einen positiven Nutzen für unsere Gesellschaft.
Politik und Medien verwenden in hohem Maße Katastrophenmetaphern und Worst-Case-Szenarien, um die Bevölkerung in Angst und Panik zu versetzen und um mit hektischem Aktionismus und diskretionärer staatlicher Detailsteuerung vermeintliche politische Handlungskompetenz zu suggerieren. Die Politik setzt sich dabei nonchalent über regelorientiertes Handeln und über die bewährte marktwirtschaftliche Ordnung hinweg. Die Medien profitieren von den zum Teil künstlich erzeugten Aufmerksamkeitshypes und wetteifern miteinander in der medialen Affirmation der politischen Mikrosteuerung. Medien nutzen gezielt die Darstellungsformen von personalisierter Zuspitzung der Ereignisse und die Erzeugung von gefühlter Nähe zu den Klimawandelfolgen, um so den Klimadiskurs in der Bevölkerung präsent und angstgeprägt und die besondere Dringlichkeit hoch zu halten.
Die grüne Klimaideologie appelliert an hehre Zielsetzungen und quasi-metaphysische Zustände, nimmt pseudoreligiöse Züge an und inszeniert sich medial als heilsbringende Ersatzreligion. Grüne Klimaideologie ersetzt den urchristlichen Erlösungsgedanken und wird so zu einer grünen Erlösungsideologie. Gemäß dem 1. biblischen Gebot „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ duldet die grüne Klimaideologie keine andere Religion neben sich. Daher ist es verständlich und konsequent, wenn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei der G7-Konferenz im Münsteraner Friedenssaal das Kreuz abhängen lässt und Kulturstaatssekretärin Claudia Roth den Bibelspruch auf dem Berliner Stadtschloss verhüllen möchte.
Seit Beginn der Energiewende im Jahr 2011 – mit dem Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie (2011) und aus der Kohle (2019) – wird eine politisch-ideologische Verknappung des Energieangebots praktiziert, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und um ihn gesellschaftlich zu erzwingen. Eine vernünftige und vorausschauende Energiesubstitutionspolitik würde zunächst verlässliche Energiealternativen entwickeln und ausbauen und erst dann schrittweise aus den gesellschaftlich nicht mehr erwünschten Energieträgern aussteigen. Grüne Klimaideologie dreht die Reihenfolge bewußt auf den Kopf und hält so den gesellschaftlichen Druck hoch, um ja keine Energie-Alternativen aufkommen zu lassen und um ihre Energie-Vorstellungen durchzupeitschen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine am 24.2.2022 hat das völlige Versagen der Energie- und Klimapolitik in Deutschland offenbart. Und auch in der derzeitigen Energiekrise (unsichere Versorgungssituation, explodierende Energiepreise bei steigenden CO2-Emissionen (!)) setzt die grüne Klimaideologie weiterhin unbeirrt auf politisch gewollte Angebotsverknappung und instrumentalisiert auch diese Energiekrise für ihre eigenen partei-ideologischen Zielsetzungen, wie Fritz Söllner in seinem Buch „Krise als Mittel zur Macht“ (2022) ausführt.
Grüne Klimaideologie führt zu Unehrlichkeit, Unwahrheit und Heuchelei im politischen Handeln und zu nicht-sachgerechten wirtschafts-, energie- und klimapolitischen Entscheidungen. So wird im Ausland gewonnenes Fracking-Gas als „gutes“ Gas importiert, identisches im Inland gewonnenes Fracking-Gas aber als „böse“ und „klimaschädlich“ verteufelt. Im Inland ist Kernenergie des Teufels, während jenseits deutscher Grenzen produzierter Kernenergiestrom als „guter“ Strom importiert wird. Bei der Weltklimakonferenz in Sharm El Sheikh rechtfertigt sich Bundeskanzler Olaf Scholz gegenüber der von vielen in der Welt als Heuchelei empfundenen deutschen Haltung, im Inland wieder Kohlekraftwerke zu reaktivieren und gleichzeitig die Welt zu einem Kohleausstieg zu drängen. Grüne Klimaideologie führt zu Unehrlichkeit und Unwahrheit in der politischen Amtsführung, was Daniel Wetzel am 30.10.2022 in der Welt am Sonntag dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz nachgewiesen hat. Die eigene Ideologie wird gegen alle gesellschaftlichen Widerstände und selbst gegen objektive Sachverhalte durchgeboxt, damit die eigene Wählerklientel zufriedengestellt wird. Grüne Klimaideologie breitet sich mit hoher Dynamik in allen gesellschaftlichen Bereichen aus und macht auch nicht vor der Rekrutierung des Personals in Politik und Verwaltung Halt, weil politische Haltung und moralische Gesinnung mehr zählt als Fachwissen und Handlungskompetenz. Es wird für immer mehr Menschen immer offensichtlicher, dass sich eine die menschlichen Bedürfnisse negierende grüne Klimaideologie nicht in vernünftige und sachgerechtete praktische Politik und in breites Alltagshandeln umsetzen lässt.
Grüne Klimaideologie wähnt sich im Besitz vollständiger Informationen über die „politisch korrekten“ Energieformen der Zukunft und vollkommener Wahrheit über die gewünschte gesellschaftliche Entwicklung. Die Politik setzt Wissenschaftler, wissenschaftliche Kommissionen und Gremien gezielt und instrumental ein, um die eigenen politisch-ideologischen Entscheidungen zu legitimieren und in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen (so z.B. die „Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung“ 2011) oder um unerwünschte politische Entscheidungen zu treffen bzw. detailliert auszuarbeiten („Kohle-Kommission“ 2019, „Gaspreiskommission“ 2022). Die grüne Klimaideologie setzt in frappierender Einseitigkeit auf die verschiedenen grünen Think Tanks und Nicht-Regierungsorganisationen, die staatlicherseits umfangreich finanziert werden und der Politik die „Blaupause“ für politisches Handeln liefern. Da diese Blaupausen nicht einmal wissenschaftliche Auswahlverfahren („Peer-Review-Verfahren) durchlaufen haben, dürften sie eher als ideologie- denn als wissenschaftsbasiert bezeichnet werden.
Grüne Klimaideologie schützt zwar hehre Klimaschutzziele vor, der so geführte Klimadiskurs bietet aber eine willkommene Plattform für einseitige anti-kapitalistische und anti-demokratische Propagandarhetorik und wird zur Artikulation der Forderungen nach mehr Staatsinterventionen, Staatstätigkeit und Umverteilung im Inland und auf internationaler Ebene für ein Aufleben der Konfrontation zwischen den nun durch den Klimawandel „ausgebeuteten“ Ländern des globalen Südens und den Industrieländern und als Umverteilung des weltweiten Vermögens umgedeutet, worauf Otmar Edenhofer schon im November 2010 in einem Interview in der NZZ hingewiesen hatte (online unter: «Klimapolitik verteilt das Weltvermögen neu» | NZZ). Mit dem Verweis auf die angebliche historische Verantwortung der Industrieländer für die Treibhausgasemissionen wird der globale Süden seine finanziellen Forderungen immer mehr in den Mittelpunkt der internationalen Klimaverhandlungen stellen.
Grüne Klimaideologie führt durch ihre Einseitigkeit und Beschränktheit zu einer Verringerung der gesellschaftlichen Handlungsoptionen, zu einer Einschränkung der gesellschaftlichen und persönlichen Freiheit und zu einer gesellschaftlichen Polarisierung. Einzelne gesellschaftliche Gruppierungen terrorisieren im Namen der grünen Klimaideologie die schweigende Mehrheit, politische und kirchliche Vertreter zeigen öffentlich „Verständnis“ für dieses Verhalten und verschiedene Richter sehen die vorgebrachten hehren Ziele als ausreichende Rechtfertigung. Dem gesellschaftlichen Denunziantentum wird von Richterseite ein Einfallstor geöffnet, so dass sicher bald auch „inkorrektes klimapolitisches Verhalten“, das nicht zur grünen Klimaideologie passt, zur Anzeige gebracht werden kann und wird. Gesellschaftliche Einschüchterung und Überwachungsstaat à la DDR wird die Folge sein.
Es ist endlich an der Zeit, dass wir die klimapolitische Diskussion in Deutschland ehrlich führen, uns von wohlmeinenden Illusionen, Märchen und Unehrlichkeiten verabschieden und effiziente und wirksame Instrumente auswählen. Wir brauchen dringend eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Klimapolitik, die von grüner Klimaideologie befreit ist. Die Größe der klimapolitischen Herausforderung, die erheblichen unsozialen Verteilungswirklungen und die zu befürchtenden gesellschaftlichen Freiheitsbeschränkungen machen effektive und effiziente Maßnahmen dringend und zwingend erforderlich. Grüne klimaideologische Denkverbote darf es hierfür nicht mehr geben!
Dr. Rupert Pritzl hat Volkswirtschaftslehre, Romanistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Sevilla und Freiburg studiert. Er ist seit 1997 im Bayerischen Wirtschaftsministerium tätig und seit 2021 Lehrbeauftragter an der FOM Hochschule München. Er gibt seine persönliche Meinung wieder.