Tichys Einblick
Blockade: Falsche Männer und Angst um die Katze

Kinder – oder lieber nicht

Liebes Deutschland, du wunderst dich, wieso die Geburtenrate bei dir so niedrig ist, wie in keinem anderen Land?

Nun, ich will dir eine Antwort darauf geben, weshalb ich wohl keine Kinder bekommen werde.

1. Manchmal denke ich, es gibt nur noch bescheuerte Männer

Hast du dich schon einmal in meiner Generation umgesehen, dir die Männer angeschaut? Familie gründen mit einem von denen? Sicherlich nicht! Keinem Einzigen von diesen egobezogenen Pfosten, die ich kennen lerne, würde ich zutrauen, Verantwortung für etwas anderes zu übernehmen außer für sich selbst. Und nicht mal das funktioniert oft vernünftig. Diese ganzen Selbstdarsteller, die sogar schon eine lockere Beziehung als riesige Einschränkung in Bezug auf ihre eigene Selbstverwirklichung sehen. Diese ganzen Peter Pans, die sich auch mit Mitte 30 noch benehmen, wie mit Anfang 20. Mit so einem ein Kind? Dann kann ich mich auch gleich künstlich befruchten lassen und die Karriere einer alleinerziehenden Mutter führen, die allenfalls Zeit hat, auf Teilzeit bei Aldi an der Kasse zu sitzen. Wenn sie denn überhaupt einen Job bekommt.

Und das ist genau das, was ich nicht will. Dabei geht es mir nicht um irgendeine finanzielle Absicherung, aber darum, dass der potenzielle Vater meines Kindes auch mein Traummann ist, mit dem ich zusammen bin und bleibe und nicht irgendeine Bekanntschaft, bei der ich mich bereits nach ein paar Monaten fragen muss, was ich an diesem Blender zu Anfang gefunden habe. Jemand, der beim ersten Problem schon die Flucht ergreift, weil er keinen Kompromiss eingehen will, weil das ja alles gegen seine freie Entfaltung geht. Ich habe gehört, man nennt es heutzutage „ghosting“, wenn jemand sich einfach nicht mehr meldet. Ich würde es einfach „Arschloching“ nennen, und es ist der Grund, wieso ich den Männern meiner Generation nicht mehr vertraue. Erst recht nicht, wenn es um so wichtige Lebensentscheidungen geht.

2. Ich habe auch berufliche Träume

Ja, tatsächlich. Ich möchte mich auch ein bisschen verwirklichen. Eigenständig sein, mein eigenes Geld verdienen, das tun, für das ich Leidenschaft besitze. Mein Lebenstraum ist es nicht, Vollzeit-Mutter zu sein. Das kannst du gut finden, oder nicht, aber so ist es. Und selbst wenn ich gerne nur Hausfrau wäre, so sollte Punkt 1 gezeigt haben, dass ich es mir gar nicht erlauben könnte. Denn habe ich nicht meine eigene Karriere, mein eigenes Geld, bin ich von jemand anderem abhängig. Das wäre dann entweder das Amt oder einer von diesen besagten vertrauensvollen Kerlen, die schon schreiend weglaufen, wenn man nur das Wort Beziehung in den Mund nimmt. Ich möchte nicht abhängig sein. Weder vom Amt, noch von einem Mann und ich kann es mir auch nicht leisten, wenn ich im Alter auch so etwas wie eine Rente haben will. Und ja, ich möchte wirklich auch mehr sein, als Hausfrau. Ich möchte genau wie ein Mann auch das Recht dazu haben, einem Beruf nachzugehen, in dem ich einigermaßen gut verdiene und der mir Spaß macht. Ein Teilzeitjob als Kassiererin, wo ich doch so hart für meine gute Bildung und Ausbildung gekämpft habe, wäre mir zu wenig.

3. Ich habe Angst

Ich habe Angst, dass ich keine gute Mutter wäre. Ich bin ungeduldig. Mit mir, genauso wie mit meinen Mitmenschen. Ich neige dazu impulsiv, manchmal ungehalten und aufbrausend zu sein. Ich habe Angst, ich könnte es an meinem Kind auslassen, wenn ich wegen ihm überall zurückstecken muss, wenn ich meine Lebensträume nicht erfüllen kann, weil der Staat nicht dafür sorgt, dass wir Frauen Karriere und Kinder miteinander vereinbaren können. Zeitgleich bin ich bestimmt wahnsinnig vor Sorge und voll von schlechtem Gewissen, wenn ich mein Kind zu oft sich selber überlasse. Ich sorge mich ja schon um meine Katze (UM EINE KATZE). Wie soll das erst mit einem Kind sein? Davor habe ich wirklich Angst.

4. Alles mit Kindern wirkt befremdlich auf mich

Und vielleicht bin ich auch ein wenig ein Peter Pan. Zumindest in Bezug auf solche Dinge wie Kinder und Familie. Wenn ich Leute in meinem Alter sehe, die Kinder bekommen, dann ist das für mich eine völlig fremde und weit entfernte Welt. Ich fühle mich belästigt, von den dutzenden Bildern von Schwangerschaftsbäuchen, die Fotografen zur Kunst erheben. Ich finde, stillende Schwangere sehen mitunter aus wie milchgebende Kühe und ich verstehe einfach nicht, was an einer Geburt so „schön“ sein soll, dass Leute sich Videos von Geburten im Internet anschauen und begeistert sind. Und ja, ich schäme mich dafür, dass ich so denke, aber ich bin einfach nicht mit so etwas sozialisiert worden. Ich habe keinen Kontakt zu Leuten mit Kindern und man sieht auch nicht viel Schwangere hier. Das ist so, wenn man aus einer Kleinstadt kommt, die der demographische Wandel fest in der Hand hat. Frauen mit Kindern verschwinden aus dem eigenem Umfeld, der eigenen Wahrnehmung und irgendwann fängt man an, Kinder irgendwie befremdlich anzuschauen. Wie kleine sabbernde Aliens von denen man nicht angefasst werden will, weil man nicht weiß, ob sie nicht vielleicht giftig sind.

5. Bei anderen sieht alles so selbstverständlich aus

Für andere Frauen hingegen scheinen Kinder nicht gerade wie giftige Aliens zu wirken. Bei ihnen scheint das alles ganz natürlich zu sein. Das gibt mir das Gefühl, dass es noch schlimmer um mich steht, als ich eigentlich ohnehin schon dachte. Dass ich irgendwie abnormal bin, weil mir die Anerkennung für’s Kinderkriegen nicht reicht, weil ich mehr will.

Das Problem ist, dass wir uns als Frauen für das „Entweder-Oder“ entscheiden müssen. Ich wollte immer Kinder haben. Heute bin ich weit davon entfernt. Weil ich weiß, dass es höchstwahrscheinlich eine Entscheidung für das eine und gegen das andere ist. Nun hat es aber die Emanzipation mit sich gebracht (und das ist auch gut so), dass vielen von uns Frauen das Kinderkriegen alleine nicht mehr reicht. Dass wir das für uns einfordern, was auch Männer machen können. Aber weder unterstützt uns der Staat dabei, beides miteinander vereinbaren zu können, noch können wir uns auf die Männer unserer Generation als gleichberechtigten und verantwortungsbewussten Partner verlassen. So lange sich das nicht ändert, wird sich nichts aber auch gar nichts an der Geburtenrate ändern.

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