Gerade im Frühling lohnt es sich, das Land, in dem die Zitronen blühen, zu bereisen. In der Heimat des am 15. April 1452 in Anchianio bei Vinci geborenen Universalgenies zählt man rund um seinem 500. Todestag am 2. Mai die meisten Ausstellungen. Schlange stehen bei milden Temperaturen kann dort schier zum Genuss werden. Wer es eilig hat: In den meisten Museen kann man seine Tickets online vorbestellen. Leonardo wäre nicht Leonardo, hätte er nicht bei Andrea del Verrocchio gelernt. Noch bis 14. Juli ehrt der Palazzo Strozzi in Florenz Leonardos Lehrmeister mit einer Sonderschau. Anhand der Exponate kann man sein Auge schulen und wird schnell nachvollziehen, wo die künstlerische Handschrift Leonardos ihren Ursprung hat.
Ebenfalls in Florenz und noch weiter zurückgreifend im Leben des Meisters zeigt vom 15. April bis 15. Oktober das Leonardo-Museum eine Ausstellung zur Kindheit des Genies. Man kann sich dort anhand von Dokumenten aus dem Archiv den ersten Lebensjahren des Multitalents nähern. Und anschließend zum Geburtshaus Leonardos fahren, das sich etwa drei Kilometer von Florenz entfernt in der Nähe von Montalbano befindet.
Zur Sache geht es schließlich im Palazzo Vecchio, wo bis 24. Juni zwölf Tafeln des „Codex Atlanticus“ zu sehen sind. Ursprünglich zählte das weltweit Staunen erregende Manuskript 1119 Seiten, inklusive Zeichnungen von beispielsweise Leonardos Visionen eines Hubschraubers oder Panzers – Jahrhunderte bevor diese technische Wirklichkeit wurden. Seine Flugversuche unternahm Leonardo übrigens auf dem Monte Ceceri in der Nähe von Fiesole, unweit von Florenz. Heute erinnert dort ein Gedenkstein an die waghalsigen Aktionen, und man kann wunderbar wandern auf dem Hügel und unter den alten Bäumen des Naturparks.
Formeln für den Wuchs der Bäume
Ortswechsel: In Mailand wird am 16. Mai im Castello Sforzesco di Sala delle Asse wiedereröffnet. An deren Deckengewölbe malte Leonardo ebenso verspielt wie versessen prächtig blühende und kunstvoll miteinander verflochtene Äste, die einem geradezu den Kopf verdrehen. In seinem „Traktat über die Malerei“ hat er den Bäumen ein eigenes Kapitel geschenkt, ihre sich nach oben hin verjüngenden Arme wie ein Mathematiker studiert, den Wuchs auf seinen Zeichnungen sogar mit Formeln versehen. Zuletzt verriet die Decke kaum noch etwas von der Meisterschaft des Künstlers, weshalb sie seit 2013 restauriert wird und das Museum nun erstmals Einblick in den Saal gewährt.
Ebenfalls in Mailand, allerdings erst im Herbst (7. Oktober 2019 bis 23. Januar 2020), wird im Palazzo Reale eine Perle der Kunstgeschichte der Öffentlichkeit vorgeführt. Es ist eine der ersten Kopien von Leonardos berühmtem Abendmahl – allerdings nicht eine Malerei, sondern ein Wandteppich, entstanden zwischen 1505 und 1510 („Das Abendmahl von Leonardo für Francesco I.: ein Meisterwerk aus Seide und Silber“). Eine gänzlich andere Art der Erkundung von Leonardos Geist dachte sich hingegen das Mailänder Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia aus. Der Titel der Schau ist Programm: „Leonardo Da Vinci Parade“ ist eine Art Zirkusshow, ein multimedialer Parcours: Vom 19. Juli bis 13. Oktober wird man in dort Leonardos Modelle (Achtung: Nachbauten aus den 1950er-Jahren) zu sehen bekommen, ebenso wie dekorativ im Raum verteilte Kopien seiner berühmtesten Bilder. Diese Saloon-Show ist sicher nichts für den Kunsthistoriker, aber eine gute Wahl für Familien mit Kindern – oder für das Kind im Erwachsenen.
Abstecher nach Turin? In der Fiat-Stadt wird im Rahmen einer großen Sonderausstellung unter dem Titel „Leonardo Da Vinci. Die Zukunft zeichnen“ in der Galleria Sabauda im Palazzo Reale die weltberühmte Rötelzeichnung „Porträt eines Mannes“ gezeigt, die als Selbstbildnis Leonardos gilt. Das Blatt ist Star der Ausstellung (bis 14. Juli), es werden aber insgesamt 50 Zeichnungen unter anderem aus dem „Codex über den Vogelflug“ ausgestellt.
Blockbuster-Ausstellung im Louvre
Leonardo ist in Frankreich gestorben, und so will man auch dort zeigen, was man hat: Das berühmteste Bild des Meisters ist zweifelsfrei die Mona Lisa, und die gehört nun mal dem Louvre in Paris. Ebendort wird es die wohl größte Blockbuster-Ausstellung zu Leonardos Jubiläum geben: Am 24. Oktober 2019 eröffnet sie, mit fast allen der heute 14 anerkannten Gemälde des Meisters (bis 24. Februar 2020). Neben der „Gioconda“, wie sie die Italiener nennen, besitzt der Louvre vier weitere Ölgemälde sowie 22 Zeichnungen Leonardos. Mit Spannung wird als Leihgabe das 2017 haushoch versteigerte Gemälde „Salvator Mundi“ erwartet.
Wer keine Lust hat auf Großstadt und Touri-Tempel, dem sei eine Tour entlang der Loire empfohlen. Wermutstropfen: So reizvoll die Landschaft im Val de Loire, das Fest „Vivat Davinci“ wird dort weitgehend ohne Originale gefeiert. Seinen Lebensabend verbrachte Leonardo auf dem Château du Clos Lucé in Amboise. Vom 1. Juni bis 2. September 2019 wird an diesem Ort die Sonderausstellung „Leonardo da Vinci, seine Schüler, das Abendmahl und Franz I.“ präsentiert, auch dort mit einer Tapisserie des letzten Abendmahls (von 1533). Das Château ist außerdem ein herrlicher Ort zum Spazieren und Dinieren. In dem weitläufigen Park finden Sie Bäche, Brücken und vom 15. April bis 1. Mai überall verteilt Leonardos nachgebaute Erfindungen; auf der Terrasse vor dem Gutshaus können Sie Crêpes und Renaissancegerichte aus Leonardos Zeit genießen.
Ähnlich zeitgenössischen Charme versprüht der Sommer im Museum der Sologne in Romorantin-Lanthenay und in der Fondation du Doute in Blois: Dort wollen junge Künstler aus Italien und Frankreich gemeinsam ein Leonardo-Fahrzeug aus Technoschrott konstruieren. Zuletzt hatte es Zwist zwischen Frankreich und Italien gegeben, als Frankreich für eine Ausstellung im Oktober in Italien wegen Leihgaben angefragt hatte. Inzwischen ist der Streit aber beigelegt und Leonardo wird brüderlich bewundert.
Was die wenigsten über den Universalgelehrten wissen: Er war Linkshänder (schrieb sogar von rechts nach links), schwul (obwohl unter drakonische Strafen gestellt, war Homosexualität nichts Außergewöhnliches in der Renaissance, die sich am antiken Griechenland orientierte), ein durch und durch freier Geist und ist bis heute ein Rätsel. Die Tiefen dieses Charakters will demnächst Leonardo DiCaprio ausloten. Das große Hollywoodstudio Paramount hat sich vor zwei Jahren die Rechte an der neuesten Leonardo-Biografie von Walter Isaacson gesichert. DiCaprio will den Film produzieren und die Hauptrolle übernehmen.
In Deutschland schärft man im Frühjahr nur noch in Gießen das Bild von diesem Mann. Am 18. Mai 2019 beginnt im Mathematicum eine Leonardo-Jahr mit Shows, Kindervorlesungen, Kunstausstellungen, Vorträgen und Konzerten sowie einer interaktiven Ausstellung mit Nachbauten seiner Maschinen.
Einen Ausflug sollten Sie machen!
Agnes Schofield ist Journalistin mit Schwerpunkt Kunst. Ehemals Chefredakteurin des Magazins „Artcollector“. Schofield studierte Medienwissenschaften, Kunstgeschichte und Grafik in Marburg und Neapel. Heute als Autorin und Moderatorin tätig.
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