Tichys Einblick
Google, Amazon und Microsoft

Internet-Riesen wollen steigenden Stromverbrauch mit Kernenergie decken

Der Stromverbrauch von Rechenzentren steigt dramatisch. Auch die Internet-Riesen Microsoft, Google und Amazon rechnen mit einem Anstieg. Sie sind nun auf den Atomzug aufgesprungen: Kernenergie erzeugt Strom ähnlich umweltschonend wie Wind und Sonne – und ist wetterunabhängig.

Microsoft will künftig Strom aus dem Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania beziehen

picture alliance / dpa | Pat Reber

Norwegen scheint eine nukleare Lawine losgetreten zu haben. Wenige Monate, nachdem das Land angekündigt hatte, es werde den wachsenden Stromverbrauch von Rechenzentren durch Kernkraftwerke decken, ziehen die Internet-Riesen Microsoft, Google und Amazon nach. Sie stehen vor dem gleichen Problem wie das nordische Land, dessen natürliche Quellen für die Stromerzeugung, vor allem Wasser, unerschöpflich schienen. Der Stromverbrauch von Rechenzentren steigt dramatisch, weil Anwendungen der künstlichen Intelligenz und das Schürfen von Kryptowährungen sowie der Handel mit diesen gigantische Mengen an Strom verschlingen. Experten der US-Bank Goldman Sachs verweisen in einer Analyse auf Schätzungen, wonach ein Auftrag an die generative künstliche Intelligenz ChatGPT sechs- bis zehnmal mehr Energie verbrauchen könne als eine klassische Google-Suche.

„Im Grunde ist der Bedarf an Datenverarbeitung und Datenspeicherung im Gegensatz zu allem anderen unbegrenzt“, heißt es bei Norsk Kjernekraft, dem Unternehmen, das den Aufbau von Kernkraftwerken in Norwegen plant. „Künstliche Intelligenz beschleunigt diesen Bedarf exponentiell.“ Schon jetzt verbrauchen Rechenzentren pro Internetanschluss in Deutschland 400 Kilowattstunden elektrische Energie im Jahr, ein Zehntel des Verbrauchs einer vierköpfigen Familie, das entspreche 213 Kilogramm CO2-Emissionen pro Jahr, so das Freiburger Öko-Institut.

Mit extremem Wachstum des Stromverbrauchs rechnen auch die Internet-Riesen. Da sie Wert darauf legen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sind sie auf den Atomzug aufgesprungen, denn Kernenergie erzeugt Strom ähnlich umweltschonend wie Wind und Sonne. Pro Kilowattstunde emittieren Kernkraftwerke 3,7 bis 110 Gramm CO2-Äquivalente, so das Öko-Institut. Wind kommt auf 67 Gramm. Bei der Photovoltaik sind es 43 bis 63 Gramm, so das Umweltbundesamt in Dessau.

Am pikantesten ist die Lösung, die Microsoft anstrebt. Das Unternehmen in Redmond im US-Bundesstaat Washington bietet mehr als 200 Clouddienste an. Künftig wird es Strom aus dem Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania beziehen, dem Block, der beim Reaktorunglück im Jahr 1979 heil geblieben ist und 2019 aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet worden war. 2027 könnte er nach Revisionsarbeiten und der Modernisierung der Sicherheitstechnik wieder in Betrieb gehen. Der Druckwasserreaktor, der am 2. September 1974 in Betrieb gegangen war, hat eine Nettoleistung von 805 Megawatt.

Microsofts Vice President Bobby Hollis verwies in einem Gespräch mit dem Finanzportal Bloomberg darauf, dass die Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen schwanke, während sie bei Atomkraftwerken wetterunabhängig sei und Kunden brauche, die den Strom kontinuierlich abnehmen. Microsoft sei so gesehen der Idealkunde: „Wir laufen rund um die Uhr, sie laufen rund um die Uhr.“ Microsoft garantiert die Stromabnahme für 20 Jahre.

Google und Amazon gehen einen anderen Weg. Sie planen den Bau von kleinen Kernkraftwerken, Small Modular Reactors (SMR). Google will 2030 die erste Anlage in Betrieb nehmen, die Kairos Power im kalifornischen Alameda entwickelt. Insgesamt sollen es sieben SMR werden. Es könnten die ersten sein, die Kairos Power ans Netz bringt. Jede hat eine Leistung von 75 Megawatt, also weniger als ein Zehntel des Blocks 1 von Three Mile Island. Der Kairos-SMR transportiert die erzeugte Wärme nicht wie in den meisten Reaktoren mit Wasser ab, sondern mit flüssigem Salz. Unter anderem dadurch soll er sicherer sein gegen Überhitzung, die katastrophale Folgen wie einst in Block 2 von Three Mile Island, in Tschernobyl und Fukushima hatte.

Amazon schließlich setzt auf zwei Entwickler von kleinen Kernkraftwerken. Zum einen ist das NuScale in Portland im US-Bundesstaat Oregon. Dieses Unternehmen hat zwar auch noch keine Anlage gebaut, verfügt aber schon über eine Genehmigung für den Bau solcher Voygr genannter Reaktoren, die eine elektrische Leistung von 50 Megawatt haben. Bis zu acht Module sollen im US-Bundesstaat Washington errichtet werden und ab Anfang der 2030er Jahre Zug um Zug in Betrieb gehen.

Zusätzlich investiert Amazon 500 Millionen Dollar in X-Energy in Rockville im US-Bundesstaat Maryland, ein Unternehmen, das einen 80-Megawatt-SMR entwickelt. Außerdem will das Unternehmen den Bau eines Mini-AKW in Virginia mit einer Leistung von 300 Megawatt ausloten.


Wolfgang Kempkens studierte an der Techni­schen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aache­ner Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwer­punkte sind Energie und Umwelt.

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