Es ist immer wieder eine Freude, wenn man als Autor mit seinen Lesern in einen Dialog eintreten kann. Man erhält Zustimmung, man erhält Widerspruch und Anregungen, insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Missverständnisse die Debatte in unserem, auf abschüssiger Bahn dahinrutschenden Kontinent prägen, weil sie offenbar aus Unkenntnis der tatsächlichen Verfassung unserer Organe und Institutionen genährt werden.
Das wurde mir neulich besonders schmerzhaft und erhellend bewusst, als ein geschätzter Leser meine Charakterisierung der „Europäisches Parlament“ getauften Versammlung als Ergebnis eines Apartheid-Wahlrechts zum Anlass nahm, den Autor der Frechheit zu zeihen. Da hat er ja noch mal Glück gehabt, der Schreiberling, der ich bin. Hätte schlimmer kommen können, wie zum Beispiel in der Charakterisierung des Artikels „Die Beraubung Germaniens“ als Verhetzung durch den twitternden Wirtschaftsredakteur einer bekannten Wochenzeitung.
Ich möchte daher die Gelegenheit ergreifen, den Berufsempörten darzulegen, warum Apartheid für die Beschreibung der wichtigsten EU-Institutionen bzw. ihrer Governance der passende Begriff ist und warum sich dies sauber einsortiert in ein breiteres Konstruktionsdesaster, welches die Prinzipien des Institution Building nicht nur außer Acht lässt, sondern sie nachgerade mit Verachtung straft.
Es ist auch keine Entschuldigung, den Schutz kleinerer Länder bzw. ihrer Interessen als Begründung hierfür anzuführen. Minderheitenschutz kann in demokratischen Verfassungen auf unterschiedlichste Weise sichergestellt werden, von verbrieften Rechten in der Verfassung bis zur Einrichtung eines Mehrkammerparlaments, wie dies in fast allen demokratisch verfassten Ländern der Fall ist.
Undemokratisch konstruiert
Der einzige Trost für diesen Verstoß gegen eherne Grundsätze der allgemeinen Suffrage ist der Umstand, dass diese Versammlung nicht viel zu sagen hat. Das ist ein Glücksfall, wenn man bedenkt, was Schulz sonst als „Präsident“ dort zulasten der Bürger des Kontinents mit seinen unausgegorenen sozialistischen Ideen von Planwirtschaft und Umverteilung sonst an Schaden noch hätte anrichten können.
Dass ein von der Idee der Apartheid dominiertes Entscheidungsgremium in der EU nichts zu sagen hätte, gilt aber leider nicht für die anderen, wesentlichen Institutionen wie die EU-Kommission und vor allem nicht den Rat der Europäischen Zentralbank. Hier verhält es sich so, dass jedes Land genau eine Stimme hat, egal, wie groß oder klein es ist, und egal, ob es viel oder wenig für die Folgen der dort getroffenen Entscheidungen haftet. Rechnet man das auf Wählerstimmen um, so kann es natürlich in der Folge gar nicht anders sein, als dass ein Wähler umso weniger zählt, je größer das Land ist, welches er seine Heimat nennt.
Schuldnerpartei und Gläubigerpartei
Die Ursache dieser historisch speziellen Ausprägung eines monetären Apartheidregimes liegt darin, dass das Eurosystem eine Governance-technische Fehlkonstruktion ist, die auf zwei sich widersprechenden Annahmen beruht. Diese beiden Annahmen sind die Unabhängigkeit der Zentralbank einerseits (die, das wissen wir heute, eine Schimäre und eigentlich zu „jeder-Kontrolle-entzogen“ degeneriert ist und dass andererseits jedes Land durch einen Vertreter, nämlich den Chef seiner Zentralbank, im Rat vertreten sein soll. Wenn aber die Mitglieder dort Vertreter ihrer Länder sind, dann sind sie per Definitionem nicht unabhängig. Sie vertreten nicht eine unabhängige geldpolitische Instanz, sie vertreten ihr Land. Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Und da diese Herren und Damen wissen, an wen sie zuhause zu rapportieren haben, ist es nur logisch, dass der EZB-Rat in zwei klar unterscheidbare Fraktionen zerfällt, die man kurz und knapp mit Schuldnerpartei und Gläubigerpartei titulieren kann.
Dank der Apartheidskonstruktion des höchsten Entscheidungsgremiums haben die Schuldner das sagen. Das ist sehr praktisch, solange die Gläubiger der durch „Mehrheitsentscheidung“ im Rat legitimierten Transferunion zwar nicht zustimmen, aber auch nicht durch Austritt dagegen aufbegehren. Es führt zu genau dem Effekt, den wir sehen können: Der massiven Umverteilung von Nord nach Süd, von Deutschland nach Italien, von Holland nach Portugal.
„Wenn es ernst wird, muss man lügen“
Wenden wir uns dem dritten großen Entscheidungsgremium zu: Der Europäischen Kommission. Sie vereint alle institutionellen Konstruktionsfehler in sich, die ein Saboteur einbauen würde, wenn er schon beim Bau des Gebäudes seinen Einsturz in nicht zu ferner Zukunft herbeiführen möchte. Die Top-Posten sind nach dem gleichen undemokratischen Proporz verteilt, wie die Throne der Macht im EZB-Rat, nach Ländern. Das ist auch der Grund, warum der ehemalige Ortsbürgermeister von Luxemburg im Tandem mit dem bärtigen Mullah aus Würselen permanent oberhalb seiner intellektuellen Gewichtsklasse spielen darf. Dort werden 80% der Gesetze und Regeln vorbereitet, nach denen alle 500 Mio. Europäer ihr Leben ausrichten müssen, nur noch ca. 20% werden in nationaler Regie nach den Regeln klassischer demokratischer Governance in Kraft gesetzt. Die nationalen Parlamente sind zum Abnicken verdammt und eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem vorgesetzten Inhalt des Gesetzeseintopfes ist schon durch die schiere Flut an Papier nicht mehr möglich. Die nationalen Parlamente haben nicht genug Abgeordnete, um das alles überhaupt noch zu lesen, geschweige denn darüber nachzudenken, es zu interpretieren oder – Gott behüte – es gar zu kritisieren!
Die Intransparenz ist dabei Programm, wie Herr Juncker in einem seiner sprachlich zwar holprigen, aber unfreiwillig luziden Zitate eingeräumt hat: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt“. So wird Europa regiert. Addiert man dazu die Aussage des gleichen Sprachtitanen, Herrn Juncker „Wenn es ernst wird, muss man lügen“ kann man zusammenfassend feststellen: Die offenbar gültigen und gelebten Governance-Prinzipien heißen Lug und Trug.
Die Erosion des Rechts ist Programm
Aber das hat natürlich Methode, es ist kein Zufall. Die Erosion des Rechtsstaates ist nicht einmal opportunistisch oder ein Unfall, sie ist Programm. Sie ebnet den Weg für die Willkür einer neuen herrschenden Klasse von Bürokraten, die es in einem freien marktwirtschaftlichen System nicht weit bringen würden. Nicht zu Unrecht hat Nigel Farage den meisten EU-Abgeordneten vorgeworfen, in Ihrem Leben noch keinen anständigen Job ausgeübt zu haben. Diese neue distribuierende Klasse lebt von der Korruption. Transparenz, Regeln guter Governance und Rechtsstaat sind dabei hinderlich. Sie müssen abgeräumt werden.
Mit dieser Elite ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen. Wir werden sie aber nicht durch zuschauen los. Wir müssen diese Institutionen ersetzen durch ein Europa der Vaterländer oder es wird diesen „Eliten“ gelingen die Vision eines gemeinsamen, freien, friedlichen und wohlhabenden Europa, die unsere Gründerväter hatten, auf dem Altar ihrer Selbstsucht zu opfern. Ihr Wertenihilismus wird ihnen dabei nicht im Weg stehen.
MEGA. Make Europe Great Again!