Ein neues Fotomotiv muss auf jeden Fall her. Die Bilder von Politikern vor Kuka-Robotern gehören der Vergangenheit an. Die Chinesen stehen jetzt am Auslöser. Ein möglicher Protektionismus, um die Übernahme Kukas durch Midea zu verhindern, scheiterte, und ist wieder ein Beleg dafür, wie sich der Staat und die Parteien ohne Mandat in das Wirtschaftsleben einmischen wollen.
Das Lieblingsprojekt von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel heißt seit einigen Jahren Industrie 4.0. Das ist prinzipiell gut so, denn ein solches Projekt braucht „Top-Management“-Commitment. Gabriel will aber nicht nur den Industriestandort sichern. Zugleich besteht die Chance, mit der Digitalisierung der Fabriken und der Gesellschaft der SPD neues Leben einzuhauchen und neue, alte Wählerschichten für die Sozialdemokratie zu begeistern. Auch das kann sich positiv auswirken, wenn es die Motivation erhöht, das Projekt zum Erfolg zu machen. Zu den neuen Wählerschichten zählen dann auch die vielen neuen Selbstständigen, die in einer Plattform-Ökonomie ihre Dienste anbieten. Andrea Nahles kümmert sich deshalb seit einigen Monaten um Arbeit 4.0 – Experten schreiben ein Weißbuch – und der Bundeswirtschaftsminister um Industrie 4.0. Von der CDU/CSU oder anderen Parteien hört die Öffentlichkeit zu den Themen wenig, zu wenig.
Ein doppeltes Interesse kann also am Ende der Sache Industrie 4.0 dienen. Die entscheidende Frage ist: Tat es das bisher? Blicken wir zurück. Gabriel band das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 an sein Ministerium, einte die Verbände VDMA, ZVEI und Bitkom und schwor sie auf eine (seine?) Linie ein. Eine Plattform Industrie 4.0 entstand, wuchs und auch mit dem zunächst argwöhnisch beobachteten Industrial Internet Consortium aus den USA arbeiten die deutschen Industrie 4.0-Vorreiter jetzt zusammen, auch Dank Gabriel und seinem Staatssekretär Machnig, die vermittelten. Dazu floss Geld, viel Geld, vor allem in Technologieprojekte.
Ein weiteres Ergebnis der ministeriellen Bemühungen: Kaum eine Industrie 4.0-Broschüre oder -Veranstaltung kommt heute ohne Logo des Bundeswirtschaftsministeriums aus und in den Bundesländern etablierten sich zum Teil staatliche finanzierte Initiativen, die auf regionaler Ebene Kontakte herstellen und Werbung für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 machen sollen. Man kann auch von Doppelstrukturen sprechen. Oder: Nicht jeder Landespolitiker will Gabriel alleine die Bühne überlassen.
Manche Unternehmer sind genervt von der Dauerwerbesendung, denn die Inhaber wissen zumeist selber ganz gut, was ihre Märkte und ihre Kunden fordern und das ist nicht immer nur Hightech-Digitalisierung, sondern vor allem der Fokus auf Mehrwerte.
Was daher nicht passieren darf: Industrie 4.0 entwickelt sich zum riesigen Werbe-Wahl-Staatsprojekt, doch essentielle Politik für das Zukunftsprojekt wird zu wenig gemacht. Beispiel Netzneutralität: Das mögliche Ende der freien Datenautobahnen im Internet trifft vor allem den Mittelstand. Zusatzkosten für schnelle Datentransfers sind nicht ausgeschlossen. Und auch das Thema Security verunsichert die kleinen Firmen, denn wer ist von den staatlichen Maßnahmen betroffen und wer nicht? Dazu kommt: Unternehmensgründungen ziehen sich in Deutschland immer noch hin. Das passt nicht zu den Werbebroschüren der Industrie 4.0.
Robert Weber und Dr. Winfried Felser, Industrial Newsgames.