Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand. Es fehlt an ausreichendem Personal und es fehlt ebenso an einer funktionstüchtigen Ausrüstung. Von den Panzern bis zu den Hubschraubern, von den U-Booten bis zu den Fregatten, von der Luftwaffe bis zu so einfachen Dingen wie geeigneter Kleidung und Munition – es fehlt überall. Unter diesen elementaren Defiziten leidet nicht nur die Attraktivität der Bundeswehr, es leidet die gesamte Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland – ein wahrhaft unverantwortlicher Befund.
Jedes souveräne Land ist für seine Verteidigungsfähigkeit verantwortlich, will es die eigene Souveränität und die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten. Eine Feststellung, die ebenso selbstverständlich wie verbindlicher Verfassungsauftrag ist. Alles dies scheint leider vielfach in Vergessenheit geraten zu sein.
Nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes wurde von einer angeblichen Friedensdividende gesprochen und der Verteidigungshaushalt so massiv heruntergefahren, dass es zu den vorgenannten Mängeln kommen musste. Die Aussetzung der Wehrpflicht erfolgte überstürzt und ohne jene Übergangsregelungen, derer der Schritt von der Wehrpflichtarmee zur Berufsarmee dringend bedurft hätte.
Wann in den letzten Jahren hätte sich zum Beispiel der Deutsche Bundestag einmal so grundlegend, wie es notwendig gewesen wäre, mit der Situation der Bundeswehr und dem Befinden unserer Soldaten auseinandergesetzt? Die These von der »Parlamentsarmee« ist längst verkommen. Selbst die vielen kritischen und sehr kompetent vorgetragenen Berichte des Wehrbeauftragten haben an diesem Säumnis nie etwas geändert.
Die gleiche Kritik gilt für die deutsche Bündnispolitik. Seit Jahren gilt das der NATO gegebene Versprechen, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung von eigenem Land und Bündnis aufzuwenden. In der Realität wurde und wird jedoch nur wenig über ein Prozent für die Bundeswehr aufgewandt. Die entsprechende Kritik etwa des US-Präsidenten Trump an Deutschland ist leider nur allzu berechtigt. Das von der Bundesregierung immer wieder bemühte Gegenargument von den hohen Aufwendungen Deutschlands für die Entwicklungspolitik ist und bleibt nicht stichhaltig. Denn selbst wenn auch die Entwicklungspolitik sicherheitspolitische Relevanz besitzen kann, die Fähigkeit zur militärischen Landes- und Bündnisverteidigung kann sie nie ersetzen.
Der inzwischen lauter werdende Ruf nach einer Europäischen Armee beziehungsweise einer voll integrierten Verteidigungsfähigkeit EU-Europas ist heute mehr denn je begründet. Aber auch dieser Ruf enthebt nicht von der nationalen Eigenverantwortung. Im Gegenteil! Und doch gilt auch hier die Feststellung: In ihrem heutigen Zustand ist die Bundeswehr noch längst nicht europafähig.
Alles in allem: Es bedarf eines grundlegenden Wandels in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In die Bundeswehr muss buchstäblich und wieder massiv investiert werden. Der Beruf des Soldaten muss wieder mit der Achtung und der Anerkennung gepflegt und gewürdigt werden, die unsere Soldaten wahrhaft verdienen. Ist der Beruf des Soldaten doch der einzige, der kraft Selbstverständnis und Amtseid bedeutet, sich mit seinem ganzen Leib und Leben für die Sicherheit der Bürger Tag für Tag einzusetzen.
Alles dies wird mit dem hier vorgelegten Band in eindrucksvoller Weise belegt. Die notwendigen Reformschritte werden beim Namen genannt und in ebenso klarer wie hoffentlich unüberhörbarer Weise an Staat und Gesellschaft adressiert.
Prof. Dr. Rupert Scholz Bundesminister a. D., lehrte Öffentliches Recht an der Universität München, war 1991-1988 Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten des Landes Berlin und 1988-1989 Bundesminister der Verteidigung. Wir danken unserem Gastautor für die freundliche Genehmigung zur Übernahme seines Geleitwortes aus:
Josef Kraus/Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundesrepublik zwischen Elitetruppe und Reformruine. FBV, 240 Seiten, 22,99 €.
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