Vor der Erhebung der Gasumlage dürften die meisten Menschen in Deutschland den Namen Uniper noch nie gehört haben. Er setzt sich aus „unique“ (einzigartig) und „performance“ (Leistung) zusammen und gehört einem Unternehmen, das diesem Namen in gewisser Weise durchaus Ehre gemacht hat. Die 2016 von E.ON abgespaltene Firma hat es nämlich geschafft, als einziger großer Energieversorger riesige Verluste zu machen in einem Markt, in dem die Preise für seine Produkte geradezu explodieren. Uniper handelt hauptsächlich mit Gas, dessen Preis sich seit Beginn des Ukraine-Krieges mehr als verzehnfacht hat.
Leider hat man sich dabei aber einseitig auf Gaslieferungen aus Russland verlassen, die inzwischen weitgehend ausbleiben. Die eigenen Lieferverpflichtungen müssen aber trotzdem erfüllt werden, was nur mit teuren Zukäufen am freien Markt geht. Das verursacht derzeit einen Verlust von 60 Millionen Euro – pro Tag. So rutschte das Unternehmen in eine existenzgefährdende Schieflage, während Konkurrenten wie RWE und Shell in der Krise satte Gewinne einfahren.
Für eine vierköpfige Familie kann allein die Gasumlage schnell zu einer hohen dreistelligen Mehrbelastung pro Jahr werden – zusätzlich zu den ohnehin rasant steigenden Gaspreisen. Das war der Ampelkoalition dann wohl doch zu heikel. Zum Ausgleich senkt sie nun die Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent, und zwar nicht nur auf die Umlage, sondern gleich auf den gesamten Gaspreis. Laut Bundeskanzler Scholz soll das die Verbraucher unter dem Strich sogar ent- statt belasten. Selbst wenn das stimmen würde (es gibt gegenteilige Berechnungen), kann man sich nur verwundert die Augen reiben. Denn wieso wurden dann Uniper & Co nicht gleich aus Steuermitteln gerettet, statt den umständlichen Weg über die Gasumlage mit anschließender Steuersenkung zu gehen? Es wird wohl das Geheimnis der Zauberlehrlinge aus Berlin bleiben.
Der ganze Vorgang ist typisch für das dortige Herumgehampel. Statt die Probleme bei den Ursachen zu packen, versucht man nur, die Folgen zu kaschieren. So ändern ja die diversen „Entlastungspakete“ nicht das Mindeste an den gestiegenen Energiepreisen, und erst recht nicht an der Geldflut der EZB, der letztlich wichtigsten Inflationsquelle. Stattdessen wird den Wählern ständige Aktivität vorgespielt, um sich selbst als Retter aus der – selbstverschuldeten – Misere zu profilieren.
Lähmende Entscheidungslosigkeit herrscht dagegen da, wo es wirklich drauf ankäme. So kann wohl niemandem in der restlichen Welt mehr vermittelt werden, wieso Deutschland mitten in der schlimmsten Energiekrise seit Jahrzehnten immer noch am Ausstieg aus der Kernkraft und dem Fracking-Verbot festhält. Stattdessen wiederholen sich die endlos gleichen Argumente, so als wäre nichts geschehen. Genauso gut hätte man auf der sinkenden Titanic darüber diskutieren können, ob die Rettungsboote denn auch aus nachhaltigem Holzanbau gefertigt wurden.
In einer Marktwirtschaft müssen Unternehmen, die schlecht gewirtschaftet haben, vom Markt verschwinden. Das heißt ja nicht, dass damit auch die physischen Produktionsanlagen und die Lieferbeziehungen vernichtet würden. Sie würden auch im Fall von Uniper sicher bald einen neuen privaten Eigentümer finden. Dieser könnte dann auch neue, marktgerechtere Preise mit den Abnehmern aushandeln und so die Quelle der Verluste schließen. Uniper ist ein internationales Unternehmen mit 11.000 Mitarbeitern in 40 Ländern, von denen ein Drittel in Deutschland arbeitet. Da würde sich sicher mehr als ein Interessent auf dem internationalen Energiemarkt finden, der diese weiterbeschäftigen und die Geschäfte übernehmen könnte. Der Kurs der Aktie und damit das Vermögen der Alteigentümer sollte bei einem Pleiteunternehmen aber in der Nähe von Null liegen und nicht bei 6,13 Euro wie derzeit – mit Potenzial zur Vervierfachung nach der Finanzspritze des Staates, wie Börsenanalysten erwarten.
Vielleicht will Klima- und Wirtschaftsminister Habeck es sich aber auch nicht durch übertriebene Marktwirtschaftlichkeit mit der Energiewirtschaft verderben. Er braucht sie ja noch für die Umsetzung der „Energiewende“, also den staatlich erzwungenen Weg allein in die „erneuerbaren“ Flatterenergien Sonne und Wind. Dabei ist auch das pure Planwirtschaft, deren fatale Folgen gerade in der Krise überdeutlich werden. Denn wer aus Kohle, Kernkraft und heimischer Gasproduktion gleichzeitig aussteigt, dem bleibt letztlich nur importiertes Gas, um die Grundlast des Energiebedarfs auch in der Dunkelflaute sicherzustellen. Dass die Gasimporte etwa aus Kanada aus dem in Deutschland verteufelten Fracking und die Stromimporte vielfach aus Kohle- und Kernenergie stammen, zeigt die ganze Absurdität der dahinterstehenden Umweltargumente.
Aber im Ernst: Als wenn die horrenden Preise die Leute nicht ganz von selbst auf die Idee bringen würden, unnötige Energieverbräuche zu vermeiden. Das ist eben der Unterschied zwischen Markt- und Planwirtschaft: In ersterer bestimmen die Menschen in Mangelsituationen selbst, was sie als weniger wichtig empfinden. In der grünen Planwirtschaft wird es ihnen dagegen von den Politikern vorgeschrieben, auch wenn es sich aus Sicht der Betroffenen oft gar nicht rechnet. Zahllose Hauseigentümer und Unternehmen, die seit Jahren immer rigidere und oft völlig unwirtschaftliche Auflagen zu erfüllen haben, können ein trauriges Lied davon singen.
Aber vielleicht ist das ja der eigentliche Zweck des ständigen Umwelt-Alarmismus, die Marktwirtschaft zu beseitigen und eine staatliche Kommandowirtschaft an ihre Stelle zu setzen. Wenn dem so wäre, dann könnte man den Grünen zu ihren bisherigen Erfolgen in dieser Hinsicht nur gratulieren.
Ulrich van Suntum ist Prof. em. für Volkswirtschaftslehre.