Protestbewegungen haben seit Aufzeichnung der Menschheitsgeschichte schon immer die Entwicklung beeinflusst. So ist es auch mit den aus den Protestbewegungen gegen die Kernenergie entstandenen „grünen Gruppierungen“.
1. Wandel und Veränderung sind die Triebfedern der Evolution
Protestbewegungen beeinflussen in einem nachhaltigen Szenarium mehr und mehr die Politik der Industriestaaten und das nicht zu deren Nachteil, wenn es in Maßen geschieht. Hauptaktionspunkt ist neben der Sozialpolitik der Umwelt- und Klimaschutz nach dem Motto „Dekarbonisierung der Welt“. Lautstark ist zu vernehmen: „Sofortiger Ausstieg aus den fossilen Energien.“
2. Fundamentalismus muss in schwierigen Situationen dem Pragmatismus weichen
Polemisch ausgedrückt haben die Pragmatiker der „Grünen“ in Deutschland erkannt, man darf den Ast, auf dem man sitzt, nicht absägen, bevor man einen sicheren, alternativen Platz hat. Ein weiterer Lerneffekt der Energiekrise ist die Wahrnehmung, dass die Dekarbonisierung sehr teuer wird und damit die sozialen Ziele in Frage gestellt werden könnten. Daher sollte die Erkenntnis reifen, dass eine schrittweise Ablösung der Fossilen durch die „Erneuerbaren“ als realpolitische Lösung anzustreben ist, weil die Entwicklungsländer den Ausstieg aus den Fossilen nicht bezahlen können und daher ein Nebeneinander von fossilen (arme Länder) und „erneuerbaren“ Energieträgern (reiche Länder) bestehen bleibt. Die Steinzeit endete auch nicht abrupt mit der Erkenntnis, dass metallische Werkstoffe wirkungsvoller sind als Steinwerkzeuge, sondern mit der wachsenden Erfahrung dieses Faktums durch die Menschen.
3. Globale Klimaziele können von Deutschland allein niemals erreicht werden
Selbst wenn in Deutschland die ehrgeizigen Klimaziele bis 2045 realisiert werden, bleiben vermutlich mehr als 70 Prozent der heutigen CO2-Emissionen (China, Indien, USA, Russland) bestehen. Das heißt, die Proteste müssen bevorzugt an anderer Stelle vorgenommen und durchgesetzt werden.
4. Erdgas ist ein Bioprodukt mit neutraler Kohlenstoffbilanz
Es sollte auch nicht verkannt werden, dass Erdgas ein aus nachwachsenden Ausgangsstoffen entstandenes Produkt ist, das eigentlich CO2-neutral eingestuft werden sollte, wie die „Biofuels“ mit dem Unterschied der Zeitskala. Die üppige Vegetation in der Entstehungszeit, vor allem dem Karbon-Erdzeitalter vor 300 Millionen Jahren, hat unter anderem dazu beigetragen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre von rund 1.000 ppm auf 500 ppm herabzusetzen und so menschliches Leben auf dem Planeten erst möglich gemacht. Es ist also Bio.
5. Ein größeres Maß an „Kopfentscheidungen“ gegenüber „Bauchentscheidungen“ würde der grünen Politik in manchen Fragen mehr Seriosität verleihen
Die gängige Technologie der hydraulischen Stimulation von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten im tiefen Untergrund (> 2000 m), „Fracking“ genannt, wurde in Deutschland in mehreren Hundert Bohrungen ohne jegliche Störung der Umwelt angewandt. Dennoch hat es die grüne Politik verstanden, die Medien so zu beeinflussen, dass jegliches Vertrauen in diese soliden Ingenieurleistungen mit falschen Phrasen abgeurteilt wurden. „Fracking, das ist die Injektion von Chemikalien in die Gesteinsschichten zur Lösung und Gewinnung von Erdgas. Diese Chemikalien sind ein Gift für die Grundwasservorkommen.“ Dies ist eine Bauchentscheidung, da der Kopf sagt, dass Grundwasser- und Erdgasschichten mindestens 2.000 Meter voneinander entfernt sind. Es ist außerdem falsch zu behaupten, Fracking beruhe auf chemischen Prozessen, sondern es ist ein mechanischer Prozess:
Wie der Name „Fracking=Aufbrechen“ sagt, werden Wasser und Sand über eine dicht verrohrte und zementierte Bohrung in die tiefe Schicht gepresst, bis sich Risse auftun, in die Wasser und Sand eindringen. Sand wird benötigt, um die Risse nach Ablassen des Druckes offen zu halten und damit den Austritt des Gases zu ermöglichen. Da Sand schwerer als Wasser ist, muss das Wasser verdickt werden, um den Sand zu bewegen. Hier kommt die Chemie in sekundärer Funktion zum Zuge. Verdickungsmittel (Polymere) sind aus der Lebensmittelindustrie bekannt. Hausfrauen/-männer wissen, dass Stärke (Kartoffel- oder Maisstärke) ein guter Soßenverdicker ist. Um die Flüssigkeit wieder auszufördern, benötigt man u.a. Grenzflächenspannungsminderer zwischen Gas und Wasser, wie Spülmittel (Tenside). Den Bestand der Chemikalien sichert ein Biozid, damit Bakterien diese Stoffe nicht sofort zerstören.
Über die Toxizität von Stoffen hat bereits im Mittelalter der Arzt Paracelsus das Nützlichkeitsprinzip vorangestellt, indem er darauf hinwies: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“
6. Wunschdenken kann nicht die Basis sein, um die deutsche Industrie wettbewerbsfähig in einen Transformationsprozess zu dirigieren
Die deutsche Industrie ist schwerpunktmäßig auf die Fertigung von Maschinen, Anlagen, Chemieprodukten, Fahrzeugen u.a. ausgerichtet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigt sie hoch qualifizierte Arbeitskräfte, günstige Energiekosten, einen überschaubaren und planbaren Absatzmarkt und ausreichend Kapital, um selbst in Forschung und Erneuerung zu investieren. Diese Vorgaben können nicht erfüllt werden, wenn Produktentwicklungen vorgeschrieben werden (keine Verbrennungsmotoren), die Verfügbarkeit von preiswerter und sicherer Energie aus ideologischen Gründen eingeschränkt wird (Kernenergie) und regulative Maßnahmen die Bildung von Kapital für den Erneuerungsprozess einschränken.
Der Stromsektor könnte relativ leicht von den Erneuerbaren abgedeckt werden, wenn die Probleme der Speicherung und des Transportes rasch genug gelöst werden können. Ein Engpass tut sich bei der Bereitstellung von Industriewärme auf, die nach der Vorstellung der Grünen durch eine flächendeckende Wasserstoffwirtschaft gelöst werden sollte. Die heute übliche, kostengünstige Herstellung erfolgt aus Erdgas. Für die Erzeugung von grünem Wasserstoff benötigt man 4 bis 5 kWh Strom, um 3 kWh Energie aus einem Kubikmeter Wasserstoff zu gewinnen. Das geht nur bei vernachlässigbaren Stromkosten. Wenn aber der gesamte Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, diktieren die Marktpreise den Strommarkt und kostenloser Überschussstrom steht nicht ausreichend zur Verfügung. Außerdem benötigt man für die Elektrolyse saubere Wasser und das steht in den Regionen, wo Solarstrom in großen Mengen gewonnen werden kann, meist nicht zur Verfügung – und die Transportfrage ist heute noch ein ungelöstes Problem.
Hier tut sich ein weiteres Konfliktfeld auf, wenn der Bedarf an Wasser für die Wasserstoffherstellung den ohnedies eingeschränkten Bereich der Trinkwasserbereitstellung in den deutschen Großstädten berührt. Wollte man den Verbrauch an Erdgas in Deutschland von circa 90 Milliarden Kubikmeter pro Jahr durch Wasserstoff ersetzen, erfordert es, den Wasserverbrauch eines Bundeslandes wie Hessen von rund 240 Millionen Kubikmeter zusätzlich bereitzustellen.
Literaturquellen
Auszug aus „4 Milliarden Jahre Klimageschichte im Überblick“ (W. Oschmann), DWD-Klimastatusbericht 2003
Die Entwicklung der Waldökosysteme (430 bis 330 Millionen Jahre)
Bereits relativ kurze Zeit nach der ersten Besiedlung des Festlands durch Pflanzen entstanden verholzte Gewächse, die bald Bäume und nach und nach richtige Waldökosysteme bildeten. Dadurch wuchs die Biomasse auf Kosten des atmosphärischen CO2. Die aus Lignin und Zellulose bestehenden Stützgewebe der Bäume wurden zum Teil in der Lithosphäre gebunden. Vor etwa 360 Millionen Jahren kam es zu einer regional begrenzten Vereisung in Südamerika, das damals in der Südpolregion lag (Abb. 7 und 9). Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre näherte sich den heutigen Werten (Berner 1991, 1997; Crowley & North 1991; Frakes et al. 1992).
Die vierte Vereisungsphase (320 bis 270 Millionen Jahre)
Die vierte Vereisungsphase betraf weite Teile des großen Südkontinents Gondwana (Abb. 7 und 9). Betroffen waren vor allem Südamerika, das südliche Afrika, die Antarktis, Indien und Australien. Durch Kontinentkollisionen formte sich der Superkontinent Pangaea. Die plattentektonische Aktivität kam dadurch vorübergehend zum Stillstand und der CO2-Ausstoß durch Vulkanismus verringerte sich. Zusätzlich breiteten sich die Waldökosysteme aus und erreichten erstmals globale Dimensionen. Auf Kosten des atmosphärischen CO2 wuchs der Anteil des biogen gebundenen und in der Lithosphäre gespeicherten Kohlenstoffs stark an. Die CO2-Werte lagen, bei geringerer Sonnenstrahlung, in der gleichen Größenordnung wie heute. Der atmosphärische Anteil an Sauerstoff lag wahrscheinlich höher als heute (Crowley et al. 1989; Crowley & Baum 1992; Kutzbach & Gallimore 1989; Berner 1991, 1997; Crowley & North 1991; Frakes et al.1992).
Auszug aus „Anmerkungen über eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle Gestaltung des Energiemix zur nachhaltigen Versorgung der Bundesrepublik Deutschland.“ (G.Pusch und W.Gulden) Zt. Erdöl Erdgas Kohle,136 Jg., 10/2020, p.40
Der Wasserbedarf und die Wasserqualität sind für die Elektrolyse von großer Bedeutung. Wenn beispielsweise der Erdgasverbrauch Deutschlands 2019 von 89 Milliarden Kubikmeter energetisch durch Wasserstoff ersetzt werden sollte, sind circa 240 Mm3 Wasser, bei 100 Prozent Wirkungsgrad, stöchiometrisch für die Elektrolyse erforderlich.
Dichte Wasser: 1000 g/l (4°C), Dichte Wasserstoff: 0,08987 g/l (0°C), Dichte Sauerstoff: 1,42895 g/l (0°C) , Heizwert Wasserstoff: 2,995 kWh/Nm3 , Heizwert Erdgas: 10 kWh/Nm3
Diese Menge entspricht dem jährlichen Leitungswasserverbrauch im Bundesland Hessen. Wenn salzhaltiges Wasser (Meerwasser 3 Prozent Salzgehalt) für die Wasserstoffherstellung verwendet werden sollte, fallen rund 7,2 Mm3 = 14 Mt an Salz als Rückstand an, die entsorgt werden müssen.
Die Investitionskosten für die Einführung der Wasserstofftechnologie in Deutschland mit einem Anteil von 15 Prozent am Primärenergieaufkommen 2050, ohne Transport, Speicherung und Verteilung wurden auf circa 26 Milliarden Euro geschätzt. Diese Ausgaben müssten von den Versorgern geleistet werden.
Univ. Prof. i.R. Dr. Pusch ist Sachverständiger für Erdöl- und Erdgaslagerstätten und Untertagespeicher. Er berät Energieunternehmen in Österreich, Deutschland und den USA. So wirkte er bei der Einrichtung des größten österreichischen Erdgasspeichers Haidach als Sachverständiger und bei der Optimierung der Erdgasförderung aus der größten deutschen Erdgaslagerstätte Altmark als Berater mit. Für die NASCO Energie und Rohstoff AG, Hamburg, ist er bei der Reservenbewertung von Öl und Gaslagerstätten in den USA und der Planung ihrer Entwicklung einschließlich der IOR-Maßnahmen1 beratend tätig.
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