Rausgewählte Grüne weint – Partei will Foto zensieren
Gastautor
Dreimal fiel Grünen-Politikerin Tanja Prinz bei der Wahl zur neuen Parteichefin am Berliner Landesparteitag durch, obwohl sie keinen Gegenkandidaten hatte. Weinend verließ sie die Veranstaltung. Die Grünen versuchten, das entsprechende Foto zu zensieren – es passte nicht in ihre heile Welt.
Das Ergebnis der Abstimmung gegen die einzige Kandidatin für den Führungsposten der Grünen hätte schmerzlicher kaum ausfallen können. Selbst im dritten Wahlgang fiel Tanja Prinz durch. Und zwar mit Pauken und Trompeten. 41 Ja-Stimmen der Delegierten standen 104 Nein-Stimmen gegenüber. 70,8 Prozent Gegenstimmen kann durchaus als historisches Ergebnis bezeichnet werden.
Die von der Partei im Stich gelassene Kandidatin reagierte verständlicherweise tief betroffen. Sie weinte, packte ihre Tasche und verließ unter Tränen den Saal im Mercure Hotel Moabit: “Frohe Weihnachten”, waren ihre letzten Worte in die Runde.
Ein Fotograf der Deutschen Presseagentur (dpa) hielt den emotionalen Moment mit der Kamera fest, das Bild ging über den großen Verteiler an alle Redaktionen des Landes. Entsprechend wurde es von den Online-Ausgaben der Zeitungen und Magazine vom Norden (Berliner Zeitung, BZ) bis in den Süden (Focus) gebracht.
Sehr zum Leidwesen der Grünen. Die lassen zwar eiskalt eine Parteifreundin wie eine heiße Kartoffel fallen, ihr Image von der Friede-Freude-Eierkuchen-Partei darf darunter aber keinesfalls leiden. „Das Foto muss weg!“, entschlossen deshalb einige „Partei-Strategen“ und intervenierten per X (Twitter) oder direkt per Telefon in den Redaktionen. „Absolut respektlos. Menschen engagieren sich ehrenamtlich und werden dann mit so einem Bild derart bloßgestellt“, echauffierte sich beispielsweise Denis Wulff, grüner Kandidat für die EU-Wahl. „Vollkommen inakzeptabel und als unterste Schublade“, bezeichnete es ein anderer Grüner.
Doch dabei blieb es nicht. Am späten Samstagabend meldete sich der Pressesprecher des Landesverbandes der Grünen, René Lutter, telefonisch in der Redaktion der BZ. Er forderte, dass das Tränen-Foto von Prinz offline genommen wird. „Man muss sie schützen“, lautet seine eigenartige Begründung.
Dabei hätte nur die Partei selbst ihre Kandidatin besser schützen können. Die Redaktionen wiesen die Zensur-Versuche entschieden zurück.