In den vergangenen Tagen haben sich in Griechenland gleich drei neue politische Bewegungen bzw. Parteien gegründet. Steht die griechische Parteienlandschaft womöglich vor tektonischen Verschiebungen? Oder gibt es einmal mehr nur alten Wein in neuen Schläuchen? Vieles deutet auf zweitens hin. Denn die Initiatoren sind nicht irgendwer. Bei der Mitte-Links-Bewegung „Ora Apofaseon“ (dt. Zeit der Entscheidung) sind Europaabgeordnete sowie mit Anna Diamantopoulou und Yiannis Ragousis sogar auch ehemalige Minister mit an Bord. In der Regierung von Pasok-Ministerpräsident Giorgos Papandreou (2009-2012) leiteten die beiden zeitweise wichtige Ressorts wie Innen, Verkehr, Bildung und Wirtschaft.
Auch die neue Partei „Dimokratiki Efthini“ (dt. Demokratische Verantwortung) von Alekos Papadopoulos steht in den Startlöchern. Auch Papadopoulos war im Kabinett von Papandreou Minister (Gesundheit, Wirtschaft).
Schon vor der jüngsten Wahl zum europäischen Parlament 2014 hatte der frühere saarländische FDP-Generalsekretär und FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis eine nur spärlich mit liberalen Fetzen verhüllte Schuldenerlasspartei gegründet (Hellenische Europabürger), mit der er allerdings den Wiedereinzug in das Europäische Parlament verpasste. Seine Neugründung war mit 1,44 % an der griechischen Dreiprozenthürde gescheitert. Ob der Doppelstaatler inzwischen eine Sektkellerei auf Kreta betreibt, wie er zuvor angekündigt hatte, ist nicht verbürgt. (Hallo Jorgo, wenn es stimmt, freue ich mich auf ’ne Einladung!)
Die griechische Politik bringt sich offensichtlich für zwei Ereignisse in Stellung: Am 24. September 2017 wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt und das aktuelle, dritte Griechenland-Programm läuft zum 20. August 2018 aus. Vermutlich hoffen in Athen nicht wenige auf einen Regierungswechsel in Berlin. Denn in der Tat: Mit einem Bundeskanzler Martin Schulz wäre man einem Schuldenerlass ein gutes Stück näher gekommen. Schulz hat sich bereits im Jahr 2011 für Eurobonds, also die gemeinsame Begebung von Staatsanleihen aller Euro-Mitgliedstaaten, ausgesprochen. Schulz ist für viele griechische Politiker die Inkarnation des ewigen Traums: immer über den eigenen Verhältnissen leben können, weil der reiche Onkel für alles geradesteht!
Für jeden verantwortlichen deutschen Politiker sollten die Lehren aus sieben Jahre Eurokrise klar sein: Jeder Euro an Griechenland ist ein weiterer Euro zu viel. Sich dies nicht einzugestehen, ist die Fortsetzung des gewaltigen finanziellen Raubzuges bei unseren Kindern und Enkeln. Und aller schwülstig überhöhten Rhetorik in der Währungsfrage zum Trotz („scheitert der Euro, dann scheitert Europa“), ist die uns seit dem ersten Bail-out im Mai 2010 versprochene goldene Zukunft nicht in Sicht: Großbritannien geht, und auch bei den restlichen 27 geht nicht mehr viel zusammen.
Die griechische Regierung begegnet dieser in der europäischen Geschichte noch nie dagewesenen Solidarität aber keinesfalls in Demut, sondern stellt Ansprüche und fordert mehr vom Gleichen. Obwohl Athen im Dezember 2016 nochmals Schuldenerleichterungen gewährt wurden, besserte sich nichts. Im Gegenteil: Im Februar hieß es hierzu in einem internen Vermerk des EU-Verbindungsbüros des Deutschen Bundestages:
„Im Zusammenhang mit der zweiten Überprüfung des ESM-Anpassungsprogramms für Griechenland laufen die Beratungen der sog. Institutionen (Kommission, ESM, EZB und IWF) weiter, obwohl aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zum weiteren Vorgehen in Griechenland seit Dezember 2016 keine Überwachungsmission der Institutionen nach Athen mehr unternommen wurde. Seitens der griechischen Regierung wird die Verabschiedung zusätzlicher Reformmaßnahmen zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit nach Auslaufen des ESM-Programms im Jahr 2018 weiterhin abgelehnt.“
Ob der IWF sich weiterhin an der griechischen Schuldenorgie beteiligen will, bleibt zu bezweifeln. De facto ist der Währungsfonds im Sommer 2015 aus der Griechenland-Rettung ausgestiegen. Vom IWF ist seitdem kein einziger Cent mehr in Richtung Athen geflossen. Und egal welcher Eindruck auch erweckt wird: Am 19. August 2015 hat der Bundestag das dritte Griechenland-Paket in Höhe von 86 Milliarden Euro in der Hoffnung darauf beschlossen, dass sich der IWF beteiligt. Wenn der IWF den Daumen senkt – wovon ich ausgehe –, braucht es keine neue Parlamentsbefassung. Das hat auch der Wissenschaftliche Dienst bestätigt. Natürlich wird, wenn Frau Lagarde aussteigt, die Stimmung innerhalb unserer Fraktion auf den Tiefpunkt sinken: schließlich haben Finanzminister und Fraktionsvorsitzender politisch ausdrücklich versprochen, dass dies nicht geschehen werde.
Und auch innerhalb der Troika gibt es Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission, EZB und IWF. Etwas nebulös heißt es hierzu: „Einige vertreten die Auffassung, dass das Land bis zum Herbst 2017 ohne gravierende finanzielle Engpässe auskommen könnte. Andere rechnen mit schwerwiegenderen Finanzierungslücken bereits im Sommer 2017.“
Aus einem Schreiben aus dem Bundesministerium der Finanzen geht hervor, dass Griechenland auf ein viertes Programm zusteuert, wenn in Griechenland nicht endlich der Reformeifer ausbrechen sollte. Die griechische Taktik sieht aber genau anders aus. Athen möchte beweisen, dass es nicht in der Lage ist, die vereinbarten Reformen zu erfüllen. Das Land möchte wie vor dem Jahr 2010 durchgeschleppt werden. Griechenland ist kein Opfer, jedenfalls nicht das Opfer vermeintlich böser Mächte wie Deutschland. Griechenland ist das Opfer seiner selbst. Nur wenn Griechenland das einsieht, hat es eine Chance. Je eher die Transferzahlungen eingestellt werden, desto schneller wird Griechenland zu dieser Einsicht kommen. Die jüngst erfolgten Parteineugründungen weisen aber leider in eine ganz andere Richtung.
PS: Einige Banken in unserem Land verlangen seit Kurzem eine Gebühr für das Geldabheben aus Guthaben. Auch dies ist eine Folge der verfehlten Eurorettungspolitik. Die EZB hat den Leitzins soweit gesenkt, dass das Hauptgeschäft der Banken wegfällt.