Verehrte Leser, in meinem Beitrag „Gerechnet und zu leicht gefunden“ hatten sich durch häufiges Ändern des Textes zwei gravierende einige Fehler eingeschlichen, die ich wegen Betriebsblindheit nicht erkannt hatte. Einige Leser haben nachgerechnet und sie gefunden. Dafür danke ich und bitte um Entschuldigung. Der von mir geschilderte Zustand stellt sich in Wirklichkeit noch viel dramatischer dar. Dies ist der berichtigte Text.
Ferner muss ich wieder einmal klarstellen: Ich habe die Energiepolitik der Bundesregierungen seit 1998 niemals mitgetragen. Sowohl das EEG wie auch den Atomausstieg habe ich in der namentlichen Abstimmung im deutschen Bundestag abgelehnt. EEG-Novellen habe ich dann zugestimmt, wenn sie verringerte Einspeisevergütungen zur Folge hatten, sonst nicht. Ich selbst habe meiner Fraktion vorgeschlagen, das EEG durch ein Artikelgesetz zu novellieren mit dem Wortlaut: „Artikel 1 – Das EEG tritt mit sofortiger Wirkung außer Kraft, Artikel 2 – Durch das EEG entstandene eigentumsgleiche Rechte bleiben unberührt. Dieser Vorschlag wurde verlacht und durch meine Fraktion abgelehnt.
***
Wir warteten gemeinsam auf den Bus, hatten gerade einen verpasst und der nächste kam erst in 30 Minuten. Ein Schüler saß neben mir auf der Bank und spielte mit seinem Handy. Auf meine Frage antwortete er, dass er soeben das 9. Schuljahr beendet habe und im September das zehnte begänne. Gymnasium. Wir sprachen über die Schädlichkeit von Autoabgasen. Gegenüber stand ein Trabant am Straßenrand und er wollte wissen, wie viel Kilowatt (kW) Leistung der hat. Das Auto seiner Eltern habe 81 kW. Ich sagte, ich könne ihm nur die PS-Zahl sagen. Ob er wisse, wie viel PS ein Kilowatt habe? Er wisse das nicht.
Ich sagte: „So etwa 1,35, genau weiß ich es nicht.“
„Naja“, sagte er, „das muss man nicht wissen!“, tippte ins Handy, ich nannte ihm die PS-Zahl 26 und er erklärte stolz: „Dann hat der Trabi rund 19 kW. Nicht mal ein Viertel von unserem. Und braucht wie viel auf 100 km?“
Ich antwortete: „8 Liter Benzin. Im Gemisch 1:33 mit Motoröl.“
Und er: „Die reinste Verschwendung. Unser Auto braucht 6 Liter Diesel.“
Aber längst interessierte mich etwas ganz anderes. Lernen die Schüler heute das Umrechnen von Einheiten in der Schule nur noch per Internet? Ich wollte es testen und lenkte das Gespräch auf den Physikunterricht. Mengeneinheiten umrechnen – das ging gerade noch. Kilo in Mega, Milli in die Grundeinheit, auch Ar in Hektar und Liter in Kubikmeter. Aber bei Energieeinheiten war er überfordert: Joule in Newtonmeter? Gut, den Spaß verstand er nicht, ist nämlich dasselbe. Aber Kilokalorien in Joule? Gut. Wusste ich auch nicht im Kopf. Etwas um die 4.000. Er tippte erneut ins Handy: „Richtig“, sagte er: „eine Kilokalorie sind 4.187 Joule.“
Da kam mir eine Idee: „Kannst Du feststellen, wie viel Windstrom letztes Jahr in Deutschland ins Netz eingespeist wurde?“ Google macht’s möglich – auf der Website www.windbranche.de wurde er fündig: ungefähr 113 Milliarden Kilowattstunden waren es. „Und wie viel sind das Megawattstunden?“
Er antwortete: „113 Millionen!“
„Richtig. Und Gigawattstunden?“
„Einhundertdreizehntausend!“
„Auch richtig. Jetzt gib mal ein: ‚Windrad Wirkungsgrad‘!“
Er las ab: „Ein Windrad hat etwa einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von 50 Prozent.“
Und nun wieder ein bisschen Physik: „Was ein Wirkungsgrad ist, weißt Du doch?“ Er wusste es nicht so genau. Also erklärte ich es ihm: „In Prozent ist das: abgegebene Energie geteilt durch aufgenommene Energie und das Ganze mal Hundert. Wie viel Energie haben also die Windräder im Jahr 2021 in Deutschland aufgenommen, wenn sie einen Wirkungsgrad von 50 Prozent haben und davon 113.000 Gigawattstunden ins Netz abgegeben haben?“
Er überlegte eine Weile und antwortete dann richtig: „226.000 Gigawattstunden!“
Nun fragte ich ihn: „Und sag mal: kannst Du das auch in Kilotonnen TNT-Äquivalent umrechnen?“
Er: „Was ist TNT-Äquivalent?“
Ich: „Eine Kilotonne TNT-Äquivalent ist die Energie, die bei der Explosion von eintausend Tonnen Trinitrotoluol freigesetzt wird. Trinitrotoluol ist ein Sprengstoff.“
Aber sein Handy hatte es schon ausgerechnet: „226.000 Gigawattstunden sind ungefähr 194.000 Kilotonnen TNT-Äquivalent.“
Und ich sagte: „Das ist ja unglaublich! Und nun gib mal ein ‚Hiroshima-Bombe Sprengkraft‘.“
Er las vor: „Die freigesetzte Sprengenergie der Hiroshima-Bombe vom 6. August 1945 wird auf 12,5 Kilotonnen TNT-Äquivalent geschätzt.“
„So“, sagte ich, „nun teile mal auf Deinem Handy 194.000 durch 12,5.“
Das Ergebnis lautete: Etwa 15.500. Das heißt: Im Jahr 2021 haben die Windräder in Deutschland und auf dem Meer vor der deutschen Küste den unteren Luftschichten eine Energiemenge entzogen, die bei der Explosion von über 15.000 Hiroshima-Bomben freigesetzt wird. Jeden Monat ungefähr die von 1.300, jeden Wochentag 40 und Freitag, Samstag und Sonntag je 45, oder, damit es sich die Bundestagsabgeordneten vorstellen können: In Jedem Wahlkreis jede Woche eine Hiroshima-Bombe.
Der junge Mann war schockiert: „Gibt es da Untersuchungen, was das für die Umwelt bedeutet? Und für das Klima?“
„Ich kenne keine.“
„Aber so was geht doch nicht spurlos …“
„Am Klima wird es sicher spurlos vorbeigehen. Vielleicht sogar am Wetter, weil in der Atmosphäre noch ganz andere Energien im Spiel sind. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Ich weiß es nicht.“
„Trotzdem: Was wäre denn die Alternative zu Windrädern?“
„Unsere Außenministerin schlägt ja vor, auf die Energie zurückzugreifen, die im Stromnetz gespeichert ist“.
„Sie wollen mich auf den Arm nehmen! Mein Vater sagt, das Netz kann überhaupt nichts speichern, nicht eine Kilowattstunde!“
Immerhin, dachte ich, zumindest die Familie scheint noch nicht den Verstand verloren zu haben. Mein Sachsen lob ich mir! Deshalb wagte ich, es zu sagen: „Da hat er Recht, Dein Vater. Die Alternative ist natürlich die Kernkraft.“
„Und wohin mit den Abfällen?“
„Wenn man wollte, könnten die abgebrannen Brennstäbe still in der Erde ruhen, 800 Meter tief. Dort könnten sie so lange strahlen, wie die Erde besteht. Sie bedrohen dort nichts und niemanden. Kein Tier, keine Pflanze, kein Grundwasser, keine Luft und keinen Boden. Und erst recht nicht das Weltklima. Wenn man wollte. Aber man will nicht.“
Wir saßen auf der Bank im Wartehäuschen. Es waren ungefähr 35 Grad im Schatten und geregnet hatte es seit Wochen nicht. Der Bus hielt, wir banden uns die Masken vors Gesicht und stiegen ein. Der junge Mann konnte den Dingen noch nicht allein auf den Grund gehen. Dazu dürften ihm die Voraussetzungen noch fehlen: die Grundlagen der Thermodynamik, die allgemeine Gasgleichung, das Gesetz von Boyle-Mariott, die Zerlegung des Gasdrucks in Partialdrücke, Stoffwerte, Enthalpie, Sättigungsgrenzen, Tau- und Tripelpunktberechnungen oder gar meteorologische Grundsachverhalte.
Aber ich sorgte mich, er könne seinen Lehrer fragen, was ein Energieentzug der Explosionsenergie von 15.000 Hiroshima-Bombenexplosionen pro Jahr allein in Deutschland mit dem Wetter macht. Und dann als Energiewendeleugner gelten. Und sich die Zukunft verhageln. Wie zu DDR-Zeiten, wenn man sich als Abiturient kritisch zur Freundschaft mit der Sowjetunion äußerte. Man wusste damals nie und weiß heute nie, wie ein Lehrer da reagiert.
Und ich registrierte, in welch vermintes Gelände die simple Umrechnung von physikalischen Maßeinheiten führen kann.