Das Gender-Mainstreaming hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Zumindest lassen das verschiedene Medienberichte der jüngeren Zeit schwer vermuten. „Bayerische Unis setzen auf geschlechterneutrale Sprache“, titeln die Nürnberger Nachrichten und offenbaren im Artikel en passant, dass es da nicht nur um Verwaltungsdokumente geht, sondern dass auch von den „Studierenden“ – wie heute Studenten genannt werden müssen – „geschlechtergerechte“ Sprache erwartet wird. Das würde zwar „eher selten“ mithilfe von schlechteren Benotungen durchgesetzt, aber eigentlich weiß man es gar nicht so genau, weil letztlich der einzelne Dozent darüber entscheidet. Das lässt aufhorchen. Wer nicht gendert, läuft Gefahr schlechtere Noten zu bekommen?
Neusprech statt Inhalt
Der emeritierte Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Universität Wien, Werner Doralt, hat dahingehend in der österreichischen Tageszeitung Die Presse bereits Alarm geschlagen. Doralt deckt ganz konkret auf, wie weit sich „gendergerechtes“ Neusprech bereits als Kriterium zur Benotung an Hochschulen und Schulen in Österreich eingeschlichen hat. Und wie die zuständigen Ministerien die einzelnen Einrichtungen dabei zügellos walten lassen. Es wird tatsächlich den Lehrkörpern überlassen, nicht „geschlechtergerechte“ Arbeiten schlechter zu beurteilen oder sogar ganz zurückzuweisen – Letzteres laut Doralt zum Beispiel an der Fachhochschule des Berufsförderungsinstituts Wien gängige Praxis.
Einmal abgesehen von der wissenschaftlichen Haltlosigkeit der Gender-Ideologie – nach der das grammatikalische Genus des generischen Maskulinums soziale Wirklichkeiten bestimmt – wird da die Richtigkeit der deutschen Sprache zügelloser Willkür anheim gegeben. Eine allgemeine Gendersprech-Norm gibt es ja gar nicht. Und die wäre wohl auch demokratisch gar nicht durchsetzbar. Den meisten Menschen geht es ja gehörig auf die Nerven, wenn aus Fußgängern plötzlich Zufußgehende werden, Zuschauer nur noch Publikum genannten werden dürfen, unlesbare Binnen-I, Unterstriche und Sternchen in die Wörter eingebaut werden oder an allen Ecken und Enden die weibliche und männliche Form gemeinsam genannt werden. Selbstironisch hat die evangelische Kirche diesen Sprachwahnsinn in ihrem Programmheft zum diesjährigen Kirchentag auf den Punkt gebracht: „Die Teilnehmenden des Kirchentags sind eingeladen, mitzureden und ihre Meinung deutlich zu machen: über Anwältinnen und Anwälte und über Saalmikrofoninnen und -mikrofone …“
Wie Sie richtig genderisch sprechen erfahren Sie von Achim Winter und Roland Tichy im Video. Nach Auffassung der Verfasser sollte es Pflicht in allen Unis werden, selbstverständlich GEZ-finanziert.
Außer einer kleinen Sprachguerilla will niemand solche Texte. Und außer dieser kleinen Minderheit ist auch allen anderen klar, dass mit bestimmten Artikeln keine Rollenmodelle in die Wirklichkeit getragen werden. Jeder Grundschüler weiß, dass sich im Lehrerzimmer trotz des Namens fast ausschließlich Frauen aufhalten, und stört sich in keiner Weise daran, dass Polizisten und Soldaten heute immer öfter auch Mädels sind. Genus und Geschlecht auseinanderdividieren zu können ist ein Kinderspiel. Zur Feuerwehr wollen tatsächlich immer noch hauptsächlich die Jungs. Das liegt aber nicht daran, dass der Beruf „Feuerwehrmann“ heißt, sondern dass Buben evolutionär diese einzigartige Kombination aus Technik, ein wenig echtem Abenteuer und Sauf-Kameradschaft mehr reizt.
Aufgezwungene Neusprech
Würde man die Menschen nach einer verbindlichen Sprache befragen, hätten Gender-Formulierungen nicht den Hauch einer Chance. Sowohl wegen der Sprechverhunzung als auch weil die Menschen Rollenmodelle ganz unabhängig von der Sprache für gut befinden. Jedermann möchte, wenn er einen Feuerwehrmann braucht, eher männliche Attribute am Werk sehen, und wenn er eine Krankenschwester braucht, eher weibliche – ganz unabhängig davon ob der Handelnde nun tatsächlich Mann oder Frau ist. Oder irgendetwas dazwischen. Oder unentschlossen. Das darf gerne deren Privatsache bleiben.
Die Unabhängigkeit von Genus und Geschlecht ermöglicht uns eine klare Sprache. Nicht immer ganz logisch – das Mädchen – aber virtuos einsetzbar. Und auch Rollenmodelle haben ihre notwendige Existenzberechtigung, weil sie den status quo der biologischen und gesellschaftlichen Entwicklung widerspiegeln. Das muss keineswegs immer gleich bleiben. Das lässt sich aber auch nicht verordnen. Und selbst wenn, dann ist eine verordnete Evolution unvereinbar mit einer freiheitlich, demokratischen Grundordnung. Da kann nur Huxleys Albtraum der schönen neuen Welt dabei herauskommen.
Würde die Theorie, die Sprache bestimmt das Sein, richtig sein, wäre die Einführung „gendergerechter“ Sprache manipulativer Totalitarismus. Stimmt die Theorie nicht, ist es mühseliger Unsinn.
Umso erschreckender dann aber diese Verbindlichmachung durch die Hintertür. Über Prüfungsanforderungen im Bildungsweg ist es besonders perfide. Aber auch andernorts sind die Einfallstore schon sperrangelweit auf. Mächtige Sprachgestalter wie das Fernsehen haben sie aufgeschwenkt. „‚Die Eine oder Andere‘ klingt bunter als ‚so mancher‘“, meint das ZDF in der Broschüre „Fair in der Sprache“ und nennt solche Beschneidung des Wortschatzes „originelle“ Formulierungen. Und dann wird der Index aufgemacht: Fürderhin verpönt sind zum Beispiel Fachmänner, Experten, Vertrauensmänner, Studioleiter, Personalvertreter, Parlamentarier, Zuschauer, Teilnehmer, Referenten, Vertreter, Herausgeber, Partner, Mitarbeiter, jeder, man, keiner … Ein trostloser Kahlschlag.
Wer sich entzieht, ist unfair
Und wenn auch unsere Hochschulen vielleicht noch nicht ganz so weit sind, dass solche Sprachbeschneidungen notenrelevant sind, hat doch inzwischen jede einen entsprechenden Leitfaden entmannter Formulierungen. Damit werden alle, die sich nicht daran halten, in die unmoralische Ecke gestellt. Wer nicht „fair“ oder nicht „gerecht“ formuliert – so die durchgängige Terminologie –, muss ja nachgerade unfair und ungerecht sein. Mit zunehmender Machtergreifung der Gleichstellungsbeauftragten wird sich das früher oder später per universitärer political correctness auch auf die Beurteilung der Studenten auswirken. Und wie sehr so manche Gleichstellungsbeauftragte bereits die Fäden in der Hand hat, zeigt exemplarisch ein aktueller Fall an der Universität Passau: Eine Gaudi-Veranstaltung der Sportstudenten, die Prämierung eines Fensterl-Königs, musste abgesagt werden, weil das – urbayerische Tradition hin oder her – „gegen das Gleichstellungskonzept“ der Uni verstoße und Frauen „zum Objekt degradiere“. Oje.
„Warum dürfen Frauen nicht zu Steinigungen“, fragt Brian bei Monty Python seine Mutter. „Weil es geschrieben steht“, antwortet sie. Ein Mann, Terry Jones, spielt die Mutter, die sich im Film mit einem Bart verkleidet, um mit dem anderen „Weibsvolk“ zum Steinigen zu gehen. Obwohl es anders geschrieben steht. Das ist äußerst witzig, wenn sich die aufgeregte, doppelt verkleidete Weiberbande dann ständig zwischen „er war’s“ und „sie war’s“ verhaspelt. Was will ich damit sagen? Ein wenig mehr Lockerheit im Umgang mit Sprache und Geschlechterrollen würde meines Erachtens viel mehr Gutes bewirken als so überreizte Korrektheit allerorts.