Das kulturgeschichtlich ausgebildete Sprachgefühl unterscheidet zwischen dem, was einfach vorhanden und da ist, und Zugehörigkeit, die immer eine sachliche Wesensverbundenheit ausdrückt. «Zu mir gehört mein Rasenmäher»: das meint eben mehr, als dass ich auch einen Rasenmäher habe, der irgendwo herumsteht: nämlich, dass das Rasenmähen zu meinem wesentlichen Sein gehört und man mich ohne dies gar nicht verstehen kann. Gehört der Hausmeister zum Institut für physikalische Grundlagenforschung? – Nein; er arbeitet dort; zugehörig sind ihm nur die Kräfte, die sein wesentliches Sein – eben die physikalische Grundlagenforschung selbst – ausmachen. Was mir «zugehörig» ist, daraus bestimmt sich mein lebendiges Dasein, weil es wesentlich nur durch dieses ist, was es faktisch ist. Im weiteren kulturgeschichtlichen Sinne ist «Zugehörigkeit» eine Sache der faktischen Feststellung geschichtlicher Kulturgenese: Sie bezeichnet alle konstitutiven Momente der geschichtlich erzeugten Identität einer Gemeinschaft, aus der heraus als dem ganzen Reichtum ihrer kulturellen Überlieferung sie ihr Weltverhältnis entfaltet. Sie ist ein Begriff geschichtlich (schon) konstituierter Identität – und keine Absichtserklärung auf die Zukunft oder gar ein Dekret zur Aufnahme in eine WG.
Nirgends ging der Islam und seine Kultur in die konstituierende Bildungsgeschichte Europas ein, aus der sich sein Weltverständnis und seine Daseinsverhältnisse bestimmen. Was als interkulturelle Inspiration in Wissenschaft & Philosophie, der dekorativen Mosaikkunst, Architektur und Musik Eingang fand, sind – wie aus anderen Kulturregionen – Anverwandlungen ins Eigene, die ihm gegenüber gerade ein Anderes, Unzugehöriges bleiben – sonst hätten sie nicht ihren «exotischen Reiz», wie türkisch-orientalische Bäder, afrikanische Skulpturen, chinesische Pavillons oder japanische Teestuben. Ästhetische & geistige Anregungen konstituieren keine neue und andere kulturgeschichtliche Identität; zumal sie von islamischer Seite ohnehin nie ethisch-religiöse Kerngehalte betrafen – im Unterschied etwa zur Rezeption indischer und fernöstlicher Kulturmomente (Yoga, Meditation, Zen, Akupunktur u.a.).
Unter den territorialen Bedingungen europäischer Kultur ist der Islam eine reine Import-Religion, d.h. eine solche, die weder aus der religiösen Welterfahrung ihrer Völker hervorging, noch durch massenweise Bekehrung zu ihrem Daseinsverständnis wurde, sondern durch den externen Zuzug von Menschen muslimischen Glaubens eingeführt wesentlich eine «Migrantenreligion» bleibt, die sich ganz auf diese bestimmte Bevölkerungsgruppe und ihre Nachkommen begrenzt – und sich im liberalen, religionsprivativen Umfeld dieser Anderen selbst ausgrenzt. Deshalb bleibt auch die reduziertere Formulierung, die Muslime gehörten zu Europa oder Deutschland, nicht nur eine sprachliche Verwirrung von Vorhandenheit und Zugehörigkeit, die aus dem Bildungsdefizit kulturgeschichtlichen Bewußtseins herrührt. Sie bekundet eine verfehlte Betulichkeit vorauseilender Inbesitznahme, die durch politisches Verordnungsdenken zu harmonisieren sucht, was in seiner Gegensätzlichkeit gar nicht ausgetragen und nur übertüncht wird.
Genau damit aber erzeugt er eine neue gesellschaftliche Spaltung innerhalb der eigenen Bevölkerung, die noch genug kulturgeschichtlich ausgebildetes Sprachgefühl haben, um sich gegen solche Verlogenheiten zur Wehr zu setzen. Verlogenheit ist kontraproduktiv – zumindest soviel sollte man mittlerweile auch in den politischen und medialen Etagen gemerkt haben.
Und noch eines: Kulturgeschichtliche Identität impliziert immer die Wechselseitigkeit ihrer Momente. Gehört der Islam zu Europa, dann gilt umgekehrt auch: Europa gehört zum Islam. Das aber hat noch keiner zu sagen gewagt – außer Islamisten, die ihre hegemonialen Eroberungsabsichten auf die Zukunft Europas verkünden – Europa gehöre dem Islam. Können die Europäer ihre Zugehörigkeit zur islamischen Kultur wollen?
Rudolf Brandner ist Publizist und Philosoph.