Tichys Einblick
Teil 2 | Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte

Erbschaftssteuerreform: Schere im Kopf

Erst unter den richtigen Vorzeichen kann etwas an sich Unschuldiges wie das Erben und Vererben überhaupt erst zum Zankapfel einer Neiddebatte werden. Man muss sich einiges zurechtlegen, um Erbschaften und Schenkungen für ungerechtfertigt zu erklären.

Unternehmer-Demo im vergangenen Bundestagswahlkampf: Jetzt geht es Familienunternehmern per Erbschaftssteuer doch an den Kragen.

Im ersten Teil dieser kleinen Serie zur neidischen Grundsatzdebatte rund ums Vererben und Verschenken, die entlang der Erbschaftsteuer-Reform derzeit dauerhaft schwelt, wurden bereits einige allgegenwärtige Hirngespinste ausgestöbert: leistungsloser Erwerb, unverdientes Vermögen, dass Erben die Menschen verdirbt und dass durch mehr Umverteilung Chancengleichheit bewirkt werden könnte – alles eingängig klingende, aber haltlose Hypothesen. Hier lesen Sie Teil 1 der Serie. Im zweiten Teil nun ein Blick auf die genauso trügerischen Axiome der Erben-ist-ungerecht-Fraktion.

Erben und vererben ist verwerflich

Denn ohne solche Axiome wäre die Debatte gar nicht zu führen. Erst unter den richtigen Vorzeichen kann etwas an sich Unschuldiges wie das Erben und Vererben überhaupt erst zum Zankapfel einer Neiddebatte werden. Man muss sich einiges zurechtlegen, um Erbschaften und Schenkungen für ungerechtfertigt zu erklären. Beziehungsweise man muss sich einiges einreden lassen. Wenn Menschen, die einem vollkommen fremd sind, anderen vollkommen fremden Menschen etwas vermachen, kommt ja eigentlich niemand von alleine darauf, sich selbst damit irgendwie in Verbindung zu bringen, geschweige denn, sich darüber zu ärgern. Eigentlich doch eine schöne Vorstellung, dass man in einer Welt lebt, in der Menschen anderen etwas schenken. Ja, eine schöne Welt, in der man etwas hinterlassen kann. Gut, im näheren Umfeld gibt es vielleicht mal jemanden, dem man es nicht gönnt, dass er etwas geschenkt bekommt, weil man ihn für einen schlechten Menschen hält. Und auch gut, vielleicht ist man auch mal neidisch, weil jemand etwas hat, was man auch gerne hätte. Aber selbst da würde man sich deswegen noch lange nicht im Recht fühlen, dem anderen das dann einfach wegzunehmen. Man hadert gerne einmal mit seinem Schicksal, aber man macht das nicht zum Leitbild des gesellschaftlichen Miteinanders.

Die erste und wohl wichtigste Rechtfertigung für die Umverteilung von Vermögen überhaupt ist die vorgeblich ewig immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich. Wie sehr das ideologischer Kampfruf ist und wie wenig Tatsache, zeigt die Causa Thomas Piketty. Was ging nicht beim Erscheinen seines neuen „Das Kapital (im 21. Jahrhundert)“ für ein Seufzer der Erleichterung durch alle linken Lager: endlich ein wissenschaftlicher Beweis für die seit Jahrzehnten nur gefühlte Schere. Allein mit dem Gewicht von über 800 Seiten nahm er die Wahrheit für sich in Anspruch. Die Wirklichkeit darin aber war eklatant gebeugt. Er hat statistische Reihen zurechtgeschnitten, gewagte Bewertungen vorgenommen, bestehende Umverteilungen außen vor gelassen, den demografischen Wandel missachtet und er hat uns vor allem brutto für netto verkauft, das heißt Abschreibungen und Rückstellungen für Ersatzinvestitionen unterschlagen. Derart unlauter, dass selbst der fraglos eher links-gelagerte Wirtschaftsweise Peter Bofinger zu Protokoll gab: „Würde ich feststellen, dass meine Theorie und meine Zahlen dermaßen auseinandergehen, hätte ich schlaflose Nächte.“

Teil 1 | Warum Erben gerecht ist – Schluss mit der Neiddebatte
Erbschaftssteuerreform: Eine angezündelte Debatte

Kapital und Arbeit haben vom stetigen Wirtschaftswachstum nach dem zweiten Weltkrieg gleichermaßen profitiert. Der Wohlstand für alle wächst beständig. Sogar über die jüngsten Krisen – Dotcom-Blase, Subprime- und Euro-Staatsverschuldungs-Krise – hinweg. Der Median des Nettoäquivalenzeinkommens pro Kopf ist zum Beispiel zwischen 1995 und 2013 von 13.439 Euro auf 19.582 Euro gestiegen. Die Ungleichheit zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen – etwa mit dem Gini-Koeffizienten gemessen – ist derweilen ziemlich konstant geblieben und liegt im internationalen Vergleich im guten Mittelfeld.

Ungleiche Verteilung?

Wobei solche Ungleichheitsmaße genauso wie unsere unsägliche relative Armutsdefinition nicht wirklich etwas über die breite Wohlfahrt aussagen. Im OECD-Vergleich hält zum Beispiel Slowenien beim Gini-Koeffizienten den Spitzenplatz. Der durchschnittliche Nettoverdienst in Slowenien ist aber gerade einmal etwas mehr als ein Drittel des deutschen. Die Slowenen sind also tatsächlich alle gleich arm.
Betrachtet man ganzheitlichere Indizes der Wohlfahrt, die sowohl das absolute Niveau als auch die Ungleichheit berücksichtigen, wie den Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) der Vereinten Nationen erkennt man die echte Tragweite des herrschenden Wohlstands in Deutschland. Hinter Norwegen, Australien, den Niederlanden und der Schweiz liegen wir auf dem fünften Platz weltweit. Und der Wert verbessert sich seit 1980 laufend, mit im Vergleich zu den anderen Spitzenplätzen besten jährlichen Steigerungsraten.

Es gibt keine besondere Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland und sie klafft schon gar nicht immer weiter auf. Wenn dann trotzdem heute Wohlfahrtsverbände zur eigenen Rechtfertigung der Existenz genauso faktenwidrig wie geschichtsvergessen verlautbaren „noch nie war die Armut in Deutschland so hoch“, dann ist das kein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, sondern für deren armselige Ideologie. Jeder kann sich bei uns ohne Probleme sein Vermögen selber verdienen. Wenn er will.

Unterschiedliches Wollen und auch unterschiedliches Können und freilich auch Glück und Pech und sonstige Zufälle führen dann unweigerlich zu unterschiedlichen Vermögen. Wenn aber die Einkommensentwicklung und -verteilung nicht zu beanstanden ist, kann kein daraus gebildetes Vermögen ungerecht sein. Die Vermögensverteilung ist dann moralisch irrelevant. Im Gegenteil: Bei mühselig und entbehrungsreich verdientem Vermögen wäre es nachgerade unmoralisch, die öffentliche Hand daran zu legen.

Unterschlagen darf man bei der Vermögensverteilung zudem nicht die soziale Absicherung. Bei sozialabgabenpflichtigen Angestellten müssten eigentlich die Kapitalwerte der staatlichen Sozialversicherung zum Vermögen gezählt werden, die bei Selbständigen fehlen. Und man darf nicht vergessen, dass man gerade von größeren Vermögen selten unmittelbar abbeißen kann. Durch die Kapitalstockbildung und Investition in produktiven Anlagen ist eine Spreizung der Vermögensverteilung im Hinblick auf unterschiedliche unternehmerische Risikobereitschaft sogar gesellschaftlich nützlich und wünschenswert. Bei unseren Familienunternehmen ist das Geld allemal besser aufgehoben als in der Umverteilungsmaschinerie des Staates.

Vorgebliche Armut – nur als relative Armut überhaupt konstruierbar – und die genauso vorgeblich immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich lösen sich bei genauerer Betrachtung in allgemeiner Wohlfahrt auf. Und damit das Fundament jeder Fraktion, die eine moralische Notwendigkeit zur Besteuerung von Erbschaften oder Vermögen reklamiert. Aber man hat vorgebeugt und noch ein Weichmacher-Axiom ergänzt: soziale Gerechtigkeit.

Unter dem Deckmantel der ehrenwerten Motivation, „soziale“ und „gerechte“ Politik betreiben zu wollen, wird in den allermeisten Fällen aber nur der pure Sozialismus verborgen: ungleich ist gleich ungerecht. Ohne eine Einordnung, welches Handeln tugendhaft und zukunftsträchtig oder eben nicht zu beurteilen ist, heißt „soziale Gerechtigkeit“ nur schrankenlose Gleichmacherei. Ein Horrorszenario für jeden, der sich noch ein wenig Freisinn erhalten hat. Unter solcher Ägide wurden bei den Jakobinern die Köpfe abgeschlagen.

Mit der Idee des Egalitarismus lassen sich freilich massive staatliche Eingriffe ins individuelle Eigentum begründen. Das muss man den Menschen dann aber auch so sagen und darf nicht hohle moralische Floskeln vorschürzen. Und man muss dann bereit sein, sich entsprechend demokratisch abstrafen zu lassen. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass bei uns Leistung, Eigentum und Verdienst nach wie vor eine ethisch hohe Bedeutung haben.
Solche und weitere Überlegungen des Autors sind im September 2015 unter dem Titel „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“ im FinanzBuch-Verlag erschienen.

Für TICHYS EINBLICKE fasst Maas eine Reihe von Denkanstößen daraus zu einer kleinen Serie zusammen. Im dritten Teil wird es um Subsidiarität und Steuergerechtigkeit gehen.

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