Beinahe ein dreiviertel Jahrhundert soziale Marktwirtschaft, stabile Rechtsstaatlichkeit und vor allem Frieden haben in Deutschland Wohlstand für alle geschaffen und die Vermögen wachsen lassen. Nun stehen nach und nach zahlreiche und ganz beachtliche Erbschaften der Nachkriegsgenerationen an. Grund genug, für so manche neidisch nachzufragen, ob das denn eigentlich gerecht wäre?
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 17.12.2014 bietet dazu gerade einmal wieder den passenden Aufhänger. Bis Juni 2016 muss der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer reformieren. Eigentlich dreht es sich dabei nur um eine ordentlichere Ausgestaltung der anerkannten Begünstigung von Betriebsvermögen zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Familienunternehmen, aber was schert das die Neidzündler.
Eine hitzige Gerechtigkeitsdebatte wurde da Ende letzten Jahres entfesselt, die seit dem schwelt und entlang dem Gesetzgebungsverfahren immer wieder hochlodert.
Man munkelt von leistungslosem Erwerb und Chancenungleichheit. Viele Medien bauschen auf und fragen rhetorisch „Große Erbschaften – Werden nur die Reichen immer reicher?“ (Anne Will), „Nachlasswelle in Deutschland – Ist Erben ungerecht?“ (taz) oder sie sind sich sicher „Erben ist ungerecht“ (SZ) und fordern Erblasser und Erben gar auf: „Hört auf zu jammern!“ (Die ZEIT).
Es ist wirklich beachtlich, mit welchen Kalibern haltloser Behauptungen da ganz schamlos gefochten wird. Das „unverdiente Vermögen“ ist zum Beispiel ein Diktum, das in keiner Erbschaftsteuer-Diskussion fehlen darf. Allein durch die zahllose Wiederholung wird das eingängige Schlagwort aber keinen Deut richtiger. Mit welcher Messlatte wollen denn die selbsternannten Moralapostel, die urplötzlich und scheinheilig das hohe Lied der Leistungsgerechtigkeit für sich entdeckt haben, den Verdienst messen? Wie bewertet man unzähliges Zutun oder Verzichten der Begünstigten bei der Vermögensbildung der Erblasser / Verschenker? In Kleinbetrieben findet zum Beispiel kaum fassbar viel unentgeltliche Mitarbeit von Familienmitgliedern statt, mittelbar und unmittelbar zum Gedeihen des Unternehmens. Wie bewertet man Übereinkommen immaterieller Gegenleistungen? Genauso selbstverständlich wie in vielen Familien für die nächste Generation vorgesorgt wird, wird sich dort oft auch um den Lebensabend der Nachlasser gekümmert. Wie bewertet man, wenn mit einem Betriebsvermögen auch die moralische Bürde der sozialen Verantwortung für Mitarbeiter und in der Region vermacht wird? Und selbst wenn jemanden ein Vermächtnis wirklich aus heiterem Himmel erreicht: Warum sollten wir in einer freien Gesellschaften einem sein Glück neiden?
Schon dieser ganz kurze Aufriss macht deutlich, wie überaus unsinnig das Gerede von „unverdientem Vermögen“ und „leistungslosem Erwerb“ ist. Und das ist beileibe nicht der einzige blanke Unsinn in der Erbschaftsteuer-Diskussion. Ein ganzes Buch hat die Journalistin Julia Friedrichs darüber geschrieben, dass angeblich Erbschaften die Menschen verderben. Eine zurechtgeschusterte Beispielsammlung für diese billige These hat für eine Einladung bei Jauch ausgereicht oder zu einer Titelgeschichte im ZEIT-Magazin. Hochgejubelt wegen Quintessenzen wie: „Je mehr Erben ich treffe, desto klarer schiebt sich aber ein neuer Gedanke davor: Wäre es vielleicht auch im Sinne der Erben, wenn ihnen alles genommen würde?“ – Ist Ihnen so etwas auch schon mal in den Sinn gekommen, wenn Sie mit Erben zusammentreffen? Nein? Mir auch noch nicht. Noch nie. Und alle Erben die ich kenne – und ich kenne schon allein durch mein langjähriges Engagement beim Verband der Familienunternehmer wirklich viele – alle würden, wenn ich ihnen so etwas vorhielte, eher mich zwangseinweisen, als selber ins Grübeln zu geraten. Alle.
Einigen Neidern ist die eigene Missgunst allerdings durchaus noch ein wenig peinlich. Deswegen projizieren sie ihre Begehrlichkeiten lieber auf andere. So kam die Chancengerechtigkeit in die Erbschaftsteuer-Debatte. Aus dramaturgischen Gesichtspunkten gerne auch mit Chancengleichheit betitelt. Das klingt besser. Ist aber zu Ende gedacht blanker Horror. Zu Ende gedacht bedeutet Chancengleichheit eine zwangskollektivierte Retortengesellschaft mit einheitlich fabriziertem und konditioniertem Nachwuchs. Mir graut vor so einer Vision einer schönen neuen, chancengleichen Welt.
Aber schon die Chancen-Gerechtigkeit ist im Zusammenhang mit dem Erben nur ein unlauteres Spiel mit der wohlwollenden Anmutung von „Chance“ und „gerecht“. Man mimt den Bildungs-Robin-Hood. Man schürzt eine Zweckbindung der Besteuerung vor und will es den vermeintlich Reichen nehmen, um es den vorgeblich armen Schulkinderlein zugutekommen zu lassen. Damit das nicht nur märchenhaft, sondern auch sinnhaft klingt, muss einmal mehr eine ziemlich unbelegte, aber populistisch simple Behauptung herhalten: „Der Bildungserfolg hängt vom Geldbeutel der Eltern ab.“
Wenn das aber stimmen würde, könnte dann jemals eine Gesellschaft aus einer materiellen Krise wieder entkommen? War es nicht in der Geschichte zumeist umgekehrt, dass die materielle Not der beste Antrieb für das höchste Bemühen war? Was hier geschickt betrieben wird, ist das mehr oder weniger absichtliche Verwechseln von Korrelation und Kausalität. Es ist die Frage nach Henne und Ei: Können Eltern, die materiell schlechter gestellt sind, deswegen ihre Kinder schlechter unterstützen, oder sind Eltern, die ihre Kinder schlechter unterstützen, in der Regel auch materiell weniger erfolgreich?
In Wirklichkeit sind die Motivation und das Wollen die überragenden Faktoren für Bildungserfolg. Wissensdurst, Bildungshunger und Streben nach Unabhängigkeit. Ordentlicher zwischenmenschlicher Umgang, Fleiß, Konzentration, das angemessene Verhalten gegenüber Autoritäten und Pflichtbewusstsein genauso wie Neugierde, Aufgeschlossenheit und Wissensdurst sind Tugenden, die in hohem Maße über den Bildungserfolg der Kinder entscheiden. Es sind Tugenden, die maßgeblich vom Elternhaus mitgeprägt werden (können). Eine Mitgift, die keinen Cent kostet.
Solche und weitere Überlegungen des Autors sind im September 2015 unter dem Titel „Warum Erben gerecht ist: Schluss mit der Neiddebatte“ im FinanzBuch-Verlag erschienen (ISBN 978-3-89879-942-5).
Für TICHYS EINBLICKE fasst Maas eine Reihe von Denkanstößen daraus zu einer kleinen Serie zusammen. Im zweiten Teil wird es um die Axiome der Neiddebatte gehen: die ewig immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich und die wachsweiche soziale Gerechtigkeit.
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