Schon im Flugzeug geht es los. Wie immer freut man sich auf den Urlaub. Auf etwas Neues, Schönes. Einfach nur die Seele hängen lassen. Mit den Kindern im Gepäck. Für sie ist Fliegen immer noch etwas Besonderes.
Aber irgend etwas ist diesmal anders als sonst. Es ist erst nur ein Gefühl, das sich fast unbemerkt einschleicht. Mann und Frau merken es nicht gleich, weil sie beschäftigt sind. Mit Einräumen, mit den Sonderwünschen der Juniors. Und immer ein bisschen auch mit sich selbst.
Es ist lauter hier als sonst, als bei den früheren Besuchen. Und es ist irgendwie wirrer – so jedenfalls ist unsere Empfindung. Sie stimmt. Dann merken wir warum. Es ist das Publikum. Es ist lauter und irgendwie stressiger als sonst und anderswo.
Wir flogen nach Antalya. In ein uns bekanntes Resort. Bekannt für ein sehr europäisches Ambiente, für besten Service mit allen internationalen Zeitungen, WLAN und all den anderen Angeboten, die man von einem Spitzenresort erwartet. Doch diesmal gefällt es uns nicht. Nein, das Anwesen ist sehr gut geführt und hält jeden internationalen Vergleich. Vielleicht unterhalb vom Burj al Arab oder dem Hyatt Capital Gate. Aber das sind Ansprüche, die man an der türkischen Riviera nicht erwartet.
Es ist das Publikum, das uns verstört. Früher war es hier international. Man freute sich, Menschen von sonstwo und aus tausend und einer Nacht zu treffen.
Die Kinder merken es als erste. „Mama, sind das alles Türken?“ Wir schauen uns um und es sieht tatsächlich so aus. „Sprechen alle Türken so gut deutsch?“, kommt die nächste Frage. Nein das können viele Türken, aber oft nicht so gut. Und in dieser Konzentration wirkt es unheimlich.
Die Atmosphäre an der Bar wie am Strand ist gereizt. Nein wir sind gereizt, denn was wir erleben, ist distanzlos. Meine Frau wird angemacht, bestimmt nicht nur, weil sie langes, schönes naturblondes Haar hat. Auch die Kinder – sonst immer für Neues zu haben – fühlen sich belästigt. Nicht nur von anderen Kindern, die es reichlich gibt, sondern von sich vordrängelnden, vorlauten und ständig maßregelnden Unbekannten. Von Erwachsenen – auf Deutsch.
Plötzlich ganz anders
Es ist dieses Lärmende, die Distanzlosigkeit, die permanente Penetranz des Aufdringlichen, was uns den Urlaub vermiest. Erst so langsam verstehen wir, wo wir sind. Es ist nicht mehr das uns bekannte Resort. Es sieht nur noch so aus. Das ist eine Absteige für die Deutschtürken, die Erdogans Aufruf gefolgt sind, Urlaub in der Türkei zu machen und dafür die Flugreise gesponsert bekommen; als Erdogans nationaler Rettungsplan sozusagen, um in den Urlaubsgebieten überhaupt noch Betrieb zu haben.
Wir haben uns natürlich vorher Gedanken gemacht, ob wir wirklich wieder in die Türkei fahren sollten. Aber alles war geplant und bezahlt und wir wollten Freunde aus einigen Ländern wiedersehen. Doch die hatten, wie wir zu spät erfuhren, zuvor bereits alle abgesagt.
Wir werden den Gedanken nicht los, dass diese Deutschtürken, mit denen wir in Deutschland gut und gern zusammenleben, in deren Gasthäuser wir gehen und die uns am Bankschalter gut beraten oder mit denen wir feiern oder kollegial vertrauensvoll zusammenarbeiten, hier anders sind als zuhause in Deutschland.
Vielleicht liegt es an diesem penetrant türkischen Patriotismus, der uns allenthalben entgegenschlägt. Vielleicht liegt es einfach an der puren Anzahl jener, die Erdogans Ruf gefolgt sind. Vielleicht ist es einfach die Situation, die so ganz anders ist als bei unseren früheren Aufenthalten. Vermutlich ist es eine Mischung von allem.
Auch den Kindern – der Junge ist schon politisch sehr wach – macht der Urlaub immer weniger Spaß. Wir bleiben unter uns. Wir sind von deutschsprachigen Menschen umgeben – aber wir sind allein. Und so bleiben wir lieber unter uns.
Antalya ade
Am meisten aber ärgert uns, je länger wir hier sind, die Art, wie unsere deutschtürkischen Mitbürger mit ihren eigenen Landsleuten im Service, mit dem Personal umgehen. Sie sind fordernd, unhöflich und nicht selten aggressiv. Sie behandeln die Mitarbeiter des Hotels wie Kulis.
Im Gespräch mit dem Hotelmanager, einem Österreicher, der, wie er berichtet, bereits zwei Anlagen hat schließen müssen, zuckt dieser nur mit den Schultern. Er sagt: „Ja so is es halt, woos koon i do scho moochn?“
Auch wir werden nicht mehr wiederkommen. Den Menschen dort in diesem kranken Land wünschen wir alles Gute auch ohne uns. Und unseren türkischstämmigen Landsleuten aus Deutschland, die sich im Urlaub benehmen wie die Proleten am Ballermann? Was sollen wir denen wünschen? Uns fällt nichts ein.
Ralph-Jörn Krüger war das letzte Mal an der türkischen Riviera auf Urlaub.