Tichys Einblick
Sogenanntes Dieselprivileg

Eine Ampel gegen Subventionsschummeleien

Die Diskussion um das „Dieselprivileg“ verweist oft auf die Subventionstabelle des Umweltbundesamtes. Dabei handelt es sich um ein Paradebeispiel irreführender Kommunikation unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit. Zeit für eine Subventionsampel für mehr Durchblick im Abgabendschungel. Von André D. Thess

Eine Tankstelle am 22.11.23

IMAGO

Liebe Zigarrenraucher, wussten Sie schon, dass Sie Subventionsritter sind? Zigarettenraucher führen für jede Zigarette 11,15 Cent Tabaksteuer an den Staat ab. Zigarrenfans pro Zigarre hingegen nur 1,4 Cent. Welch ein Skandal! Wo bleibt die öffentliche Empörung über das Zigarrenprivileg? Eine Cohiba stößt mehr schädliche Partikel aus, als eine Marlboro. Handelt es sich womöglich nicht nur um ein Privileg, sondern gar um eine umweltschädliche Subvention? Wo bleibt die Stellungnahme des Umweltbundesamtes UBA?

Subventionen: Dichtung und Wahrheit

Das Beispiel wirft ein Schlaglicht auf die Schwammigkeit des Subventionsbegriffs und seinen manipulativen Gebrauch in öffentlichen Debatten. Besonders deutlich wird dies an den aktuellen Diskussionen über das sogenannte Dieselprivileg. Die Energiesteuer für Diesel ist niedriger als für Benzin. In der Tabelle des UBA mit dem Titel „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland im Jahr 2018“ taucht die Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff mit einem Betrag von 8,202 Milliarden Euro auf. Im gleichen Dokument findet sich auch die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer mit 8,357 Milliarden Euro. Für eine sachgerechte Diskussion muss vor diesem Hintergrund zunächst die Frage beantwortet werden: Was ist eigentlich eine Subvention?

Der Begriff der Subvention wird in der Fachliteratur uneinheitlich definiert und je nach Berufsgruppe – Juristen oder Ökonomen – unterschiedlich streng interpretiert. Für Laien ist es deshalb erhellend, vermeintliche oder tatsächliche Subventionen nach einem Ampelschema zu ordnen: rot für eine eindeutige Subvention, gelb für uneinheitliche Sichtweisen und grün für Festlegungen, die unverständlich oder ärgerlich sein mögen, aber keine Subventionen sind. Um es vorwegzunehmen: Man kann das vermeintliche Dieselprivileg und die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer durchaus kritisieren. Um Subventionen im juristischen Sinne handelt es sich jedoch nicht.

Farbe Rot: Echte Subventionen

Beginnen wir mit den eindeutigen Fällen – nach meiner Nomenklatur mit der Farbe Rot. Juristen verstehen unter Subventionen Zuwendungen des Staates an Haushalte oder Unternehmen, die nicht an eine direkte Gegenleistung gebunden sind. Statt direkt könnte man auch abrechenbar sagen. Ein Veteran unter den Subventionen ist der Kohlepfennig. Er wurde von 1974 bis 1995 als Aufpreis auf die Stromrechnung erhoben. Nachdem er vom Bundesverfassungsgericht 1994 als verfassungswidrige Sonderabgabe eingestuft wurde, erfolgte von 1996 bis 2018 eine direkte Bezahlung aus dem Bundeshaushalt. Der kumulierte Betrag soll bei über 100 Milliarden Euro gelegen haben.

Aktuelle Beispiele für echte Subventionen sind die Förderung des Kaufs von Elektroautos, Landwirtschaftssubventionen sowie die Zahlungen im Rahmen des Erneuerbare Energien Gesetzes EEG. Letztere wurden, ähnlich dem Kohlepfennig, im Jahr 2022 umetikettiert und werden seither aus dem Staatshaushalt bezahlt. Zuweilen wird ins Feld geführt, es handle sich bei einigen Subventionen nicht um echte Subventionen, weil als Gegenleistung für die Zahlungen des Staates Zusatznutzen gestiftet werde. Dies seien etwa Luftreinhaltung durch Elektroautos, Landschaftspflege durch Landwirtschaftssubventionen und Klimaschutz durch EEG. Solch eine Argumentation ist nicht stichhaltig, weil es keine willkürfreie Berechnungsmethode für den vermeintlichen Zusatznutzen gibt. In der UBA-Subventionstabelle sind die roten Subventionen eine Minderheit.

Farbe Gelb: Grenzfälle

Neben den eindeutigen Fällen der Kategorie Rot gibt es eine beträchtliche Zahl an Zuwendungen und Vergünstigungen, deren Bezeichnung als Subvention zwischen Juristen und Ökonomen strittig ist. Diese ordne ich in die Kategorie Gelb ein. Die prominentesten Vertreter sind Steuervergünstigungen wie etwa reduzierte Mehrwertsteuersätze auf Taxifahrten, Blumen, Restaurantbesuche und Lebensmittel. Der vermutlich prominenteste Running Gag aus der Kategorie Gelb ist der verringerte Mehrwertsteuersatz für Trüffel – 7 statt 19 Prozent. Die Absenkung des Kilopreises von beispielsweise 1190 Euro auf 1070 Euro erlaubt dem verarmten Landadel sowie prekär vergüteten Firmenvorständen einen sozialverträglichen Zugang zum Grundnahrungsmittel Pasta al Tartufo. Übertriebener Sarkasmus ist angesichts nachvollziehbarer innerer Logik freilich unangebracht: Der reduzierte Satz gilt nämlich nicht nur für Trüffel, Froschschenkel, Wachteleier und Schildkrötenfleisch, sondern generell für unverarbeitete Lebensmittel. In die Kategorie Gelb gehören die in der UBA-Tabelle genannte Entfernungspauschale mit 6,0 Milliarden Euro und die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen mit „mindestens 3,1 Milliarden Euro“.

Für eine Einordnung als Subvention spricht die Sichtweise, dass die Vergünstigung einer bestimmten Personengruppe zu Gute kommt und der Rest der Steuerzahler die finanzielle Last trägt. Gegen den Subventionsbegriff lässt sich ins Feld führen, dass es in einem System ohne einen einheitlichen Wert für Abgaben und Steuern schwierig ist, zwischen Begünstigung durch verringerte und Benachteiligung durch erhöhte Steuersätze zu unterscheiden. „Kosten für die An- und Abreise zum Arbeitsort sind notwenig, um Lohn und Gehalt erzielen zu können. Solcher Aufwand muss also wie Dienstkleidung oder Werkzeug in Abschlag gebracht werden um das verfügbare und besteuerbare Einkommen zu ermitteln. Die Pauschalierung nach Entfernung und Fahrzeug erleichtert der Behörde wie dem Besteuerten die Arbeit. Ein Fahrtenbuch wäre zwar genauer – aber unverhältnismäßig höherer Aufwand für Bürger und Finanzamt. Also changieret die Pendlerpauschale ins Grün.

Meines Erachtens wird die Einordnung gelber Sonderregeln als Subvention umso eindeutiger, je einheitlicher der Steuersatz ist und je weniger Ausnahmen es gibt. Angenommen, für alle Waren und Dienstleistungen außer dem zitierten Trüffel würde in Deutschland die gleiche Mehrwertsteuer erhoben. Dann könnte der reduzierte Mehrwertsteuersatz für das Edelgemüse guten Gewissens als Subvention betrachtet werden. Doch je mehr Ausnahmen es gibt, so wie im deutschen Abgabendschungel, desto weniger zutreffend scheint der Subventionsbegriff zu sein. Es sei denn, die Medien stellen die Begünstigung durch Steuern unter dem Durchschnittswert der Benachteiligung durch Steuern über dem Durchschnittswert gleichberechtigt gegenüber.

Farbe Grün: Einträglich für den Staat, aber keine Subvention

Damit kommen wir zur Abgabenkategorie grün, bei der es sich nicht um Subventionen handelt. Regierungen erheben neben Einkommens- und Mehrwertsteuern Sonderabgaben auf Güter mit geringer Nachfrageelastizität. Dieser ökonomische Begriff beschreibt Waren und Dienstleistungen, deren Umsatz kaum vom Preis abhängt, weil sie entweder beliebt sind wie Tabak oder lebensnotwendig wie Energie. Befürworter solcher Abgaben führen staatliche Lenkungswirkungen ins Feld, beispielsweise um Bürger vom Rauchen abzuhalten. Kritiker schreiben ihren Regierungen hingegen Raubrittermentalität zu und lehnen die im Englischen als punitive tax („Strafsteuer“) bezeichneten staatlichen Einkommensquellen ab. Unabhängig von der Sichtweise wird beim Betrachten konkreter Steuersätze deutlich, dass die Zahlen von Willkür und Lobbyismus geprägt sind.

So verrät ein Blick in die Tabelle der Tabaksteuern, dass neben der eingangs erwähnten unterschiedlichen Besteuerung für Zigaretten und Zigarren Feinschnitttabak mit 54,39 €, Pfeifentabak mit 15,66 € und Wasserpfeifentabak mit 19,00 € pro Kilogramm (zuzüglich weiterer uneinheitlicher Aufschläge) besteuert werden. Es bedarf keines Spezialwissens im Steuerrecht, um zu erkennen, dass es sich angesichts des Fehlens einer einheitlichen Referenz-Tabaksteuer bei der niedrigeren Besteuerung von Pfeifen- und Wasserpfeifentabak gegenüber Feinschnitt nicht um Subvention, sondern um Willkür handelt.

Was für Tabaksteuern gilt, lässt sich auch bei den Energiesteuern beobachten, die einen beträchtlichen Teil der Beispiele in der UBA-Tabelle „umweltschädlicher Subventionen“ ausmachen. Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema ist ein kommunikativer Sündenpfuhl biblischen Ausmaßes, wie ein Blick auf Energiesteuern verdeutlicht. Schon im Jahr 2020 schrieb ich in meinem Buch „Sieben Energiewendmärchen?“: „Im Mai 2019 habe ich bei einer Recherche über deutsche Energiesteuern auf Brennstoffe die folgenden Zahlen gefunden: Benzin 7,4 Cent/kWh, Diesel 4,8 Cent/kWh, Erdgas 3,2 Cent/kWh, Heizöl 1,2 Cent/kWh. Würde ein Marsmensch in Deutschland landen und der Tatsache gewahr werden, dass der Steuersatz auf ein- und dieselbe Energiemenge um 617 % streut, würden ihn vermutlich schwere Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit deutscher Erdlinge beschleichen.“ Zusätzlich sei angemerkt, dass die Energiesteuer auf Kerosin 0 Cent/kWh beträgt.

Die Zahlen belegen, dass die Energiesteuer ein unabhängig von der Mehrwertsteuer willkürlich festgelegter Betrag ist. Anderenfalls müsste sie entweder einheitlich in Cent pro Kilowattstunde oder in Cent pro Kilogramm an emittiertem Kohlendioxid festgelegt sein. Die UBA-Subventionstabelle behauptet, es handle sich bei dem reduzierten Steuersatz für Diesel um eine „umweltschädliche Subvention“. Der Blick auf die zitierten Zahlen zeigt, dass diese Behauptung nicht haltbar ist. Gäbe es eine einheitliche Energiesteuer auf alle Energieträger und der Dieselkraftstoff wäre als einziger davon ausgenommen, könnte man diesen Fall vielleicht in die Kategorie Gelb einordnen. Da es jedoch keinen erkennbaren Grund gibt, die Maximalsteuer von Benzin als Referenzfall zu wählen, ist weder die geringere Besteuerung von Diesel, noch die Steuerbefreiung von Kerosin eine Subvention. Man könnte ebensogut die Dieselsteuer als Referenzbetrag betrachten und die höhere Steuer auf Benzin als Strafsteuer bezeichnen.

Als Zwischenfazit lässt sich formulieren, dass die Beispiele aus der vorgeschlagenen Ampelregelung – rot für die Elektroautoprämie, gelb für die Entfernungspauschale und grün für die Dieselsteuer als Priorisierungsrichtlinie bei der Abschaffung von Sonderregeln gelten könnten. Dabei erscheint es besonders wichtig, die Einseitigkeit bei der Benennung von Lösungsvorschlägen zu überwinden. Das Beispiel des Diesels kann dies besonders klar veranschaulichen.

Unabhängig davon, ob man die Steuerbefreiung von Kerosin und den Steuersatz von Diesel befürwortet oder kritisiert, lassen sich bei einer ganzheitlichen Sichtweise zwei grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Unterschiedlichkeit formulieren. Die in der Öffentlichkeit fälschlicherweise als „Abschaffung fossiler Subventionen“ bezeichnete Anhebung aller Energiesteuern auf den höchsten Energiesteuerbetrag, nämlich von Benzin, wäre dann das eine Extrem. Der andere Grenzfall bestünde darin, alle Energiesteuern auf den niedrigsten Energiesteuerbetrag, nämlich den von Kerosin, abzusenken. Dies käme einer Abschaffung der Energiesteuer gleich. Es ist bemerkenswert, dass die Öffentlichkeit nur die erste Variante diskutiert. Mit Blick auf den häufig geäußerten Wunsch nach Entlastung der Bevölkerung wäre eine Abschaffung aller Energiesteuern und eine einheitliche Versteuerung der Energieträger mit der normalen Mehrwertsteuer eine durchaus denkbare Alternative.

Abschließend sei noch ein Wort über den unwissenschaftlichen Charakter der UBA-Subventionstabelle gesagt. Erstens handelt es sich, wie soeben nachgewiesen, nicht durchgängig um Subventionen. Zweitens ist der gewählte Begriff der Umweltschädlichkeit irreführend. So findet sich in dem Dokument die Zeile „Subventionierung der Kernenergie“ ohne Angabe von Zahlen, nur mit der Bemerkung „n.q“. Auch finden sich in der Rubrik 3 – Bau- und Wohnungswesen Einträge wie „Soziale Wohnraumförderung“ und „KfW-Wohneigentumsprogramm“, deren vermeintliche Umweltschädlichkeit nicht belegt wird. Vor dem Hintergrund dieser Qualitätsmängel wäre es möglicherweise am gewinnbringendsten, die ausgedruckte Version des Dokuments in der Pfeife zu rauchen – zum umweltschädlich subventionierten Pfeifentabaksteuersatz von 15,66 Euro pro Kilogramm.


André Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“

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