Tichys Einblick
Die schiefe Ebene des Denunzierens für den guten Zweck

Facebook-Sperre: Die Zensur zensiert sich selbst

Große Empörung derjenigen, die so gerne wegzensieren, als das, was SIE für wichtig und wertvoll hielten, den eigenen Zensurforderungen zum Opfer fiel. Der Justizminister reagierte umgehend, schnell wurde die Seite wieder entsperrt. Im Kampf gegen "rechte Hetze" wird barrierefreies Denunzieren und Selbstjustiz eben auch mal von oberster Stelle gefördert.

fotolia

Es ist schon kabarettreif, wenn die Zensurwut im Kampf gegen Rechts plötzlich dazu führt, dass Seiten gesperrt werden, die sich eben jenem Kampf verschrieben haben. So erging es vorgestern der Facebookseite der Initiative „Perlen aus Freital“, die seit dem letzten Jahr die „schönsten“ Kommentare des rechten Randes der Gesellschaft auf Facebook und auf einem Tumblr-Blog veröffentlicht. Die Empörung über die Facebooksperre ist groß. Vor allem bei jenen, die sonst gar nicht genug von Zensur kriegen können.

Entgleisungen offenlegen

Zweifelsohne braucht man nicht darüber diskutieren, ob es sich bei den veröffentlichten Postings um extremistische Äußerungen handelt. Wer schreibt, dass er Ausschwitz wieder eröffnen will, wer Menschen als Ungeziefer bezeichnet., der ist nicht rechtspopulistisch, der ist totalitär. Genau solche Äußerungen findet man gesammelt auf der Seite der anonymen Aktivisten von „Perlen aus Freital“, die es sich, lange bevor man auf Facebook offensiv gegen Hetze vorging, zur Aufgabe gemacht hatten, die verbalen Entgleisungen der rechten Szene offenzulegen. Ja, „Perlen aus Freital“ ist ein Beleg dafür, wie tief der menschliche Hass gehen kann und wie sehr braunes Gedankengut hierzulande immer noch verbreitet ist.

Der Umgang mit derartigen Seiten fernab moralischer Empfindungen, gestaltet sich indes etwas komplizierter. Sicherlich geht es hier nicht um die Frage, ob offensichtlich volksverhetzende Posts noch in den Bereich der freien Meinungsäußerung gehören. Was den rechtlichen Rahmen solcher Veröffentlichungen angeht, bewegt man sich dennoch in einer Grauzone. Zwar werden Profilfotos verpixelt, die Screenshots der Posts werden auf dem dazugehörigen Tumblr-Blog jedoch mit Link zur Quelle und mit Angabe des vollen Namens gepostet. So widerlich man die Posts selbst auch finden mag, wirft diese Methode dabei unweigerlich die Frage auf, inwiefern man sich selbst bereits des Mittels der Hetze bedient und ob sich dahinter nicht letztlich auch die Intention versteckt, sich und andere selbst zum Hüter von Recht und Ordnung zu erklären, deren Aufgabe es folglich ist, die Profile dieser Menschen zu melden oder ihnen Hass Mails zu schreiben. Die „Perlen aus Freital“ also nicht einfach eine Mahnung, sondern ebenso auch ein Zelebrieren des Denunziantentums?

Darf man im Kampf gegen Rechts Recht beugen?

Sicherlich mag man ob der widerlichen Posts dazu neigen, dieses Vorgehen als nicht sonderlich verwerflich anzusehen. Recht ist jedoch nichts, was beliebig aufgrund moralischer Erwägungen gebeugt werden kann. So bleibt die Frage bestehen, inwiefern solche Methoden auch dann zu begrüßen wären, wenn es sich um ein anderes Thema handelte und ob genau das nicht schlussendlich irgendwann dazu führte, dass wir eines Tages alles und jeden denunzieren, an den virtuellen Pranger stellen, dessen Aktivitäten (ob im Netz oder woanders) uns nicht gefallen. Der Trend dazu ist bereits erkennbar. Schon jetzt reiht sich Petition an Petition, Aufruf an Aufruf. Alles, was einem nicht passt, muss sofort virtuell bekämpft werden. Dabei werden demokratische Verfahren bewusst korrumpiert, sofern sie drohen, nicht zur eigenen Zufriedenheit entschieden zu werden. Überall herrscht der Drang, andere Menschen zu beeinflussen und zu erziehen, damit sie sich am Ende für das „Richtige“ entscheiden.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch manche Politiker und Journalisten längst die Fähigkeit verloren zu haben scheinen, nicht in alles affektiv und meinungsvorgebend eingreifen zu wollen. Das gilt für unbedachte Aussagen wie die von Stanislaw Tillich genauso wie für die Zensurwut im Internet. Als ob man tatsächlich glaubt, man könne Rassismus damit bekämpfen, indem man ihn aus dem Internet wegzensiert. Als würden die Gedanken dieser Menschen mit Löschung aus dem Internet und/oder Bestrafung einfach verpufft. Es ist das gleiche Dilemma wie bei der Frage eines NPD-Verbots. Will man sie wirklich verbieten und am Ende dafür sorgen, dass ein extremistischer Rand der Gesellschaft womöglich endgültig im Untergrund verschwindet und sich jeglicher öffentlicher Betrachtung entzieht? Aber so ist das eben in diesen Zeiten, in denen man mit blindem Aktionismus nach kurzfristigen Erfolgen strebend, mehr Symptombekämpfung betreibt als wirkliche Ursachenbekämpfung. Die Gedanken über die Konsequenzen macht man sich eben hinterher oder auch gar nicht.

Die Fratze der Zensur

Dementsprechend groß war gestern die Empörung derjenigen, die so gerne wegzensieren, als das, was SIE für wichtig und wertvoll hielten, den eigenen Zensurforderungen zum Opfer fiel. Dabei hatte Facebook nach Maßgabe der neuen Zensur-Taskforce völlig korrekt gehandelt. Man sperrte eine Seite, auf der in großer Zahl hetzerische, rassistische Posts zu finden waren. So postete beispielsweise Renate Künast die Frage, weshalb man „die Falschen“ sperren würde und Kathrin Göring-Eckard setzte noch eins drauf, indem sie darauf aufmerksam machte, man solle doch „Hetzer sperren, statt Aufklärer blockieren“. Die grüne Welt – so einfach wie immer. Merke: Den „Richtigen“ darf man nicht an den Kragen, und „die Falschen“ sind immer die anderen. Rechtsstaat, Demokratie und Meinungsfreiheit wollen aber genau das verhindern – Willkür, die letztlich auch ihre Verursacher frisst. Aber in der schlichten Welt der Kämpfer gegen Rechts gibt es eben nur Richtige oder Falsche, Hetzer oder Aufklärer. Hätte Kant das gewusst…

Der Justizminister reagierte umgehend. Schnell wurde nach seiner Kritik die Seite wieder entsperrt. Im Kampf gegen rechte Hetze im Netz wird das barrierefreie Denunzieren und die Selbstjustiz eben auch mal von oberster Stelle gefördert. Man darf sich über das Rechtsverständnis des Bundesjustizministers wirklich wundern. Und nein, so schlimm sind die Perlen nicht und rassistische Äußerungen bleiben widerlich und verachtenswert. Dennoch bleibt zu hoffen, dass es nicht irgendwann einmal um etwas anderes geht als rechte Hetze, dass nicht irgendwann nach Belieben gesperrt wird, was der Politik unliebsam ist und entsperrt, was den eigenen Zielen dienlich ist. Denn dort, wo der einheitliche rechtliche Rahmen fehlt, ist die Willkür nicht weit entfernt. Denn sowohl Maas wie die grünen Freunde der Zensur sind ja schon einen Schritt weiter gegangen: Sie entscheiden jetzt offensichtlich auch darüber, was wieder ins Netz darf. Damit erleben wir eine schmerzhafte Lehrstunde in Sachen Rechtsstaat und Grundgesetz.

Die mobile Version verlassen