Pünktlich zum 55. jährigen Jubiläum des Elysée-Vertrages reisen deutsche und französische Parlamentarier nach Berlin und Paris, um sich öffentlich der gegenseitigen Freundschaft zu versichern. Dieses Ritual ist mittlerweile zur Routine verkommen und findet seit Jahren nur höfliche Beachtung. Doch dieses Mal ist die politische Begleitmusik aus Paris besonders gut orchestriert. Der bekennend Parishörige, mittlerweile 75 jährige Publizist Ulrich Wickert aus Hamburg verkündet in einem Interview mit der FAZ seinen Traum: Die Verwirklichung des Macron-Projekts durch Schaffung einer französisch-deutschen Wirtschafts-und Finanzunion mit dem Ziel, die Konkurrenz zwischen Deutschland und Frankreich endgültig zu beseitigen.
Noch deutlicher und mit vorauseilendem Gehorsam der Noch-Parteivorsitzende der SPD auf dem Parteitag. Es ginge beim Votum der SPD für die GroKo, so Martin Schulz, auch um die Unterstützung für Macrons Europapolitik. Nur mit Macron könne die rechte Welle in Europa abgewehrt werden. Dem dürften sich seine Genossen nicht verschließen. Als indessen der sichtlich angeschlagene Schulz – ziemlich instinktlos – während seiner Rede ostentativ darauf hinwies, dass der französische Staatspräsident mit ihm telefoniert habe, gab es bei den Genossen keine Ovationen sondern ein vernehmliches, kollektives „oh ,oh“ , das deutlich machte: Schulz war in seiner Verbrüderung mit dem Pariser Machthaber zu weit gegangen. Selbst gegenüber Frankreich wohlmeinende Sozis sehen die Verbindung des self made man Schulz mit dem jungen republikanischen Monarchen in Paris, der offensichtlich mit seinem Machtanspruch vor deutschen Grenzen nicht Halt macht, als ggf. liaison dangéreuse. Vielleicht ist sich Schulz gar nicht mehr darüber im Klaren, wie sehr er in den Filz zwischen Brüssel und Paris mittlerweile eingewickelt ist.
Die klar kalkulierten Machtziele Macrons, mehr Haftung Deutschlands in der EWU und weniger deutscher Einfluss, werden von Schulz mittlerweile völlig verkannt. Er hat sich zum Brückenkopf der Pariser Politik gemacht, indem er Macrons Wünsche an Deutschland eins zu eins auf die Sondierungsagenda packte und diese Großtat auch noch als Sieg für Europa verkaufte. Schulz ist ein Brüsseler Gewächs ohne jegliche Urteilskraft. Er bekommt nicht mit, dass die Pariser Vorschläge die deutsche Geduld überspannen und auch das gesamte Integrationsprojekt Europas gefährden.
Markus C. Kerber, Dr. iur. Professor für Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft an der TU Berlin, Gastprofessor an der Uinversité Paris II sowie an der Warsaw School of Economics. Kerber ist Verfasser des Buches “ Europa ohne Frankreich ? – Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage, 2. Aufl. Edition Europolis 2017