Die versammelte Parteitags-“Intelligenzia“ der Grünen hat am 12.11.2016 in Münster in steuerpolitischer Hinsicht tief in die ideologische Klamottenkiste gegriffen und zwei grundlegende Beschlüsse gefaßt. Zum stimmten die Grünen für die Wiederbelebung der 1995 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Vermögensteuer und zum anderen für die Abschaffung des Splitting-Verfahrens für Eheleute (zumindest für künftige). Beides unausgegorene und rein ideologisch motivierte Vorhaben.
Grüne Vermögensteuerpläne: unkonkret und inhaltslos
Zu den Vermögensteuerplänen der Grünen läßt sich nur wenig sagen. Denn die Grünen habe es wohlweislich vermieden, auch nur im Ansatz konkret zu werden. Ab welcher Vermögenshöhe die Besteuerung eintreten soll, welcher Steuersatz gelten soll, wie man das Problem der einfachen und fairen Bewertung von Unternehmensvermögen im Verhältnis zu sonstigem Vermögen lösen will, das schon bei der Erbschaftsteuer nicht gelöst ist, bleibt ebenso offen wie die Frage, wie man verhindern will, dass in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Vermögensteuer als Substanzsteuer eine Unternehmenskrise noch verstärken kann.
Die mangelnde Konkretisierung der Vermögensteuerpläne ermöglicht es den Grünen, einerseits die Neidhammel in der Gesellschaft mit dem Stichwort „Reichensteuer“ zu ködern und andererseits dem Mittelstand vorgaukeln, es würde nur ein paar Superreiche treffen. Denn natürlich wird am Ende wie sonst auch der Mittelstand die überwiegende Zeche zahlen.
Steuerberater profitieren von Plänen der Grünen
Profitieren werden jedenfalls die Steuerberater. Denn es werden zunächst zahllose Bürger eine Vermögensteuererklärung abgeben müssen, in denen sie sich vermögensmäßig nackig machen müssen, damit der Fiskus herausfindet, wer denn zu besteuern ist. Da werden die Steuerberaterkosten manchmal höher sein als die Steuer. In jedem Falle geht die finanzielle Belastung der Bürger weit über die reine Steuer hinaus, von der zusätzlichen Arbeitsbelastung zur Bereitstellung der Informationen für die Erklärungserstellung ganz zu schweigen. Bei einem Vermögen von zum Beispiel 1,5 Millionen würde sich nach der Steuerberatervergütungsverordnung ein mittleres Honorar von ca. 3.000 € ergeben. Bei einem eventuellem Freibetrag von 1 Million und einem Steuersatz von gegebenenfalls 0,5 % betrüge die Steuer aber „nur“ 2.500 € (500.000 € x 0,5 %).
Vermögenssteuer: soziale Mogelpackung
Das ganze „verkaufen“ die Grünen unter dem Etikett „sozial“. Doch sozial ist daran gar nichts. Denn kein Geringverdiener, kein Hartz-IV-Bezieher und kein Klein-Renter wird deswegen steuerlich entlastet. Ganz im Gegenteil: Diese Personenkreis wird durch höhere Belastungen beim Strom (siehe EEG-Umlage) oder durch die hohen und steigenden Grundsteuern, die jeder Mieter als Nebenkosten tragen muss, bereits jetzt und mit steigender Tendenz überproportional belastet. Ihnen hilft nicht eine Vermögensteuer für sogenannte Reiche, sondern eine Reduzierung/Abschaffung der EEG-Umlage oder eine Entlastung bei der Grundsteuer. Nur hier gehen die Grünen aus ideologischer Borniertheit nicht heran.
Grüne wollen Eheleute zur Kasse bitten
Nicht nur die Vermögenden, sondern auch die Ehepaare wollen die Grünen zur Kasse bitten. Es geht um das sogenannte Ehegatten-Splitting bei der Einkommensteuer. Mittels des Splitting-Verfahrens werden Eheleute steuerlich so behandelt, als wenn sie beide dasselbe verdienen, auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist.
Beispiel: Hat der Ehemann ein jährliches zu versteuerndes Einkommen von 80.000 € und die Ehefrau von 20.000 €, werden sie so besteuert, als wenn beide jeweils 50.000 € haben. Es ergibt sich dann eine Einkommensteuer incl. Solidaritätszuschlag von 26.660 €. Würde jeder einzeln versteuert, ergäbe sich für den Ehemann eine Steuerbelastung von 26.591 € und für die Ehefrau von 2.700 €, zusammen also 29.291 €. Nach den Plänen der Grünen müsste das Ehepaar also künftig 2.631 € mehr ans Steuern als derzeit zahlen. Ehepaare wären steuerlich schlechter gestellt als heute.
Der steuerliche Unterschied zwischen Splitting-Tarif und Einzelbesteuerung wird um so geringer, je niedriger und um so gleicher die Einkommen beider Partner sind. Beträgt zum Beispiel das zu versteuernde Einkommen des einen Partners 30.000 € und das des anderen 20.000 €, ergeben sich bei Einzelbesteuerng Steuerbelastungen von 5.768 € und 2.700 €, zusammen also 8.468 €. Mit dem Splitting-Tarif beträgt die Steuerbelastung 8.348 €. Der Unterschied beträgt also nur 120 €.
Kein Splitting-Vorteil, sondern ein Nachteilsausgleich aufgrund Steuerprogression
Der Grund für diesen Unterschied zwischen Einzelbesteuerung und Splitting-Verfahren liegt in der Steuerprogression. Die Steuerprogression führt dazu, dass nicht alle Steuerpflichtigen denselben Steuersatz zahlen, sondern der Steuersatz mit zunehmenden Einkommen steigt. Wer also ein höheres Einkommen hat, zahlt auch einen höheren Steuersatz als derjenige mit niedrigerem Einkommen. Zumeist wird dieser finanzielle Unterschied zwischen Einzelbesteuerung und Splittung-Verfahren als Splitting-Vorteil bezeichnet, so als wenn Eheleute eine besondere Vergünstigung erhielten. Tatsächlich ist es aber kein Vorteil, sondern ein Nachteilsausgleich, nämlich ein Ausgleich für die im System angelegte Steuerprogression.
Durch das Splitting-Verfahren wird der Nachteil ausgeglichen, den Eheleute dadurch erleiden, dass sich einer von ihnen im Beruf stärker engagiert und somit mehr verdient, während sich der andere mehr um die Familie (egal ob es die eigenen Kinder sind oder auch pflegebedürftige Eltern) kümmert oder vielleicht auch in größerem Maße unbezahlte ehrenamtliche Tätigkeiten ausführt. Auch in Fällen, in denen ein Partner arbeitslos wird, wirkt das Ehegattensplitting finanziell ausgleichend.
Nicht das Splitting-Verfahren ist das Problem, sondern die Steuerprogression. Wer sich also gegen das Ehegatten-Splitting ausspricht, sollte sich ehrlicherweise gegen den progressiven Steuertarif wenden und für einen einheitlichen Steuertarif werben. Doch Reformpläne á la Kirchhoff mit einem Einheitssteuersatz für alle, mit der sich die Problematik der Ehegattenbesteuerung erledigen würde, wurden und werden zumeist von denselben Personen verrissen, die das Splitting-Verfahren ablehnen.
Abschaffung des Splitting-Verfahrens: Ideologie pur
Wer das Splitting-Verfahren unter Geltung des progressiven Steuertarifs abschaffen will, schafft nicht mehr Gerechtigkeit, sondern dem geht es um seine Ideologie, die verkürzt lautet: Frauen in die Produktion und Zerstörung bewährter Familienstrukturen. Denn natürlich werden etliche Frauen aufgrund der steigenden Steuerbelastung ohne Splitting-Verfahren gezwungen sein, in größerem Umfang einer bezahlten Arbeit nachzugehen.
Steuerberater werden Aussweichstrategien für Gutverdiener entwickeln
Setzen sich die Grünen mit ihrer Forderung durch – und sie stehen ja nicht allein da -, bekommen die Steuerberater ein neues Arbeitsfeld. Ehepaare mit stark unterschiedlichem Einkommen werden versuchen, das Ergebnis des bisherigen Splitting-Verfahrens auf anderem Wege zu erreichen. Und dies ist vornehmlich in Fällen möglich, in denen einer oder beide Partner selbständig sind. Die Eheleute müssten lediglich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gründen („Handschlag“ genügt) und die Gesellschaft beim Finanzamt anmelden. Verdient der eine Partner beispielsweise als selbständiger Handwerker 100.000 € und der andere Partner nichts, dann gründen beide eine Gesellschaft, an der sie zu je 50 % beteiligt sind. Somit muss dann jeder von ihnen jeweils 50.000 € versteuern. Damit hat man das Ergebnis, das heute durch das Splitting-Verfahren automatisch eintritt – nur mit erheblich mehr Aufwand. Man kann das ganze noch verfeinern und an die individuellen Gegebenheiten anpassen, aber das Prinzip sollte klar sein.
Für Arbeitnehmer-Ehepaare wird das Ausweichen auf andere Konstruktionen aus rechtlichen Gründen kaum möglich sein und für Klein- und Normalverdiener wird sich zudem der zusätzliche Aufwand nicht lohnen. Für sie bedeuten die Einkommensteuerpläne der Grünen nichts anderes als eine Steuererhöhung.
Abschaffung des Splitting-Verfahrens nur für künftige Ehepaare ungerecht
Wobei die Abschaffung des Splitting-Verfahrens nach den Plänen der Grünen nur für künftige Ehepaare gelten soll, während die bisherigen Ehepaare es behalten dürfen. Wer solches für gerecht hält, Ehepaare je nach Zeitpunkt der Eheschließung höher oder niedriger zu besteuern, muss ideologisch gänzlich verblendet sein.
Ansgar Neuhof ist Rechtsanwalt und Steuerberater mit Kanzlei in Berlin.