Tichys Einblick
Trump macht einen Fehler

Die politischen Folgen der amerikanischen Zölle

Ein Ergebnis der Zölle wird sein, dass die amerikanische Militärmacht schrumpft und die europäische wächst. Für einen Kontinent wie Europa, auf dem die letzten 200 Jahre permanent irgendwo Krieg herrschte, was sich erst ab 1945 durch die Pax Americana besserte, sind das nicht die besten Aussichten. Von Holger Schindler

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mark Schiefelbein

Bekanntlich hat die amerikanische Regierung vor ein paar Tagen erhebliche Zölle auf die allermeisten Importgüter erhoben mit der Begründung, die eigene industrielle Basis wiederbeleben zu wollen.

Im Prinzip ein hehres Ziel und auch, wenn die Maßnahmen etwas ruckartig kamen, muss man doch anerkennen, dass das Problem der „wirtschaftlichen Ungleichgewichte“ sprich des amerikanischen Handelsbilanzdefizits seit langem von diversen amerikanischen Regierungen angemahnt wurde und mindestens seit dem ersten Kabinett Merkel von deutschen Regierungen und auch ganz Europa konsequent ignoriert wurde.

Wer wollte schon der deutschen Exportindustrie freiwillig Steine in den Weg legen? Niemand, offensichtlich.

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Aber wer hat eigentlich vom Status quo ante profitiert? Auf den ersten Blick die Angestellten von VW, BMW etc., die ihren Lebensunterhalt sehr gut mit der Herstellung der Exportgüter bestreiten konnten. Auf den zweiten Blick ist das nicht mehr so klar, denn die schönen Autos, um im vereinfachten Beispiel zu bleiben, haben die US-Konsumenten mit US-Dollar bezahlt. Das sind heutzutage nicht mal mehr bedruckte Papierschnipsel, sondern Einsen und Nullen, abgelegt auf einem Computer irgendwo in den USA. Die verwandeln sich in amerikanische Regierungsanleihen, das heißt andere Einsen und Nullen mutmaßlich auf dem selben Computer, und vermehren sich mit Zinseszins zu noch mehr Einsen und Nullen immer noch auf dem selben Computer. Nur kaufen wollte man all die Jahrzehnte für das viele „Geld“ nichts. Daher das Handelsbilanzdefizit der USA.

Zusammengefasst: Jahrzehntelang haben Deutsche hart dafür gearbeitet, dass Amerikaner schöne Autos fahren können, und bekommen haben sie dafür das Versprechen, dass ein paar Einsen und Nullen auf einem Computer irgendwo in Amerika einen Wert darstellen würden. Heiße Luft ist vermutlich werthaltiger.

Was haben die Amerikaner nun mit der vielen Freizeit gemacht, die sich dadurch ergeben hat, dass sie sich nur in geringem Ausmaß mit der Produktion von Autos beschäftigen mussten? Hauptsächlich Waffen jeder Art haben sie gemacht. F16, F35, Bradley, Javelins, Tomahawks, Stingers, Abrams, was das Herz des Kriegers begehrt. Und mit diesen Waffen haben sie die Pax Americana erschaffen und aufrechterhalten.

Dieses Verfahren hat bis Januar 2025 stillschweigend gut funktioniert. Die Amerikaner sichern den Frieden und Europa bezahlt mit der Finanzierung eines ewig wachsenden US-Handelsbilanzdefizits.

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Aber seit April 2025 wird zurückabgewickelt. Die deutsche Verteidigungsbranche übernimmt die nicht mehr benötigten Auto- und Zulieferfabriken und baut dort all die Sachen, die bisher die Amerikaner mitgebracht haben, wenn sie nach Europa zur Arbeit kamen. Und wer nicht in der Produktion übernommen wird, wird Soldat. Das ist natürlich stark vereinfacht, aber der Punkt ist, durch eine Vergrößerung der Bundeswehr oder eine Wehrpflicht sinkt das Angebot freier Arbeitskräfte und folglich die Produktion.

Letztlich muss damit für die Bundesrepublik aber kein (großer) Wohlstandsverlust einhergehen, man bezahlt halt jetzt für die äußere Sicherheit direkt und nicht durch das quasi Verschenken von Autos und anderen Gütern.

Es gibt aber einen Aspekt, der sich durchaus noch erheblich auswirken kann. Ein Ergebnis der Zölle und der vermutlichen Wiederbelebung der US-amerikanischen industriellen Basis wird sein, dass die amerikanische Militärmacht mindestens relativ schrumpft, denn die amerikanischen Ressourcen werden in größerem Umfang die Güter herstellen, die bisher das Ausland – weitgehend gratis – geliefert hat.

Gleichzeitig wächst die europäische Militärmacht, wenn wie Donald Trump es formulieren würde, die Amerikaner nicht mehr von Europa abgezockt werden und daher die Europäer wieder mehr Wert auf Kanonen als auf Butter oder Autos legen. Es dürfte also zukünftig deutlich schwieriger werden, die Pax Americana nach eigenem, amerikanischem, Gutdünken aufrechtzuerhalten.

Für einen Kontinent wie Europa, auf dem die letzten 200 Jahre praktisch permanent irgendwo Krieg herrschte, was sich erst ab 1945 durch die Pax Americana etwas besserte, sind das nicht die besten Aussichten. Und die kommende Dekarbonisierungs- und Deindustrialisierungskrise macht das in Zusammenarbeit mit dem Abbau zivilisierter Konfliktlösungsmöglichkeiten bzw. demokratischer Freiheiten bestimmt nicht besser. Ich denke, Donald Trump macht gerade einen Fehler, ich vermute einen großen.


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