Nach den USA war die Sowjetunion der zweite Staat, der den am 14.Mai 1948 neugegründeten Staat Israel anerkannte. Die Gründung Israels erfolgte nach dem Beschluss der UN-Vollversammlung an dem Tag, an dem das britische Mandat für Palästina endete. Stalin hoffte, dass die Sowjets Israel nach dem Rückzug des englischen Militärs als Brückenkopf nutzen könnten, um im Nahen Osten Fuß zu fassen. Angesichts der Tatsache, dass schon damals die russischen Juden die größte Immigrantengruppe in Israel bildeten, war die Hoffnung nicht ganz unberechtigt.
Die UdSSR als Geburtshelfer Israels
So unterstützte die Sowjetunion Israel über die Tschechoslowakei mit Waffen gegen die Armeen von fünf arabischen Staaten, die in den darauf folgenden neun Monaten alles daran setzten, Israel zu vernichten. Die sowjetische Unterstützung Israels gipfelte im September in der Massendemonstration vor der großen Moskauer Synagoge zum Empfang von Golda Meir, der ersten Botschafterin Israels in der Sowjetunion.
Das Blatt wendete sich aber über Nacht. Noch im selben Monat druckte die „Prawda“ einen Artikel über das “ ferne, kapitalistische“ Israel, in dem es hieß: „Sowjetische Juden blicken nicht in den Nahen Osten, sie blicken in die Zukunft.“
Das war das Signal für einen Richtungswechsel auf dem Schlachtfeld des kalten Kriegs. Daraufhin mussten die rund zwei Millionen sowjetischen Juden im Zeitraum von 1948 bis zu Stalins Tod im Jahre 1953 die sogenannten „Schwarzen Jahre“ erleben, in denen über Schikane jeglicher Art alle jüdischen Institutionen fast restlos vernichtet wurden.
Dabei gehörten die Juden einst zur Elite der kommunistischen Partei, bevor von heute auf morgen „in Stalins Hirn der antisemitische Tumor“ zu wachsen begann, wie Nikita Chruschtschow es formulierte. Schließlich waren die Juden im Zarenreich seit jeher unterdrückt worden, was dazu führte, dass ein Teil der russischen Juden eine Gesellschaft anstrebte, in der alle Bürger gleichberechtigt wären und sich sozialistischen Vorstellungen zugewandt hatten, die jene Gleichberechtigung zu versprechen schienen.
Juden als Vordenker der Aufklärung
Die russischen Juden waren keine Ausnahmen. Noch früher und stärker traten die Juden in Westeuropa für die humanistischen Ideale und bürgerlichen Freiheiten ein. Von Spinoza bis Moses Mendelssohn („Sokrates von Berlin“) waren eine große Anzahl der Vordenker der Aufklärung Juden.
Eine Institution, die entscheidend zur Verbreitung der humanistischen und bürgerrechtlichen Ideale beitrug, war der „jüdische Salon“. Im jüdischen Salon, der in den 1790er Jahren in Berlin eingeführt wurde, kamen Männer und Frauen aller Stände und verschiedener beruflicher, kultureller oder konfessioneller Hintergründe zum Gespräch zusammen. Der Salon bot zudem allen Vordenkern der Moderne von Heine bis Voltaire eine Bühne, um ihre Gedanken einem größeren Publikum mitteilen zu können.
Nachdem der Übergang vom „Untertan zum Bürger“ im Code Napoleon (1804) festgeschrieben wurde, waren es die jüdischen Humanisten von Lassalle und Heine über Marx und Bernstein, die theoretisch und praktisch für die soziale Gerechtigkeit und den Wohlstand aller eintraten. So war es kein Wunder, dass die Gründungsväter der Sozialdemokratie Juden waren und diese in der SPD und der KPD bis zu ihrer Zerschlagung durch die Nationalsozialisten überproportional vertreten waren. So gesehen war die entsprechende Propaganda, die den Kommunismus als jüdische „Verschwörung“ darstellte, nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.
Der Weg in das Völkerbundsmandat Palästina
Kein anderes Volk musste unter den Nationalsozialisten und den Katastrophen des zweiten Weltkriegs so sehr leiden wie die europäischen Juden. Der Holocaust nahm Millionen von Juden das Leben und jene, die nicht umgebracht worden waren, wurden zu Vertriebenen. Hinzu kam, dass auch nach der Befreiung zehntausende Juden als „displaced persons“ weiterhin in Konzentrationslagern lebten, weil sie kein Zuhause mehr hatten, in das sie hätten zurückkehren können. Für sie blieb unter humanitären Gesichtspunkten außer der Auswanderung nach Palästina keine Alternative. So war nach dem Holocaust die Gründung eines jüdischen Staates die einzige logische Folge. Die Einwanderung von hunderttausenden hochqualifizierten Juden, die einst zur europäischen Elite in allen Bereichen gehört hatten, stellte gleichzeitig die größte Entwicklungshilfe dar, die das bis 1918 als türkisch-osmanische Kolonie verwaltete Gebiet erfahren konnte. Dieses als Palästina bezeichnete Land kannte damals kein „palästinensisches“ Volk – die Bewohner waren zumeist Araber unter osmanischer Herrschaft und fand seinen Ausdruck unter anderem in der Tatsache, dass die „Jerusalem Post“ 1932 als „The Palestine Post“ startete.
Als sozialistisches Musterprojekt gestartet
Was oft außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass ein großer Teil der eingewanderten Juden stramme Linke und somit sozialistisch ausgerichtet waren und von einem Arbeiter- und Bauernstaat am Mittelmeer träumten. Dabei beließen sie es nicht bei Worten, sondern bauten unter schwierigsten Bedingungen die „Kibbuzim“ (Kommunen) aus, die als einzig erfolgreiches, basisdemokratisch-sozialistisches Projekt in die Geschichte der Neuzeit eingingen.
So hätten der Staat Israel und die linksgerichteten Juden eigentlich die größte Sympathie der überall auf der Welt verbreiteten Anhänger des sozialistischen Projekts erwarten können. Ganz im Gegenteil jedoch führte die plötzliche Wende in Stalins Politik nicht nur zur Feindschaft gegenüber dem neugegründeten Staat, sondern es folgte eine Welle des Antisemitismus, die Russland und darüber hinaus die Ostblockländer ebenso konsequent prägte wie die Linksparteien in aller Welt.
Der Basisirrtum der Araber
Infolgedessen wurde die arabische Seite, die nicht nur die große Chance vertan hatte, nach UN-Plan zwei gleich große benachbarte und miteinander kooperierende Länder – ein jüdisches und ein arabisches – entstehen zu lassen, von der europäischen Linken unterstützt. Darüber hinaus hatten die Araber unter der Führung Amin Husseinis, einem gern gesehenen Gast Hitlers in Berlin, als einziges Ziel, die Juden ins Meer zu treiben. Sie setzten auf Krieg und Terror statt auf die für alle Seiten nützliche Koexistenz, und die europäische Linke verurteilte die arabische Seite nicht, sondern half ihren korrupten, einer archaischen Ideologie anhängenden Staaten, den Kampf gegen Israel als Deckmantel für ihre reaktionäre Innen- und Außenpolitik zu benutzen.
Das demokratische Israel ist Weltspitze
Siebzig Jahre später gehört Israel als einzig demokratisches Land im Nahen Osten wirtschaftlich und technologisch zur Weltspitze. Allerdings wurde die israelische Linke, die immer für Frieden und Verständigung mit den Arabern eingetreten war, nach vielen Kriegen und dem wiederholtem Scheitern von Friedensbemühungen nicht zuletzt durch das Ausbleiben der Unterstützung der europäischen Linken immer schwächer.
Die soziale Gerechtigkeit geht Hand in Hand mit dem sozialen Fortschritt. In keiner Region der Welt ist der Klassenunterschied so groß wie der zwischen den Elendsvierteln des Yemens wie des Westjordanlands/Gaza und der Oberschicht der Ölstaaten, was eindeutig nicht auf die Existenz Israels zurückzuführen ist, sondern auf die archaischen Gesellschaftsstrukturen in der „arabischen Nation“.
Ohne sozialen Fortschritt kein moderner Staat
Die Idee der sozialen Gerechtigkeit wurde in Europa nach langen. epochalen Entwicklungsperioden der Renaissance über die Französische Revolution und die Aufklärung im 18. Jahrhundert bis hin zur technisch-wissenschaftlichen Revolution entwickelt. Die schmerzhaften Ereignisse des 20. Jahrhunderts sollten zeigen, dass Gesellschaften, die mit dem sozialen Fortschritt nicht weitergekommen sind, keine Chance haben, mittels staatlicher Maßnahmen zur sozialen Gerechtigkeit zu finden. Die Regime Stalins und Maos bis hin zu denen Pol Pots und Gaddafis haben die katastrophalen Folgen der Nichtbeachtung der marxistischen Binsenwahrheit veranschaulicht.
Die andere marxistische Binsenwahrheit, die von den Linken ignoriert wird, besagt, dass der „Kampf für Gerechtigkeit“ nicht Sache einer Klasse ist, sondern nur unter Einbeziehung aller Gesellschaftsschichten in einem langwierigen Prozess um das humanistische Bewusstsein der Gesellschaft erfolgreich geführt und deshalb auch nur im nationalen Rahmen verwirklicht werden kann.
Die Begriffe „Nation“ und „Sozialismus“ wurden von den als sozialistische Bewegung gestarteten Nationalsozialisten für die Rechtfertigung ihrer Verbrechen missbraucht. Das darf aber nicht zur Aufgabe der nationalen Identität verleiten. Im Gegenteil, denn indem der Marxismus die sozialen Gegensätze innerhalb der Gesellschaft als Motor des Fortschritts bezeichnet, fordert er notwendig auch das nationale Interesse. Deswegen darf nicht auf das nationale Interesse verzichtet werden, vielmehr können sich die Nationen insbesondere durch die gemeinsame Ausrichtung auf humanistische Werte näher kommen.
Die politische Linke auf dem Irrweg
Die Missachtung dieser Wahrheiten und die Ignoranz der Linken fügte den deutschen Werktätigen in den letzten Jahrzehnten enorme Schäden zu: So wurden dem deutschen Arbeitsmarkt durch die Unterstützung der massenhaften Immigration aus den Dritte-Welt-Ländern billige Arbeitskräfte zugeführt, wodurch diesen Ländern die dynamischen Eliten entzogen, diese selbst wiederum in der Fremde zu „modernen Sklaven“ gemacht wurden.
Infolgedessen konnte das Kapital den sogenannten Niedriglohnsektor noch weiter ausbauen, womit die Lohnkosten für die deutsche Wirtschaft konstant niedrig blieben, was dazu führte, dass das Realeinkommen der deutschen Werktätigen in dem Vierteljahrhundert von 1991 bis 2015 mit einem Zuwachs von 0,6 % im Jahr praktisch konstant blieb. Darüber hinaus wurde die Mittelschicht, darunter die gut verdienenden Spezialisten, immer schmaler und die Armut in der mächtigsten Wirtschaftsmacht Europas stieg auf über 16 Prozent.
So, wie sich die Linke im Wirtschaftsleben als Handlanger des Kapitals erwies, fungiert sie bis heute auch in der Sozialpolitik kontraproduktiv, denn die Hunderte von Milliarden, die für die Integration der „Neubürger“ fließen, damit den Unternehmen neue Arbeitskräfte zugeführt werden, belasten im Endeffekt nicht die Unternehmen , sondern den Sozialetat des Landes und damit jene, deren Löhne durch den Billiglohnsektor auf niedrigem Niveau gehalten werden.
Der sozialistisch-fundamentalislamische Schulterschluss
All das konnte nur geschehen, weil die Linke aus ideologischen und wahltaktischen Gründen eine anti-nationale Politik betreibt, wofür der Slogan von der „freien Migration“ bezeichnend ist. Diese human klingende Forderung ist nicht nur destruktiv, sondern wird nun auch gezielt von Muslim-Fundamentalisten missbraucht, um die Unterwanderung der fortschrittlichen Gesellschaften zu forcieren.
Den Schwachpunkt des sozialistischen Irrwegs nutzt nun die islamistische Propaganda, um beispielsweise ihre menschen- und insbesondere frauenverachtende Ideologie geschickt als „kulturelle Bereicherung“ zu verkaufen. Es ist erschreckend, dass vor allem die politische Linke, die sich als antifaschistisch definiert, den faschistoiden Totalitarismus unserer Zeit, der sich hinter der islamischen Symbolik und Propaganda verbirgt, nicht wahrnimmt.
Der Grund dafür liegt in jener von Stalin forcierten, antiisraelischen und antiamerikanischen Grundhaltung der arabischen Nation wie der politischen Linken, die ein einigendes Band des anti-imperialistischen Kampfes zu bilden scheint. Dass die islamische Ideologie, wie es Tomas Spahn schreibt, in ihrem Kern zwar kollektivistisch ist, gleichwohl jedoch die Vorstellung einer übermenschlichen Ordnungsfigur den in der Aufklärung begründeten Idealen des sozialistischen Kollektivismus eklatant widerspricht, wird entweder verdrängt oder nicht gesehen.
So schließt sich der Teufelskreis, aus dem sich die Linke seit Stalins Diktat gegen Israel nicht befreien kann. Infolgedessen erweisen sich die Linken bis weit in die Sozialdemokratie unfähig, die Errungenschaften des jüdisch-christlichen Kulturkreises zu verteidigen und auszubauen – und deshalb verlieren beide ständig ihre Basis an die sogenannten populistischen Parteien.
Fazel Gheybi wurde 1954 in Teheran in eine Bahai-Familie geboren, beschäftigte sich früh mit dem Studium von Religion und Philosophie. In Aachen studierte er Elektroingenieur und schloss 1983 in Frankfurt/Main mit dem Schwerpunkt Computeringenieur ab. Er arbeitet an der Technischen Universität Darmstadt am Institut für experimentelle Nuklearphysik und verfasste mehrere Bücher zur kulturphilosophischen Rolle von Religion.
“Modern Philosophy and Iran” (persisch, 2011)
“Philosophie Holocaust / Philosophy of Holocaust” (deutsch + englisch, 2014)
“Die Islamische Eroberung der Welt” (deutsch, 2018)