Die Grünen wussten, was sie taten, als sie sich selbst und andere daran gewöhnten, statt von Natur von Umwelt zu reden. Denn Umwelt ist eine abhängige Größe, abhängig von den Bedürfnissen, den Vorlieben und Aversionen des Menschen. Was Fortschritt ist, bestimmen wir, heißt das moderne, das grüne Ermächtigungsgesetz. Von Konrad Adam
Seitdem die Natur den Grünen in die Hände gefallen ist, leidet sie. Von der Partei zur Umwelt degradiert, hat sie an Rang und Wert verloren. Die Grünen wissen, warum sie statt von Natur lieber von Umwelt reden: Zur Umwelt reduziert, wird die Natur verfügbar. Sie muss verändert und umgebaut, gestaltet und erschlossen werden; wo das nicht möglich ist oder sich nicht rechnet, hat sie zu weichen.
Wie sie dann aussieht, verraten die Wiesen, auf denen Solarzellen blühen, die Wälder, in denen die Windräder die Bäume ersetzen, die Felder, die Strom statt Weizen produzieren, die Strände, die in LNG-Terminals verwandelt werden, und viele mehr. Im Zeichen der Regenbogenfahne wird die Natur so lange in Wert gesetzt, bis sie ihren Wert verloren hat. Das ist der Fortschritt, von dem die Grünen träumen und der ihnen nicht schnell genug vorankommen kann.
Wo die Grünen den Ton angeben, ist die natürliche Natur auf dem Rückzug. Sie wird katalogisiert, in ihre Bestandteile zerlegt und dann nach irgendwelchen Plänen neu wieder zusammengesetzt. Das Ziel ist eine andere Natur, über deren Aussehen Leute befinden, deren Ansichten und Absichten wir, das Gesindel, nicht verstehen. Derselbe Fortschritt, der das Ausbaggern der Ostsee verlangt, verbietet es in der Elbe. Braunkohle ist ein Segen, wenn sie dazu dient, von der verhassten Atomkraft loszukommen, sie ist vom Übel, wenn man damit heizen will. Steht der Baum im Hambacher Forst, muss er von Klimaaktivisten Tag und Nacht bewacht werden, steht er im hessischen Bergland, wird er gefällt, um Platz zu machen für die neue Autobahn. Was Fortschritt ist, bestimmen wir, heißt das moderne, das grüne Ermächtigungsgesetz.
Dogmen kann man nicht verstehen, an Dogmen muss man glauben. Das haben die Grünen von den Kirchen gelernt, deren Funktionäre die Liebe, die ihnen auf grünen Parteitagen entgegenschlägt, herzlich erwidern; die Zuneigung ist wechselseitig. Ähnlich wie die beiden Großkirchen sind die Grünen ein Verein, der die Annehmlichkeiten des guten Gewissens mit den Vorteilen des guten Lebens zu verbinden weiß. Wer Mitglied ist, darf Auto fahren – aber nur mit E-Antrieb. Dann muss er sich keine Gedanken darüber machen, ob er mit einer tonnenschweren Batterie der Umwelt schadet oder nicht. Er muss nicht danach fragen, was der Lithium-Rausch in den Ländern der Dritten Welt anrichtet, was er der Natur zumutet und den Menschen abverlangt.
Von solchen und allen anderen Bedenklichkeiten entlastet ihn der grüne Klerus. Wer auf ihn hört und an ihn glaubt, darf den Strom, den er verbraucht, auch dann als grün bezeichnen, wenn er aus französischen Kernkraftwerken stammt. Berge versetzen können die Grüngläubigen zwar nicht, alles das grün nennen, was die Partei so nennt, das können sie aber. Und das tun sie auch.
Der Mensch als Missgriff der Natur muss modernisiert werden
Der Umweltschutz genügt sich selbst. Er arbeitet wie eine Maschine, die mit gewaltigem Einsatz Ausschuss produziert. Elon Musks Giga-Factory in den Kiefernwäldern südlich von Berlin war längst schon fertig, als die Umweltverträglichkeitsprüfer immer noch über ihren Büchern saßen. Die Frage, was eine Bürokratie soll, die viel kostet, aber wenig bringt, liegt nahe, schießt allerdings am Ziel vorbei. Wer so fragt, zeigt ja nur, dass er den Witz der Sache nicht verstanden hat.
Ohne die grüne Umweltverträglichkeitsprüfungsindustrie hingen die Netzwerke und die Stiftungen, die Arbeitsgemeinschaften und die NGOs, in denen die Freunde und Freundinnen sitzen, mit denen man Tisch oder Bett oder beides geteilt hat, in der Luft. Sie leben von den gut dotierten Projekten, die jedem winken, der verspricht, dem Auftraggeber das zu liefern, was der Auftraggeber will. Wer in der Szene zu Hause ist, kennt die Namen und die üblichen Tarife. Von den Geldern, die dort verteilt werden, hätte auch ich gern etwas abbekommen; die Natur schützen, den Menschen helfen, die Demokratie fördern will ja auch ich. Aber weil ich nicht zu den frères et cochons der Minister*innen zähle, habe ich mich gar nicht erst beworben.
Um ihren Feldzug siegreich zu beenden, haben die Umwelt-Strategen nicht nur die Natur, sondern auch den Menschen – die Krone der Schöpfung, wie ihn die Bibel nennt, das Schwein, wie Gottfried Benn ihn genannt hat – ins Visier genommen. Einige Angriffe hat es schon gegeben, weitere werden folgen. So wie er geht und steht, halten die Grünen den Menschen für unvollkommen, für einen Missgriff der Natur. Er muss verbessert, modernisiert und emanzipiert, von seinen biologischen Wurzeln befreit werden. Das Ziel heißt Selbstbestimmung; doch wo die Kraft, der Wille oder beides dazu fehlt, muss die Regierung eingreifen und nachhelfen; also immer. Der Mensch ist noch nicht reif zur Selbstbestimmung, er muss noch angeleitet, erst erzogen werden, und dazu sind die Grünen da.
Alles ist erlaubt, nur nicht natürlich bleiben
Ihr wisst doch gar nicht, wer ihr seid, rufen sie den Menschen zu. Um das zu erfahren, braucht ihr ein Gesetz, ein Selbstbestimmungsgesetz, das euch von den Fesseln der Zwangsheterosexualität erlöst. Erst dann könnt ihr wissen, wer oder was ihr seid: Mann oder Frau, hetero oder homo, bi oder trans, queer, inter oder alles das zusammen. Entscheidet euch, es gibt weit mehr als sechzig Varianten! Verlasst euch nicht auf die Natur, die hat so vieles falsch gemacht, dass die Grünen kaum noch nachkommen. Verlasst euch lieber auf uns, wir kennen den alten und schaffen den neuen Menschen! Schiefgehen kann nichts, die Kirchen sind ja auch dabei.
Die Regierung wirbt, erklärt und zeigt, was alles möglich ist; und, weil es möglich ist, nun endlich auch geschehen soll. Die Leute sollen wählen, wie sie aussehen, sich nennen oder angesprochen werden wollen: als Mann oder Frau, als Mutter oder Vater, als jung oder alt. Denn nicht nur das Geschlecht, auch das Alter, die Herkunft, die Familie, überhaupt alles, was früher als gottgegeben hingenommen und respektiert, vielleicht sogar geliebt worden war, steht zur Disposition.
Alles ist möglich, alles ist wählbar, und alles ist erlaubt – nur nicht bei dem zu bleiben, was die Natur so eingerichtet hat, denn das wäre konservativ. Über die Pläne, nach denen der Mensch verbessert werden soll, weiß man nicht viel, wird man so bald auch nichts erfahren. Wer’s trotzdem wissen will, sollte sich unter dem Führungspersonal der Grünen umsehen. Dann erkennt er: Der neue Mensch ist fachkundig wie Robert Habeck, freundlich wie Britta Haßelmann, gesprächig wie Anton Hofreiter und schön wie Ricarda Lang.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.
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