Ihre politischen Gegner lässt die FDP seit geraumer Zeit links liegen. Es mangelt an Kampfesmut. Aktiv wird die 2019 ziemlich erfolglose Freidemokratische Partei des 40-jährigen FDP-Chefs Christian Lindner hingegen, wenn es gegen kritische Journalisten aus dem bürgerlichen Lager geht. Kritik aus der eigenen Ecke tut besonders weh. Bei Lindner liegen wohl die Nerven blank. Mein Freund und Kollege Olaf Opitz ist aus dem Presseverteiler der FDP geflogen – und das nicht zufällig.
Am Dienstag vor Weihnachten hatte ich Olaf Opitz zum Kaffee eingeladen. Der langjährige FOCUS-Korrespondent schreibt jetzt als freier Journalist für verschiedene Medien. Wir kennen uns seit über 30 Jahren aus Bonner Zeiten. Wenn mich einer von GRÜN zu Liberal gebracht hat, dann Opitz. Wir arbeiten heute noch hier und da zusammen. Bei eben jenem Kaffeetrinken bekam ich zufällig ein Telefonat mit. Er erkundigte sich bei einem FDP-Mitarbeiter, warum er seit November keine Presseinformationen und Termine mehr bekomme. Ich hörte Olaf sagen, „ist so eine Reaktion für eine liberale Partei noch liberal? Sie haben mich von der Presseliste gestrichen“ Und: “Linke Journalisten können die FDP niederschreiben und man hofiert sie dennoch?“
Opitz erklärte mir, sein Artikel bei Tichys Einblick Online „Blaues Auge statt Befreiungsschlag“ sei der Grund für die Entfernung aus dem Presseverteiler gewesen. Der FDP-Mitarbeiter habe ihm gesagt, Lindner und Co. störe die Wortwahl und der Beitrag sei aus deren Sicht unter der Gürtellinie gewesen. Deshalb: runter von der Presseliste.
Erstaunlich. Nach dreißig Jahren. Das ist schon ein Statement. Liberal und Gelassen ist das nicht.
FDP-Abgeordnete in meinem Bekanntenkreis fanden Olafs Artikel und Bemerkungen zur FDP sowie über die Ursachen für die Niederlagenserie ihrer Partei zutreffend formuliert und analysiert. Hart zwar, aber immer noch fair. Enttäuscht über seine Lieblingspartei, aber es bestehe Aussicht auf Besserung. Wie sagte ein Liberaler: Für solche Artikel braucht es gerade solche Journalisten, die uns eigentlich mögen. In den Gremien hätte so etwas nicht gesagt werden können. Opitz hat‘s aber gemacht und aufgeschrieben. Statt hart zu Opponieren, wirft die FDP in der Tat nur mit Wattebällen, wie es der Autor beschrieb. Aber mit kraftlosen Würfen, die nicht einmal die Gürtellinie erreichen, sondern schon vorher zu Boden fallen. Das mag garstig formuliert sein, aber nicht letal. Die FDP unter Lindners Führung hat im Wahljahr 2019 zwei blaue Augen verpasst bekommen, nicht durch Opitzens Artikel, sondern vom Wähler.
Offensichtlich jedoch hat die Parteiführung einen unliebsamen, aber erfahrenen und gut informierten Journalisten jetzt abgeschaltet und ausgegrenzt. Wohlgemerkt eine Partei, die mit Theodor Heuss, Friedrich Naumann und Thomas Dehler die Grundlagen für unsere Freiheit und Liberalität in Deutschland gelegt hat. Pressefreiheit scheint für die jetzige FDP-Spitze überbewertet zu sein, wenn die Pressestelle mit Billigung der Chefs solche Kinkerlitzchen macht.
Ausgerechnet im 30. Jahr des Mauerfalls trifft der antiliberale Bann einen Kollegen, der noch vor dem Mauerfall 1989 als Erster ein Interview mit der Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley unter persönlichem Risiko in einer LDPD-Zeitung veröffentlicht hatte. Eine Ost-Partei, die nach der deutschen Einheit mit der FDP fusionierte.
Jahrzehntelang war ich selbst bundespolitischer Korrespondent für die ARD und weiß daher nur zu gut, dass solche Abschaltaktionen keine Pressestelle von allein macht, sondern das ist abgesegnet und so gewollt. Die Aktion ist daher nichts anderes als ein Schlag gegen die Meinungsfreiheit. Andersdenkende stören also inzwischen auch schon die Kreise einer vermeintlich liberalen Partei.
Satire ist das keine. Allenfalls eine sehr dumme Geschichte.
Die Ausgrenzung ist alles andere als mutig. Mein Freund und Kollege ist getroffen – eigentlich mit einem Wattebällchen. Mit bürgerlichen Journalisten kann man so etwas machen. Durch solche Wattebällchen-Attacken auf die journalistische Meinungsfreiheit entfernt sich die Partei immer von den freiheitlichen Grundwerten.
Jahrzehntelang hat sich die FDP, auch unter Lindners Führung, von Medien aus dem linken Spektrum wie Spiegel, Stern, Zeit, Frankfurter Rundschau oder Süddeutsche Zeitung als aus der Zeit gefallene und überflüssige Partei demütigen lassen. Die „Heute-show“ hatte tatsächlich keine Probleme, die FDP wirklich unter der Gürtellinie zu treffen. Doch die journalistischen Vertreter der Kasper-Klasse wagen Lindner und Co. nicht auszugrenzen. Warum auch. Auf den FDP-Veranstaltungen für Politiker und Medien sind diese Kollegen da: eine Faust in der Tasche, eine Hand am Weinglas. Die FDP-Spitze hat vor ihnen Ehrfurcht, um es zurückhaltend auszudrücken, denn sie sind ja die übergroße Mehrheit im linksausgerichteten Medienbetrieb. Sie haben Wahlsieger Guido Westerwelle klein gemacht, Spitzenkandidat Rainer Brüderle Sexismus-Vorwürfe angehängt und so geholfen die FDP bei der Bundestagswahl 2013 zu versenken. Nun ja: eigenes politisches Unvermögen kam hinzu.
Beschreibt der Spiegel „Den tiefen Sturz Christian Lindners“, wird das klaglos hingenommen. Oder hat da einer das „ich-streiche-dich-von-der-Liste“-Spiel schon begonnen? Oder gab es irgendeine mediale Gegenwehr? Es führt zu keiner Ausgrenzung der Autoren. Wieso auch, die schreiben die FDP ohnehin nieder, also kann man sie getrost weiter informieren und einladen. Die Faust in der Tasche und die Hand am Weinglas.
Im 30. Jahr des Mauerfalls scheint dagegen die Linke von Gysi und Co. zumindest bei der Pressefreiheit eine liberalere Partei als die FDP zu sein. Bei den Linken kann sich der freie Autor und langjährige FOCUS-Journalist Opitz sehen lassen, obwohl er in zwei Instanzen einen Rechtsstreit gegen Gregor Gysi geführt und gewonnen hat. Dort ist seine konsequent kritische Haltung zu neuaufgewärmten Sozialismus-Fantasien bekannt. Olaf Opitz ist ein willkommener Gast. Ihn kann man nicht mehr überzeugen, aber sich immerhin klar und gut mit ihm streiten. Eine Hand am Weinglas, die andere offen. Das ist Haltung.
Eine Partei, die sich liberal nennt und der Freiheit verpflichtet ist, muss hingegen die Souveränität besitzen, kritischen Journalismus nicht als Angriff auf die eigene Existenz, sondern als Anregung zu sehen. Als Ansporn, sich wieder auf das zu besinnen, wofür sie von Journalist und Publizist Theodor Heuss einmal gegründet wurde.
Mein Freund und Kollege Olaf Opitz ist bei der liberalen Partei in Ungnade gefallen. Opitz ist immer noch gut informiert.
Aber blöd ist die Geschichte schon. Eigentlich könnte die Sache klein und belanglos sein. Eigentlich. Aber dennoch fällt darauf ein hartes Licht. Souverän geht anders. Satire auch.
Frank Valentin Wahlig war ARD-Hauptstadtkorrespondent