Israels Herrschaft wird mit dem Dominanzanspruch des Islams in seiner Hemisphäre nie kompatibel sein. Als religiöser Fremdkörper ist es Israels Schicksal, einen endlosen Kampf um seine Selbstbehauptung führen zu müssen. Israel ist kaum in der Lage, seine humanitären Ideale im Kulturkrieg durchzuhalten. Wenn es sich wehrt, wird es zum Täter, wehrt es sich nicht, ist es verloren. In diesem Dilemma sind moralisierende Ratschläge von sich in Sicherheit wähnenden Europäern besonders unangebracht.
Die Staatsgründung Israels ist trotz des zugrundeliegenden Uno-Beschlusses von 1948 in erster Linie aus geokulturellen Gründen umkämpft. Die territorialen Konflikte mit den Palästinensern sind oft nur vorgeschoben. Die Fremdherrschaft gegenüber den Kurden in gleich vier Staaten des Nahen Ostens wird demgegenüber hingenommen, da sie von islamischen Staaten ausgeht.
Als jüdische und demokratische Insel in einem Meer von islamischen und daher mehr oder weniger theokratischen Staaten befindet es sich in einer verzweifelten geographischen und zunehmend auch demographischen Lage. Es verdient für seinen Existenzkampf Respekt und Unterstützung, wobei militärische Hilfe die Europäer überfordern würde.
Jeder Aufmerksamkeitsverlust droht wie am 7. Oktober in einer Katastrophe zu enden. Die meisten Palästinenser werden die Existenz eines jüdischen Staates niemals akzeptieren, weil sie – so Leon de Winter – damit anerkennen würden, dass heiliges islamisches Land erfolgreich von Juden kontrolliert werden kann.
Israel und der Iran als Seismographen im Kampf der Kulturen
Israels Kampf um seine Existenz verlängert sich durch die offenen Grenzen Europas gegenüber muslimischen und daher oft auch islamistischen Zuwanderern zu einem Kampf um die Selbstbehauptung der freiheitlichen Demokratie gegenüber dem religiösen Totalitarismus.
Demokratie scheint dauerhaft auf jene Mächte beschränkt zu bleiben, welche die kulturellen Voraussetzungen dafür mitbringen. Eine Universalisierung des Westens im Sinne einer Zivilisierung ist nur gegenüber einigen besonders reichen und entwickelten Gesellschaften wie den Golf-Emiraten denkbar, nicht aber gegenüber den zahlreicheren theokratischen Regimen und Bewegungen.
Für Europa bedeutet dies, dass auch hier eine Integration von Muslimen und auf der zwischenstaatlichen Ebene mit der islamischen Staatenwelt nur funktional, aber nicht kulturell möglich ist. Umso wichtiger ist daher die Integration auf den Arbeitsmarkt und in allgemeine gesellschaftliche Prozesse – wie sie auch in Israel gegenüber mehr als 1,7 Millionen muslimischen israelischen Bürgern erfolgreich war.
Selbst wenn es Israel gelingen sollte, die Hamas für längere Zeit zu besiegen, wäre dies angesichts von Hisbollah, dem Islamischen Staat und der Ajatollahs im Iran keine Lösung. Der Kulturkampf von Islamisten wird gegen alle Andersgläubigen, ob dem Judentum oder zuvor gegenüber dem Christentum oder auch laizistischen Regimen in der islamischen Welt ausgetragen.
Der zweitwichtigste Seismograph des Kulturkrieges ist der Iran. Das Elend des neuzeitlichen Islamismus, Konvulsionen dieser Art hatte es auch in früheren Zeiten gegeben, nahm 1979 in der Revolution des Ayatollahs Chomeinis gegen die laizistische und mit Israel kooperierende autoritäre Diktatur des Schah Rezas Pahlewis seinen Ausgang.
Neben der Hamas und diversen Formen der Muslimbruderschaft wird Israel vor allem von der Hisbollah im Libanon unmittelbar bedroht, über dessen Kampfbereitschaft der Iran entscheidet. Die nach iranischem Vorbild geformte Hisbollah hat dem einst pietistischen Leidenskult der Schiiten in einen revolutionären Furor verwandelt. Für sie spielt der eigene Tod im Kampf um Gut und Böse sogar eine anfeuernde Rolle. Wer der Beerdigung von Hisbollah-Mitgliedern beiwohnt, wird Zeuge eines finsteren Schauspiels: Hunderte singen voller Trauer, während gleichzeitig die Angehörigen der Märtyrer jubelnd auf den Schultern getragen werden.
Die immer neuen Aufstände von Iranern gegen die totalitäre Mullahkratie könnten im Erfolgsfall auch den gesamten Islamismus entscheidend schwächen. Ein innerer Sieg über totalitäre Herrschaft erfordert einen gewaltigen Blutzoll oder aber ein ähnliches Wunder wie den damaligen friedlichen Zusammenbruch des Sowjetsystems.
Islamismus als neuer Totalitarismus
Auch neuere Erhebungen von Ruud Koopmans zeigen, wie die muslimische Welt über den Islamismus bezüglich Demokratie, Bildung und wirtschaftliche Lage ins Hintertreffen geraten ist. Darüber ist ein Teufelskreis erreicht worden, denn in diesen Kränkungen der Nachrangigkeit erweisen sich wiederum islamistische Erzählungen als attraktive Motive für die Verlierer der Moderne und gewinnen parallel zu den globalen Modernisierungsprozessen an Bedeutung.
Der Psychotherapeut Burkhard Hofmann folgert aus seiner Arbeit mit Muslimen am Golf und in Deutschland, dass in diesen Milieus der Fundamentalismus die prägende Kraft über alle gesellschaftlichen Verhältnisse gewonnen hat. Wenn der Primat der Religion einmal etabliert ist, gäbe es kaum einen Weg zurück in die gemäßigte Interpretation. Muslime haben keinen Glauben, sie sind der Glaube. Das Leben gilt ihnen als Vorbereitung auf den eigentlichen Moment und Sinn: dem Schöpfer zu begegnen.
Ein Moslem muss sich seinen Platz im Himmelreich nicht durch Leistung und Arbeit verdienen. Da alle Menschen als Moslems zur Welt gekommen sind, gelten Andersgläubige als Abtrünnige. Die Rationalitätsfeindlichkeit drückt sich auch darin aus, dass eine Reflektion des eigenen Erbe, analytisches Denken und Forscherdrang nicht gegeben sind. Während die Aufklärung den Europäer neugierig und tolerant gemacht hat, interessieren sich die meisten Muslime nicht einmal dann für andere Kulturen, wenn sie in ihnen leben. Im Gegenteil wollen sie ab einer bestimmten Größe den Einheimischen ihre Gesetze aufzwingen.
Je nach historischem Kontext und Denkschule lehrt der Islamismus Zurückhaltung und Verständnis oder Härte und Intoleranz, mal Überzeugung durch die Kraft des Wortes, mal Unterwerfung durch Waffengewalt. Gerade aufgrund der Vielfalt seiner Wege und Methoden kann er sein Eroberungsprogramm auf je spezifische Weise vorantreiben.
Der Feind im Innern. Die libertäre Linke und der Islam
Der Koran steht mit seinen Kriegsgeboten gegenüber Ungläubigen dem universellen Liebesgebot des Neuen Testaments diametral entgegen. Dies war früheren Generationen bewusst, aber mit der woken Selbstrelativierung der westlichen Kultur und ihrer totalen Toleranz wurde dem religiösen Totalitarismus Tür und Tor geöffnet.
In Deutschland und generell in weiten Teilen des Westens hat sich die politische Klasse sowohl in der Außen- wie im umgekehrten Universalismus der Migrationspolitik als urteilsunfähig erwiesen. Selbst Israel hat nicht zuletzt über die geglückten ökonomischen Annäherungen an arabische Staaten den fortbestehenden religiösen Totalitarismus unterschätzt. Die auch an israelischen Universitäten anzutreffenden woken Umtriebe und die Zerrissenheit des Landes über innere Strukturfragen wie der Rolle der Justiz wird es sich nicht mehr länger leisten können.
Der Islamismus bekennt sich im Falle Israels offen zu einer Ideologie des Rassismus und des Genozids. Dennoch kritisieren europäische Linksliberale lieber „Islamophobe“ als den Islamismus. Auch hedonistische Materialisten können sich nicht vorstellen, dass Kultur und damit nichtmaterielle Faktoren den Ausschlag geben.
Das oberste Ideal bleibt auch für die Linke nach dem Untergang des materialistischen Marxismus die Gleichheit. Der Übergang der Materialisten zu dessen identitären und eher ideellen Kategorien begründete den sogenannten Kulturmarxismus. Statt um Klassen und Produktionsverhältnisse geht es um Geschlechter und ethnische Minderheiten. Solche Gleichheitsideale schließen eine realistische Herabstufung anderer Kulturen als unterentwickelt aus. Im Gegenteil muss die Armut aus der Dominanz der Tüchtigeren, des Westens oder im Nahen Osten eben Israels erklärt werden.
Auch im ideologischen Kalten Krieg tanzten an unseren Universitäten totalitäre Maoisten und Marxisten jeder Art herum. Ihre ideologische Ausgrenzung schien zunächst erfolgreich gewesen zu sein. Dann rächte sich allerdings die bürgerliche Toleranz, indem deren geistige Machtergreifung in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften und von dort aus in den Medien und Parteien untergründig fortschritt. Ihre Gesinnungsoligarchie unterzog schließlich den gesamten öffentlichen Raum einer Gehirnwäsche.
Ihr Selbsthass stellt die Selbstbehauptung des Westens in Frage, auch deshalb, weil entsprechende Zweifel am Eigenen in anderen Kulturen nicht geteilt werden, vielmehr nach Belieben wie auch in der Entwicklungshilfe ausgenutzt werden.
Doch auch hierbei hilft die Erinnerung an den Kalten Krieg. Seit den 68er Jahren wurde der öffentliche Diskurs im Westen zwar von Linken jeder Art beherrscht, die den „Spätkapitalismus“ zu Grabe tragen wollten. Nach den jüngsten Ereignissen in Israel, aber auch aufgrund des erkannten Charakters der islamischen Zuwanderung, liegt das woke Weltbild allerdings in Trümmern. Die Rufe nach einem Palästina „vom Fluss zum Meer“ sind nichts anderes als Aufrufe zu einem neuen Holocaust.
Die bestialischen Vergewaltigungen durch die Terroristen relativieren die Aufregungen über „Sexismus“ im Westen erheblich. Wo immer Identität als Ersatz für Interessen dient, kann auch die jüdische Herkunft ein spezifisches identitäres Existenzrecht beanspruchen. Wenn der Antifaschismus in Europa immer noch seine Augen vor dem Gewalt- und Todeskult der Islamisten verschließen sollte, wird er sich abschaffen.
Wer noch länger leugnet, dass Antisemitismus heute in erster Linie ein islamisches Phänomen ist, grenzt sich aus einem ernstzunehmenden Diskurs aus. Religion wird in ihrer totalitären Variante als „Opium für das Volk“ erkennbar. Der interkulturelle Regenbogen ist als globalistische Fata Morgana entlarvt worden. Wo immer die Linke den nationalen Kampf der Ukraine und Israels unterstützen, kann sie ihre anti-nationale Attitüde selbst in Deutschland nicht mehr beibehalten.
Lesen Sie in Teil 2 über die geokulturellen Konsequenzen.