Der mündige Bürger ist untergetaucht. Oder hat irgendjemand in der politischen Diskussion der letzten Jahre noch mal irgendetwas vom demokratischen Anspruch an den „mündigen Bürger“ gehört, der einstmals als Souverän das Idealbild unserer demokratischen Gesellschaft dargestellt hatte?
Jetzt haben in unserem Land gesinnungsmoralische Eliten die öffentliche Meinung an sich gerissen und verordnen uns das, was wir ihrer Meinung nach zu denken haben. Klimakatastrophe, Energiewende und unbegrenzte Zuwanderung reißen sprachlose Löcher in das dünne Mäntelchen einer „gottgegebenen“ Zuschauerdemokratie und spalten unser Land in „Gutmenschen“ und „Rechte“.
Ausgrenzung stellt die ultimative nicht justiziable Maßnahme gegen Andersdenkende dar und lässt den derart Ausgegrenzten im wahrsten Sinne sprachlos zurück. Soweit sind wir hier in diesem unserem Lande also in Glaubensfragen schon wieder einmal gekommen. In der Nazidiktatur und der DDR waren solche Ausgrenzungen bei gleichzeitiger ideologischer Indoktrination durch gleichgeschaltete Medien staatstragende Maßnahmen gegen Mitbürgerinnen und Mitbürger und der Anfang für deren systematische Verfolgung …
Ausgrenzung macht sprachlos
Und vor diesem geschichtlichen Hintergrund verkehrt sich das ständig öffentlich-rechtlich verkündete Schreckgespenst vom neuen Nazi diametral in sein Gegenteil: Denn augenblicklich grenzen Politik und Medien zunehmend den mündigen Bürger aus der öffentlichen Diskussion aus. Die teilweise fragwürdigen Aktionen für Klimaschutz, Energiewende und unbegrenzte Zuwanderung von steuerfinanzierten Gruppen und Grüppchen aber, die sich jeder demokratischen Kontrolle entziehen, werden politisch unterstützt und medial verharmlost.
Die augenblickliche Hetze gegen den Klassenfeind weist unübersehbare Parallelen zur chinesischen Kulturrevolution auf, wo staatlich indoktrinierte jugendliche Garden Jagd auf Intellektuelle gemacht hatten. Und hier bei uns macht jetzt eine ideologisch selbstgleichgeschaltete Medienlandschaft hysterisch Jagd auf den als „neuen Nazi“, als „Rechten“ verleumdeten mündigen Bürger, der es doch tatsächlich wagt, sich in einer gutmenschlichen Meinungsdiktatur überhaupt noch kritisch zu äußern.
Dieses unser Land gehört also wieder einmal selbsternannten Eliten, diesmal den neuen Moralisten. Und der „mündige Bürger“, einstmals das Idealbild unserer Gesellschaft, steht inzwischen auf beiden Roten Listen, nämlich auf der roten Liste der aussterbenden Arten und auf der schwarzen Liste dieser selbsternannten Moralisten.
Der Moralistenstadel stinkt zum Himmel
Irgendwas ist oberfaul in diesem bundesdeutschen Moralistenstadel und stinkt zum Himmel. Meine Nachkriegsgeneration hatte einstmals diejenigen als Nazis kritisiert, die sich nicht gegen die damalige öffentliche Meinung gewehrt und zum Morden der braunen Schergen geschwiegen hatten. Und heute werden diejenigen pauschal niedergemobbt, die ihre Stimme gegen einen kranken Zeitgeist erheben.
Wer seine Meinung ganz offen zur Diskussion stellt, der ist ein aufrechter Demokrat und mündiger Bürger, solange er mit dieser Meinung auf dem Boden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Und wer sich eine solche Meinung gar nicht erst anhören will oder gar einen mündigen Demokraten wegen seiner kritischen Meinung von vorn herein aus dieser Gesellschaft ausgrenzt, der ist totalitär!
Bisher hatte ich nur mein selbstverständliches Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen. Jetzt aber habe ich Angst vor totalitären Gesinnungsmoralisten, ich bin misstrauisch geworden gegenüber dem moralisierend-beschönigenden Geschwätz unfähiger Politiker und offensichtlichen Auslassungen in den Berichten von ideologisierten Erziehungsmedien – und ich bin den Vätern des Grundgesetzes überaus dankbar für meine verfassungsmäßigen Bürgerrechte in dieser unserer Bundesrepublik Deutschland!
Es ist besser zu verlieren, als nicht gekämpft zu haben
In meinem ersten Lebensdrittel musste ich mich mit einer im Nationalsozialismus sozialisierten Elterngeneration auseinandersetzen, der vorgeworfen wurde, „nichts gewusst“ und geschwiegen zu haben und die schwer traumatisiert war. Im zweiten Drittel habe ich dann mein Brot in der Erdölexploration verdient und war dort auch in der betrieblichen Mitbestimmung tätig. In meinem letzten Drittel, also nach meiner Pensionierung, wollte ich dann endlich nur noch ein ganz lieber Opa sein.
Wenn es aber tatsächlich so etwas wie „Generationengerechtigkeit“ geben soll, dann kann ich jetzt nicht einfach „nichts gewusst“ haben und zu diesem ganzen Unfug schweigen; das bin ich sowohl meiner Kritik an der vorherigen Generation als auch künftigen Generationen schuldig.
Uli Weber ist Geophysiker und Publizist.