Es war von vornherein klar, dass die FDP in einer Koalition mit SPD und Grünen, zumal als kleinster Partner, keine wirkliche Gestaltungsmacht hat. Sie kann allenfalls bremsen und versuchen, den schlimmsten Unsinn zu verhindern. Dafür braucht es aber vor allem eins: Glaubwürdigkeit. Umso gefährlicher ist, dass die FDP ihre Glaubwürdigkeit bereits in den ersten Tagen schwer beschädigt hat.
Da war zunächst ihre Kehrtwende bei der Corona-Pandemie. Wie immer man in der Sache zu den staatlichen Maßnahmen steht, eins ist jedenfalls fatal: Wenn eine Partei wenige Wochen vor der Wahl das baldige Ende aller Corona-Restriktionen fordert, eine Impfpflicht kategorisch ausschließt und dann in der Regierung das vollständige Gegenteil von beidem betreibt.
Nicht weniger gravierend ist der Sündenfall der FDP in der Haushaltspolitik. Der neue Finanzminister legt sofort nach Amtsantritt einen Nachtragshaushalt vor, mit dem 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt, die als Notreserve für Corona-Hilfen gedacht waren, für die „Klimapolitik“ umgewidmet werden sollen. Es handelt sich wohlgemerkt um 60 Milliarden Euro neue Schulden. Ob das Bundesverfassungsgericht dabei mitspielt oder nicht: Das ist nichts anderes als eine üble Haushaltstrickserei, um die Schuldenbremse des Grundgesetzes zu umgehen.
Noch vor wenigen Wochen hätte Christian Lindner das auch genau so bezeichnet. Jetzt macht er es selbst. Wie soll das erst werden, wenn Olaf Scholz Deutschland immer weiter in die europäische Schuldenunion treibt? Das wird er versuchen. Macht die FDP dann auch mit?
Eine solide Haushalts- und Finanzpolitik, die Position der wirtschaftlichen Vernunft, gehört zum Markenkern der FDP. Wenn sie die Ampel überleben will, muss sie diesen Markenkern eisern verteidigen. In den ersten Tagen der neuen Regierung hat sie stattdessen ihre Segel gestrichen. Ein hoffnungsvoller Start sieht anders aus.
Dr. Gerhard Papke (FDP) ist Landtagsvizepräsident NRW a.D. und Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland e.V.