Tichys Einblick
Nach Solingen-Attentat

Dem Islamismus endlich die Stirn bieten

Die tödliche Messerattacke in Solingen hat die gefährliche Selbstgefälligkeit der Eliten gegenüber der islamistischen Bedrohung offengelegt. Sollten AfD und BSW in Thüringen und Sachsen von dem Anschlag profitieren, hat sich die Regierung das selbst zuzuschreiben. Von Sabine Beppler-Spahl

picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Warum erhielt das Stadtfest in Solingen, bei dem drei Menschen einem islamistischen Terroranschlag zum Opfer fielen, den Namen „Festival der Vielfalt“? Im Nachhinein wirkt das wie eine Ironie. Fast zwanghaft scheint das Bekenntnis unserer Politiker und Eliten zur Multi-Kulti-Ideologie. Der Anschlag will so gar nicht in das Bild der schönen Vielfalt passen. Der Verdächtige, Issa al-H, ist ein 26-jähriger Syrer, der 2022 als Flüchtling nach Deutschland kam. Er wurde am Samstag nach einer 26-stündigen hektischen Suche verhaftet. Bevor er sich stellte, hatte die Polizei ein Asylbewerberheim durchsucht, Straßensperren errichtet und die Anwohner aufgefordert, in den Häusern zu bleiben.

Nur wenige Stunden nach den Morden bekannte sich der Islamische Staat (IS) zu dem Anschlag. Die Terrorgruppe veröffentlichte auf Telegram eine Erklärung, in der von einem „IS-Soldaten“, der Christen „aus Rache für Muslime in Palästina und überall“ angegriffen habe, die Rede ist. Auch der ISIS veröffentlichte später ein Video. Es zeigt einen maskierten jungen Mann – angeblich den Verdächtigen – mit einem langen Messer in der Hand, der dem IS-Anführer auf Arabisch die Treue schwört.

Leider ist die Reaktion der Bundesregierung auf den Terror äußerst schwach geblieben. „Wir stehen zusammen und lassen uns nicht spalten“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD). War dies alles, was sie angesichts der Brutalität des Anschlags an Leidenschaft aufbringen konnte? Kein Wunder, dass die ohnehin schon recht unbeliebte Regierung noch weiter in die Kritik geraten ist.

„Der dreifache Messermord auf dem ‚Festival der Vielfalt‘ in Solingen steht geradezu symbolisch für das Scheitern dessen, was dort gefeiert werden sollte. Und für die Hilflosigkeit einer Politik, die auf die pure Gewalt nur mit gefühligen Worten reagiert“, schreibt Ferdinand Knauss im Cicero. Von einem Land, das kurz vor der Kapitulation steht, spricht Ulrich Reitz vom Focus. Er zitiert den Wuppertaler Polizeipräsidenten, der sagte, jeder müsse nun mit sich selbst „ausmachen, ob er zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist“. Mehrere Veranstaltungen wurden am Wochenende abgesagt.

„Der Islamismus hat dem Westen eindeutig den Krieg erklärt, aber die Verantwortlichen sind nicht – oder wenn, dann nur sehr zögerlich – bereit, dies anzuerkennen.“

Selbst der traditionell regierungsfreundliche Tagesspiegel fordert in einem Kommentar, dass die Politik mehr für Sicherheit tun müsse. Die Ampel müsse jetzt zeigen, dass sie noch in der Lage sind, die Probleme im Land anzugehen, heißt es dort.

Natürlich kann keine Regierung jeden Terroranschlag verhindern, zumal islamistische Anschläge immer häufiger mit einfacher Technik, nur mit Messern oder Fahrzeugen, und oft von Einzeltätern verübt werden. Aber was den Solinger Anschlag so brisant macht, ist die Tatsache, dass Issa al-H. schon vor einigen Monaten hätte abgeschoben werden müssen. Er kam im Jahr 2022 nach Deutschland, nachdem er bereits in Bulgarien Asyl beantragt hatte. Als sein Asylantrag in Deutschland scheiterte, erließ die Polizei eine Abschiebungsanordnung, aber die Beamten konnten ihn an seinem letzten bekannten Wohnort nicht antreffen. Da es ihm gelang, mehr als sechs Monate in Deutschland zu bleiben, lief die Abschiebungsanordnung aus. Daraufhin wurde ihm „subsidiärer Schutz“ gewährt und er wurde in einer Flüchtlingsunterkunft in Solingen untergebracht.

Die Regierung hat sich nicht nur schwach und hilflos gezeigt, sondern auch ihre Angst und Abscheu vor den Wählern offenbart. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Beispiel rief, ähnlich wie Faeser, die Öffentlichkeit dazu auf, „gegen Hass und Gewalt zusammenzustehen“. Das war kein Appell, sich dem islamistischen Terrorismus entgegenzustellen. Nein, es war eine Warnung an die Öffentlichkeit, die sogenannte Islamophobie und einwanderungsfeindliche Stimmungen abzulehnen (denn offenbar können die Bürger nicht zwischen friedlichen Migranten und Terroristen unterscheiden). Die nicht ganz so subtile Botschaft an die Wähler lautete: Hört auf, wegen eines weiteren Anschlags wütend auf die Regierung zu sein – und wagt es nicht, euch für Antworten an populistische Parteien zu wenden.

Aber die Bürger haben allen Grund, wütend auf ihre Regierung zu sein. Der Islamismus hat dem Westen eindeutig den Krieg erklärt, aber die Verantwortlichen sind nicht – oder wenn, dann nur sehr zögerlich – bereit, dies anzuerkennen. Sie befürchten, dass das bloße Reden über das Problem populistischen Parteien wie der AfD Auftrieb geben könnte.

„Deutschland habe ein Problem mit Messergewalt, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil – als ob die Messer selbst für diesen abscheulichen Angriff verantwortlich wären.“

Es ist mittlerweile unbestreitbar, dass die Regierung den populistischen Zorn der Massen weit mehr fürchtet als den tatsächlichen islamistischen Terrorismus. Mit ihrer Förderung des Multikulturalismus hat die Regierung den Aufstieg des radikalen Islam – wenn auch unwissentlich – begünstigt. So hat die derzeitige Regierung die vom Islamismus ausgehende Bedrohung immer wieder heruntergespielt – und zuweilen sogar abgetan. Eine der ersten Amtshandlungen von Nancy Faeser als Innenministerin im Jahr 2022 war die Abschaffung des „Expertenkreis Politischer Islamismus“. Stattdessen setzte sie den „Expertenkreis Antimuslimischer Rassismus“ ein. Allzu vorhersehbar war, dass der Bericht dieser Gruppe mehrere prominente Kritiker des Islamismus als Rassisten beschuldigen würde.

Die überhebliche Implikation all dessen ist, dass die Bekämpfung des islamistischen Extremismus das Risiko birgt, gewöhnliche Muslime zu entfremden oder Hass gegen sie zu schüren. Diese Einstellung richtet sich sowohl gegen muslimische als auch nicht-muslimische Menschen in diesem Land. Das multikulturelle Projekt essenzialisiert Minderheitengruppen, indem es sie in den Augen des Establishments auf ihre reaktionärsten Elemente reduziert – und so diese Extremisten vor Kritik abschirmt.

Selbst nach dem Anschlag in Solingen haben führende SPD-Vertreter wie Saskia Esken behauptet, man könne daraus „nicht viel lernen“. Stattdessen versucht die Regierung, den Fokus auf Messer zu lenken. Deutschland habe ein Problem mit Messergewalt, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil – als ob die Messer selbst für diesen abscheulichen Angriff verantwortlich wären. Seine Forderung nach einem fast vollständigen Verbot von Messern auf den Straßen wurde von Faeser, den Grünen und anderen unterstützt, darunter auch Berlins Bürgermeister Kai Wegener (CDU).

„Solingen ist eine Stadt, die seit langem mit den beiden großen Problemen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, zu kämpfen hat: der Massenmigration und dem Niedergang der traditionellen Industrie.“

Hier finden wir eine weitere dunkle Ironie. Solingen war einst stolz auf sein industrielles Erbe in der … Messerproduktion. Solingen ist bekannt für hochwertige Messer und Schneidwaren. Seit 2012 nennt sich die Stadt „Klingenstadt“. Solingen ist eine Stadt, die seit langem mit den beiden großen Problemen, mit denen Deutschland konfrontiert ist, zu kämpfen hat: der Massenmigration und dem Niedergang der traditionellen Industrie. Beide Probleme heizen die populistische Welle in Deutschland an. Rund 30 Prozent der Einwohner Solingens haben einen Migrationshintergrund. Syrische Flüchtlinge stellen inzwischen die drittgrößte Zuwanderergruppe in der Stadt dar.

Es ist bezeichnend, dass die 650-Jahr-Feier Solingens in ein „Festival der Vielfalt“ umgewandelt wurde. Die Veranstaltung hätte eine perfekte Gelegenheit sein können, um Einheimische und Migranten gleichermaßen mit der stolzen Geschichte der Stadt, die sie teilen, zu verbinden. Stattdessen wurde sie genutzt, um eines der Lieblingsprojekte der deutschen Eliten zu verfolgen – das Feiern und Sakralisieren von Unterschieden, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was alle Gruppen zusammenbringen kann. Die Menschen haben es verständlicherweise satt, sich bei jeder Gelegenheit vor dem Multikulturalismus verbeugen zu müssen.

Die Appelle der Regierung zur Einheit werden nicht fruchten. Wie gespalten Deutschland ist, wird sich bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen zeigen. Sollten die AfD und die BSW von dem Anschlag in Solingen profitieren, hat sich die Regierung das selbst zuzuschreiben. Sie hat es immer wieder versäumt, dem islamistischen Extremismus die Stirn zu bieten. Die Wähler haben jedes Recht zu verlangen, dass Terroranschläge wie die der letzten Wochen nicht zur neuen Normalität werden dürfen.


Dieser Beitrag von Sabine Beppler-Spahl ist zuerst bei Spiked erschienen.

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