Denken wir zurück an den Herbst 2015 und die darauffolgenden Monate: Über die sogenannte „Balkanroute“ brach sich eine Migrationskrise bisher ungeahnten Ausmaßes Bahn. Hunderttausende – die allermeisten davon junge Männer – zogen aus der Türkei in Richtung Deutschland, als würden Landesgrenzen überhaupt nicht existieren. Über Wochen und Monate dominierte nur dieses eine Thema die Schlagzeilen.
Auch Bundeskanzlerin Merkel reagierte – und ließ den Großteil der Migranten nach Deutschland kommen. Per Bus, per Bahn oder auch zu Fuß. Schließlich dürfe, so die Begründung, die europäische Freizügigkeit nicht gefährdet werden, indem die Grenzen geschlossen werden. Vielmehr stellte Merkel in Aussicht, eine „europäische Lösung“ für die Verteilung der fast eineinhalb Millionen Asylbewerber zu finden.
Doch bis heute ist nichts in dieser Richtung passiert. Ganz im Gegenteil: Das europäische Asylsystem wurde 2015 aus den Angeln gehoben und bis heute nicht repariert. Noch immer gibt es keine klare Regelung bei der Verteilung, die dann auch tatsächlich eingehalten werden. Und noch immer kommen viel zu viele Asylbewerber nach Deutschland: 223.000 im Jahr 2017, 186.000 im Jahr 2018, 166.000 im Jahr 2019. Ein radikales Umdenken in der Asylfrage ist deshalb dringend erforderlich.
Der EuGH besiegelt das Recht auf Asyltourismus
Zwar ist es für ein EU-Land wie Deutschland möglich, Asylbewerber aus Griechenland (oder einem anderen EU-Land) freiwillig aufzunehmen; hieraus erhalten Asylbewerber aber nicht das Recht, dazwischen liegende Staaten wie Ungarn, Kroatien, die Tschechische Republik oder Österreich zu durchqueren. Merkels Entscheidung, trotzdem hierzu aufzurufen, hat den europäischen Zusammenhalt bis heute schwer beschädigt und unmittelbar auch zur Gründung der Visegrad-Gruppe geführt.
Dass sich große Zahlen von Migranten auch heute noch illegal Zutritt zu einem der meist ärmeren Staaten an der Südgrenze verschaffen und dann ebenso illegal in reichere Staaten wie Deutschland weiterreisen, ist kein großes Geheimnis. Nun hat der EuGH in einem aktuellen Urteil dieser Praxis Brief und Siegel gegeben. Geklagt hatte ein Mann aus Eritrea. Er hatte erst in Italien Asyl beantragt, war dann aber nach Deutschland weitergereist, um noch einmal Asyl zu beantragen. Laut EuGH darf Deutschland ihn nicht nach Italien abschieben, sondern muss ihn behalten und seinen Asylantrag prüfen.
Damit ist nun das, was Markus Söder noch 2018 völlig zurecht als „Asyltourismus“ angeprangert hat, gesetzlich vorgeschrieben. Den Migranten, die von freien und rechtsstaatlichen Ländern wie Italien oder Griechenland nach Deutschland oder Schweden weiterziehen, geht es eindeutig um wirtschaftliche Motive. Auch in den ärmeren EU-Staaten wird niemand verfolgt oder kommt sonstwie zu Schaden. Für legale Migranten, die durch berufliche Qualifikation nach Deutschland kommen und dafür komplizierte bürokratische Verfahren durchlaufen müssen, dürfte dies wie ein schlechter Witz klingen. Und ganz gewiss auch für den deutschen Steuerzahler!
EU-Außengrenzen unterliegen de facto der nationalen Willkür
Neben einem Verbot des innereuropäischen Asyltourismus wäre der konsequente Schutz der EU-Außengrenzen ein weiterer wichtiger Schritt. Hier haben die Grenzstaaten in der Vergangenheit höchst unterschiedlich gehandelt: Als sich Anfang dieses Jahres – etwa zeitgleich mit dem Corona-Ausbruch – eine erneute Migrationskrise abzeichnete, schloss die griechische Regierung in einem mutigen und richtigen Schritt die Grenze.
Das Jahr 2020 zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild: Der konservative Premierminister Kyriakos Mitsotakis handelte entschlossen für sein Land und bot Erdogan Paroli, indem er keine Migranten mehr ins Land ließ. Freilich gibt es auch in seiner eigenen Partei Stimmen, die eine noch härtere Begrenzung der Migration wünschen. Jedenfalls lässt sich hieran erkennen, dass der europäische Umgang mit der Asylfrage stark von den Eigeninteressen der nationalen Regierungen geprägt ist. Selbst wenn Frau Merkel jemals ernsthaft versucht hätte, eine europäische Lösung für die Asylthematik zu finden – sie hätte keine Mittel in der Hand, um die Regierungen entsprechend zu disziplinieren.
Deutschland braucht den politischen Willen, die Migration einzudämmen
Das Problem liegt weder in den vorhandenen Gesetzen noch in den Gerichtsurteilen. Wenn ein entsprechender politischer Wille da ist, lassen sich entsprechende Gesetze machen und anwenden. Die derzeitige Situation, in der ein Migrant einfach nur irgendwie europäischen Boden betreten muss, um sofort Zugang zum deutschen Sozialgeld zu bekommen, ist völlig untragbar.
Dies muss unsere Bundesregierung endlich begreifen. Sie muss zum einen dafür sorgen, dass weniger – oder am besten gar keine – illegalen Einwanderer über die EU-Außengrenzen kommen; und zum anderen dafür, dass der Asyltourismus innerhalb der EU gänzlich unterbunden wird. Unter anderem die folgenden Maßnahmen lassen sich hierfür auf nationaler und europäischer Ebene durchsetzen:
- Vollständige Abriegelung der Mittelmeerroute; Bootsmigranten müssen nach Seenotrettung wieder an ihren Startpunkt zurückgebracht werde.
- Keine politischen Zugeständnisse gegenüber der Türkei mehr; Erdogans „Migrationswaffe“ muss ins Leere laufen.
- Einführung nationaler Grenzkontrollen, um Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung bzw. Schengen-Visum die Einreise zu untersagen.
- Konsequente Durchführung von Abschiebungen, um weitere illegale Wirtschafts- und Sozialmigranten abzuschrecken.
- Verschärfung der Kontrollen gegen Asyl- und Sozialmissbrauch; Einschränkung der Sozialhilfen für Asylbewerber.
Die ungesteuerte und unkontrollierte Migration nach Europa hat zahlreiche negative Auswirkungen. Die Bundesregierung sollten dies endlich anerkennen und die passenden Schritte einleiten, um Sicherheit, Wohlstand und gesellschaftlichen Frieden zu schützen.
Simone Baum ist CDU-Mitglied und stellvertretende Vorsitzende der WerteUnion