Mit der Wiederwahl von Donald Trump hat das politische und kulturelle Establishment der USA eine unerwartet schwere Niederlage erlitten. Als am Dienstagabend die Nachricht eintraf, dass die Wähler im umkämpften Bundesstaat Georgia den republikanischen Kandidaten mit 54 Prozent zu 43 Prozent favorisierten, was darauf hindeutete, dass Trump auf dem Weg ins Weiße Haus ist, konnte man den Schock im Gesicht des CNN-Moderators Jake Tapper ablesen. Es fiel ihm sichtlich schwer, das zu verarbeiten, was er als unwillkommene Nachricht empfand.
Tappers Kollege, CNN-Kommentator Van Jones, verschluckte sich buchstäblich, als er Trumps Sieg als „Albtraum“ bezeichnete. Er wurde emotional, als er die Angst und die Pein kommentierte, die die Anhänger von Kamala Harris nun empfinden könnten, nachdem sie die Präsidentschaft verpasst hat. Die MSNBC-Nachrichtensprecherin Joy Reid ging bei Trumps Sieg in Florida live in die Luft und attackierte die angebliche Hinwendung des Bundesstaates zum „rechtsextremen Faschismus“.
Die Hysterie, die von Teilen der etablierten Medien an den Tag gelegt wird, wird vom Rest des Establishments geteilt. Nach der Reaktion der Eliten auf die Wahl von Trump im Jahr 2016 zu urteilen, wird sich diese Wut bald in eine antipopulistische Raserei verwandeln. Bereits 2016 hieß es in einem Essay im Atlantic: „Unser drängendstes politisches Problem ist heute, dass das Land das Establishment im Stich gelassen hat, nicht umgekehrt.“ Ein Kolumnist von Foreign Policy reagierte auf den Brexit im selben Jahr mit den Worten, es sei „Zeit, dass sich die Eliten gegen die unwissenden Massen erheben“. Angesichts des Ausmaßes von Trumps Comeback wird sich das Gefühl der Eliten, vom Volk verraten worden zu sein, nur noch weiter verstärken.
Dieser herablassende Hass auf die ungehorsamen Massen geht einher mit einer starken Stimmung des Unverständnisses. Die Verantwortlichen der etablierten Medien und ihre Kollegen im öffentlichen und privaten Sektor haben keine Ahnung, warum Millionen von Menschen Trump gewählt haben, da sie nur mit ihresgleichen sprechen. Ihnen zu unterstellen, dass ihnen der Bezug zur realen Welt fehlt, wäre noch untertrieben. Viele in dieser Klasse glauben wirklich, an den Hebeln der Macht zu sitzen. Insbesondere die Medien haben sich der Illusion hingegeben, dass sie die Loyalität praktisch aller Menschen gewonnen haben, abgesehen von unverbesserlichen Rassisten, Homophoben und rechtsextremen Nationalisten. Nun, wo die Mehrheit der amerikanischen Wähler beschlossen hat, deren Weltanschauung abzulehnen und sich auf die ‚falsche‘ Seite der Geschichte zu schlagen, suchen diese Eliten nach Sündenböcken.
Während die „weißen“ Amerikaner seit langem für den Aufstieg des Populismus verantwortlich gemacht werden, fühlen sich die Eliten diesmal besonders von den Millionen Wählern aus ethnischen Minderheiten verraten, die sich für Trump entschieden haben. Damit haben diese gezeigt, dass sie nicht bereit sind, dem Altar der Identitätspolitik zu huldigen. Amerikas Oligarchie erwartet vor allem von hispanischen und schwarzen Wählern eine automatische Loyalität. Die Weigerung bedeutender Teile dieser Gruppen, die Demokratische Partei zu wählen, erschüttert die Taktik, Minderheiten als Wahlfutter zu benutzen.
Die enorme Unterstützung, die Trump von hispanischen Wählern erfuhr, ist wohl der schwerste Rückschlag, den die Identitätspolitik je erlitten hat. Die Bedeutung dieses Ereignisses kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In den letzten Jahrzehnten ist die Identitätspolitik zu einem integralen Bestandteil der Elitenideologie und zu einem Mittel für die Führungsklasse geworden, die Kontrolle über die Gesellschaft zu behalten. Bis zu dieser Wahl wurde die Identitätspolitik selten so ernsthaft in Frage gestellt.
Trumps Triumph hat auch bei den Eliten auf der anderen Seite des Atlantiks eine hysterische Reaktion ausgelöst. Das sollte uns eigentlich nicht überraschen. Schließlich reichte schon der relativ bescheidene Erfolg von Reform UK bei den Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich Anfang dieses Jahres aus, um unter den Meinungsbildnern eine Stimmung der Unruhe zu erzeugen. „Früher oder später“, so Guardian-Kommentator John Harris, im Juli, „wird man sich mit dem Schlangenöl-Charme von Nigel Farage und Reform UK auseinandersetzen müssen – vor allem, wenn Trump ins Weiße Haus zurückkehrt‘. Nun, da Trump tatsächlich kurz vor der Rückkehr ins Weiße Haus steht, wird dies den Populisten in Großbritannien und Europa unweigerlich mehr Selbstvertrauen einflößen. Trump und die Graswurzelbewegung, die ihn antreibt, haben gezeigt, was man trotz aller Widrigkeiten erreichen kann.
Eine neue Ära des Populismus ist angebrochen. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft der gesamten westlichen Welt zeitigen. Europa, genau hinsehen!
Dieser Beitrag ist zuerst auf spiked erschienen.
Frank Furedi @Furedibyte ist geschäftsführender Direktor des Think-Tanks MCC-Brussels, Autor zahlreicher Bücher und politischer Kommentator der Gegenwart. Mehr von Frank Furedi lesen Sie in den Büchern „Die sortierte Gesellschaft – Zur Kritik der Identitätspolitik“, „Schwarzes Leben, weiße Privilegien? Zur Kritik an Black Lives Matter“ und in seinem neuen Buch: „The war against the past – Why the west must fight for its history.”