Selten zuvor ist Deutschland unter wirtschaftlich so positiven Vorzeichen in ein neues Jahr gestartet. Die aktuellen Meldungen der Forschungsinstitute übertreffen sich in Superlativen. So bezeichnet das ifo-Institut die Stimmung in den deutschen Chefetagen als „hervorragend„ und meldet Ende November den Anstieg des Geschäftsklima-Index‘ auf einen neuen Rekordwert. Gleichzeitig erhöht das Institut seine bisherige BIP-Wachstumsprognose für Deutschland in 2018. Auch international sind erfreuliche Rahmenbedingungen zu konstatieren. So laufen die Geschäfte der Industrie in der Euro-Zone so gut wie seit dem Platzen der Internetblase vor über 17 Jahren nicht mehr. Das ifo-Weltwirtschaftsklima ist in nahezu allen Regionen auf den höchsten Stand seit 2011 gestiegen. Die Industriestaaten-Organisation OECD rechnet für das junge Jahr mit einem Wachstum des globalen Bruttoinlandsproduktes um 3,7 % und für 2019 mit einer weiteren Zunahme um 3,6 %. Für Deutschland, das sich seit nunmehr acht Jahren im anhaltenden Aufschwung befindet, erwartet die OECD in 2018 einen Anstieg um 2,3 % und in 2019 um 1,9 %.
Eine existenzielle Großbaustelle ist und bleibt für Deutschland die enge Verflechtung mit der EU und der Gemeinschaftswährung. Unstrittig ist, dass der Brexit nicht nur dem europäischen Handel Milliardenverluste beschert, sondern auch die Belastungen des Nettobeitragszahlers Deutschland weiter erhöhen wird. Noch wesentlich gravierender werden die Auswirkungen der von der EU-Kommission und dem französischen Staatspräsidenten angestrebten Weichenstellungen sein, die Euro-Zone – unter dem Denkmantel der „Solidarität“ – zur unumkehrbaren Transfer- und Schuldenunion mit Deutschland als institutionalisiertem Großzahlmeister zu „vertiefen“. Die Akteure in Brüssel und Frankreich scheinen ihre historische Chance zur finalen Neuausrichtung in der Schwächung der Bundesrepublik infolge der Probleme einer Regierungsbildung zu sehen. Ein fatales Signal zur kollektiven Schuldübernahme könnte der vom „Spiegel“ enthüllte Plan der EU-Kommission sein, die Euro-Länder aus der Verpflichtung zu entlassen, das gesamtwirtschaftliche Defizit unter der 3 %-Grenze zu halten. Stattdessen soll künftig genügen, dass die Euro-Zone insgesamt unter diesem Wert bleibt. Diese Taschenspieler-Tricks würden den Spielraum für eine noch weitergehende Verschuldung um jährlich über 200 Mrd. Euro erhöhen. Die Konsequenz: Je mehr die Nordstaaten sparen, desto höher können sich die Südländer zusätzlich verschulden. Natürlich hat der Kommissionspräsident („Wenn es ernst wird, muss man lügen“) den „Spiegel“-Bericht umgehend als „frei erfunden“ dementieren lassen. Bei der Realisierung ihrer Pläne setzten Juncker, Macron und Tsipras bemerkenswerterweise große Hoffnungen auf die tatkräftige Unterstützung des früheren SPD-Vorsitzenden. Wohin der Weg führt, zeigt auch die Tatsache, dass die südeuropäischen Schuldenländer den portugiesischen Sozialisten Mario Centeno als Chef der Euro-Gruppe durchgesetzt haben. Der Publizist Gabor Steingart verweist auf fehlende Qualifikationen und kommentiert: „Nun wird der Mann zuständig für die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik und die Ausarbeitung milliardenschwerer Rettungsprogramme. Merkel hat zugestimmt. Die griechische Linksregierung kann ihr Glück kaum fassen: Ouzo für alle.“
Target 2 dürfte mittlerweile das heißeste Tabu-Thema der deutschen Politik sein. Politiker, die die Ausfallrisiken kennen, tun alles, um das Problem zu vernebeln. Der Ökonom Hans-Werner Sinn hat das Target 2-System als „goldene Kreditkarte“ der Schuldenländer bezeichnet. Letztlich handele es sich um eine Umschuldung für die Krisenstaaten. Sollte die Währungsunion auseinanderbrechen, seien die deutschen Forderungen uneinbringlich. Auch wenn einzelne Staaten aus dem Euro austreten würden, bliebe Deutschland auf den anteiligen Verlusten sitzen. Dadurch sei die Bundesrepublik erpressbar geworden. Absurderweise sieht das Target-System keine Absicherung der Verbindlichkeiten vor. Denkbar wäre z.B. eine Haftung der Schuldenländer mit ihren nationalen Goldbeständen gewesen. Aber dieses naheliegende Thema ist merkwürdigerweise nie auf die Tagesordnung der EU-Institutionen gelangt. Und die verschiedenen Bundesregierungen haben offenbar diesen zentralen Konstruktionsfehler nicht erkannt oder nicht erkennen wollen …
Der Unternehmer Dietrich W. Thielenhaus kommentiert aktuelle Entwicklungen in Politik und Wirtschaft.