Tichys Einblick
Rückblick und erste Bewertung

Corona: Viele Politiker und Medien agierten wie im Wahn

Mittlerweile ist die erste Corona-Welle in Europa vorbei, die meisten Regierungen feiern sich selbst, man diskutiert nur noch über die zweite Welle und einzelne Infektionen und mögliche Rücknahmen der Lockerung. Stammleser Martin Engelhardt wagt eine erste Zusammenfassung und einen Rückblick.

Leere Einkaufsstraße in Düsseldorf

imago images / Revierfoto

Vor der Entscheidung über Einschränkungen wie auch über Lockerungen müsste eine Betrachtung der Auswirkungen von Corona stehen. Die häufigsten Schätzungen gehen von einer Mortalität von 0,3% bis 0,5% der Infizierten aus. Wenn man die Risikogruppen nicht oder kaum schützt, würden sich vielleicht 50% daraus infizieren, was zu einer Sterblichkeit von 0,15% bis 0,25% führt. In der italienischen Lombardei, einem Corona-Hotspot, sind rund 0,16% der Bevölkerung dem Corona-Virus zum Opfer gefallen, bei einer Durchseuchung im lombardischen Bergamo von 57% und ohne nennenswerten Schutz der Risikogruppen.

Auswirkung Corona auf die Lebenserwartung: 1 Tag

Auch wenn die Medien gelegentlich zuvor kerngesunde junge Menschen präsentieren, die durch Covid-19 (fast) gestorben sind, handelt es sich doch eher um Ausnahmen. Die Betrachtung der Verstorbenen in Italien bis Mitte März zeigt ein Durchschnittsalter von 81 Jahren, wobei von 2.000 Verstorbenen keiner unter 30 Jahren war, nur 3,5% unter 60 Jahren und rund 11% unter 70. Weniger als 1% hatten keine Vorerkrankungen, rund 50% drei oder mehr Vorerkrankungen. Wenn spätere Statistiken aus anderen Ländern mehr jüngere Opfer zeigen, liegt dies sicherlich auch daran, dass sich ältere Menschen mittlerweile deutlich stärker isolieren, so dass sie nicht so oft infiziert werden. Daher scheint mir die italienische Studie am repräsentativsten.

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Bei diesen Zahlen drängt sich die Frage auf, wie lange diese Patienten ohne Infektion gelebt hätten. Ein 80jähriger Mann hat noch eine Lebenserwartung von 8 Jahren. Für die Patienten mit mehreren Vorerkrankungen dürfte die Lebenserwartung deutlich niedriger sein. Ein Hamburger Gerichtsmediziner nennt Covid-19 bei den von ihm obduzierten Patienten „den letzten Tropfen“ im Fass. Ein Basler Arzt spricht von einem Verlust von „Tagen, Wochen oder Monaten“ durch Corona — „Jahre“ kommen bei ihm nicht vor. Nehmen wir mal an, ein Corona-Opfer würde 1 Jahr seines Lebens verlieren.

Aus der Mortalität und dem Verlust an Jahren ergibt sich eine reduzierte Lebenserwartung von 0,25% * 1 Jahr, also rund 1 Tag. Vielleicht sind es zwei Tage, vielleicht auch nur ein paar Stunden, aber ganz sicher nicht mehr als eine Woche. Diese Zahl muss der Maßstab für alle Maßnahmen sein, nicht die Reproduktionszahl, nicht die Anzahl an Infektionen und nicht Bilder von Särgen. Wer mit letzteren argumentiert, agiert nicht verantwortungsethisch, sondern bestenfalls gesinnungsethisch oder gar populistisch. Stellen wir diesen einen Tag Lebenserwartung in Relation:

Einige Länder wir Spanien und Italien haben ihren Bürgern mehrmonatigen Hausarrest verordnet. 50 Tage Hausarrest, um vermeintlich 1 Tag Lebenserwartung zu retten – wie jemand auf diese Idee auch nur kommen kann, entzieht sich meiner Vorstellung.

Vergleichen wir den Tag mit anderen Geißeln der Menschheit, z.B. tödlichen Unfällen und Suiziden, die in Deutschland einen Anteil von 5% und 1% an allen Todesfällen haben. Jedes dieser Opfer verliert aber rund 50 Lebensjahre. Der Verlust an Lebenserwartung liegt somit bei Unfällen bei 2,5 Jahren (Faktor 1.000!) und beim Suizid bei einem halben Jahr. Wo sollte also die Priorität liegen? Wo kann ich pro Euro mehr Lebensjahre retten?

Die medizinischen Folgeschäden des Lockdowns durch beispielsweise verschobene Operationen und ausgefallene Vorsorgeuntersuchungen wurden bei TE bereits ausführlich diskutiert (Stichwort „BMI-Paper“). Hier will ich nur noch drei weitere Betrachtungen machen.

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Suizid wird maßgeblich beeinflusst durch Einsamkeit, Existenzverlust, Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Perspektivlosigkeit — alles Seiteneffekte des Lockdowns. Der Lockdown will also ein vergleichsweise kleines Problem – Covid-19 – lösen und verschlimmert ein 100 mal größeres Problem. Das kann nicht funktionieren, und wenn durch den Lockdown über 10 Jahre die Suizide um 10% ansteigen, haben alleine die zusätzlichen Suizide eine ähnliche Auswirkung auf die Lebenserwartung wie Covid-19.

Nehmen wir noch Bewegungsmangel, der in Europa die Lebenserwartung um rund 4 Jahre reduziert, und betrachten dann die Auswirkung geschlossener Fitnessstudios und Schwimmbäder sowie ausgefallener Sportkurse. Natürlich stirbt kaum jemand an einem 3monatigen Bewegungsmangel. Bei Senioren führt dieser aber zu einem irreversiblen Muskelschwund, in Folge zu Stürzen oder verringerter Mobilität und weniger Spaß an Bewegung. Viele andere Menschen werden aus unterschiedlichsten Gründen wie Bequemlichkeit oder Ansteckungsangst das Sportprogramm auch „nach Corona“ nicht wieder in vollem Umfang aufnehmen. Ich verzichte auf eine sehr gewagte quantitative Betrachtung, aber klar ist, dass auch hier der Lockdown-Schuss voll nach hinten losgeht.

Ebenfalls zu den Lockdown-Opfern zählen die Menschen in ärmeren Ländern, denen die Absatzmärkte und Touristen fehlen und für die Corona ein Luxus-Problem ist. Indien hat mittlerweile eingesehen, dass ein Lockdown verheerender ist als das Virus, aber gegen die wegbrechenden Absatzmärkte und das Versiegen der Touristenströme ist man natürlich machtlos. Auch hier verzichte ich auf eine gewagte Schätzung der reduzierten Lebenserwartung, aber dass sie einen Tag übersteigt, wird wohl kaum jemand bezweifeln.

Das Virus besiegen

Wie kann man das Virus besiegen, also dafür sorgen, dass durch SARS-CoV-2 keine Gefahr mehr droht? Grundsätzlich gibt es nur drei Methoden:

* Immunisierung durch Aktiv-Impfung
* Immunisierung durch Herdenimmunität, nur Abflachen der Kurve
* „Aushungern“, also Ausbreitung komplett unterbinden

Sehen wir uns diese Maßnahmen hinsichtlich Machbarkeit und Auswirkungen an.

Die Impfung ist sicherlich das Mittel der Wahl. Allerdings gibt es noch keinen getesteten Impfstoff, vielleicht kommt er 2021, wenn es denn je einen geben wird. Bis die Risikogruppe komplett geimpft ist, muss sich ein Land für eine andere Variante entscheiden.

Beim Aushungern zumindest temporär erfolgreich waren autokratische Staaten wie China oder Singapur oder de-facto-Inseln wie Island, Neuseeland und Korea. Ob dieser Ansatz sinnvoll ist, ob er in einem Europa der offenen Grenzen und freien Bürger und mit Datenschutz funktioniert, wird die Zeit zeigen. Die meisten Virologen meinen, dass langfristig eine Durchseuchung der Bevölkerung nicht zu verhindern ist. China hat erst im Mai wieder eine Millionenmetropole abriegeln müssen. In Singapur gab es eine zweite Welle unter Gastarbeitern, und auch für den Iran wird eine zweite Welle gemeldet. Neuseeland und Island wollen vermutlich irgendwann wieder Touristen ins Land lassen. Daher bezweifele ich, dass diese Strategie erfolgreich sein wird.

Wichtiger als der Ansatz scheint, sich rechtzeitig für eine Strategie zu entscheiden und sie beizubehalten.

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Schweden hat sich für die Abflachung entschieden und ist ohne Überlastung des Gesundheitssystems durch die Krise gekommen. Die Region Stockholm hat eine Immunität von 40% und muss somit ohne Mutation des Virus keine zweite Welle fürchten (nicht dass es keine gibt, aber sie kann nur noch harmlos sein). Die Anzahl der Corona-Opfer ist zwar höher als in vielen „Lockdown-Staaten“, aber abgerechnet wird zum Schluss, also nach den weiteren Wellen in den anderen Staaten, und dann bitte als Nettobetrachtung mit Berücksichtigung der Lockdown-Opfer.

Deutschland und die Schweiz haben die Strategie faktisch zwei Mal gewechselt, auch wenn das nie kommuniziert wurde und wenn die Verantwortlichen die Wechsel vielleicht selbst nicht realisiert haben: Im Januar Nachverfolgung und z.B. Ausrottung der „Webasto-Infektion“, in der Schweiz frühes Verbot von Großveranstaltungen und klare Hygieneregeln. Dann im Februar und Anfang März keine weiteren Maßnahmen und keine strikte Nachverfolgung mehr, stattdessen Karneval, Bierfeste und Kommunalwahlen, in der Schweiz reger Verkehr mit Italien. Es galt „flatten the curve“, also nur Abflachung. Dann Mitte März der Lockdown, der auch dann nicht gelockert wurde, als Überlastungen des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden konnten, also ungefähr Anfang April — somit spätestens dann der erneute Wechsel auf „Aushungern“.

Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien haben nur einmal die Strategie gewechselt, dafür aber sehr spät. Daher musste der Lockdown restriktiv und lange ausfallen, weil es viele Infizierte gab. Von der Herdenimmunität will man in der Lombardei auch nicht profitieren: Selbst wenn eine Regierung diese als falsch erachtet, lässt sich eine Durchseuchung von 57% in Bergamo nicht ignorieren — wozu dort noch Schulen geschlossen sind, kann ich nicht nachvollziehen.

Nicht ignorieren kann man aber auch, dass Schweden nicht komplett von einer Rezession verschont wird. Die offenen schwedischen Restaurants können wie erwartet eben nicht den Verlust der Exportindustrie ausgleichen. Das ist der Preis für internationale Wertschöpfungsketten. Die jungen Schweden haben wie nicht unbedingt erwartet ihren Konsum auch um 20% eingeschränkt, gegenüber 30% in Dänemark. Die Hoffnung ist aber, dass Schweden schneller wieder Fuß fassen kann, weil man insgesamt mehr auf Eigenverantwortung und Freiheit setzt.

„Das Erreichte“

Deutsche und Schweizer Politiker sind oft stolz auf „das Erreichte“, das jetzt nicht riskiert werden dürfe. Was das ist, erschließt sich mir nicht. Es gibt keinen aktiven Impfstoff, keinen passiven und kein getestetes, allgemein freigegebenes Medikament. Herdenimmunität gibt es gewollt auch nicht. Eine Tracking-App ist nicht greifbar nah, Schnelltests und Antikörpertests sind zumindest nicht breit verfügbar.

Erreicht wurde nur, die Infektionszahlen auf den Stand von wenigen Wochen vor dem Lockdown zurückzufahren. Mit anderen Worten, der Lockdown hat nur die Zeit zurückgedreht, war also nur nötig, weil man zu spät entschieden hat. Hätten die Politiker Ende Februar die milden Restriktionen eingeführt, die ab Mitte Mai gegolten haben, wäre der komplette Lockdown nicht nötig gewesen.

Der Lockdown ist als Ereignis bei der Reproduktionszahl sowohl der Schweiz als auch Deutschland nicht sichtbar. Die Kurven zeigen ein Abfallen seit März ohne „Sprung nach unten“ um das Lockdown-Datum herum. Er hat also erwiesenermaßen praktisch nichts genutzt, nur Schaden angerichtet. Fairerweise sollte man aber anmerken, dass diese Entwicklung Anfang März so nicht absehbar war. Sie war aber Anfang April bekannt und wurde von den Politikern ignoriert.

Ein welthistorisches Wochenende
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Sind denn Deutschland, Österreich oder der Schweiz knapp einer Katastrophe entkommen? Gewiss nicht. Zum Beispiel war die Krankenhausauslastung in Österreich in der Spitze bei einem Drittel. Im besonders belasteten schweizer Kanton Tessin lag die maximale Auslastung bei zwei Dritteln, und das ohne nennenswerte Verlagerungen von Patienten in die weniger betroffene Deutschschweiz, wo die Spitäler sogar Kurzarbeit angemeldet haben. Selbst in Schweden mit geringerer Intensivbettendichte war die maximale Auslastung bei 80%. Eine mögliche Überlastung des Gesundheitssystems taugt also nicht mehr als Grund, Infektionen mit radikalen Verboten zu bekämpfen.

Die angekündigte Lockerung ist nur eine Korrektur einer falschen Entscheidung. Natürlich ist man hinterher immer schlauer, sollte das dann aber auch so kommunizieren. Wer den Lockdown hingegen auch rückblickend als alternativlos darstellt, muss logischerweise bei der zweiten Welle der Infektionen auch einen zweiten Lockdown fordern – oder sollte gleich ehrlich sagen, dass der Lockdown bis zur Verfügbarkeit des Impfstoffs anhält.

Kein europäisches Land hat es meines Wissens geschafft, die Risikogruppen gezielt und effektiv zu schützen.  Sehen kann man das an dem Anteil der Opfer der in Pflege- und Seniorenheimen verstorben ist. In allen Ländern, für mir Statistiken bekannt waren, lag der bei 20 bis 30% oder sogar darüber, in Deutschland sogar bei 50%.  Diese Menschen wurden infiziert, als aus China seit Monaten und aus der Lombardei seit Wochen bekannt war, dass sie stark gefährdet sind.  Gerade die Menschen, die sich nicht eigenverantwortlich schützen können, wurden im Stich gelassen. Deutschland hat also die gesunde Bevölkerung eingesperrt und die Bewohner von Pflegeheimen ins Messer laufen lassen.  Das ist ein beschämendes Versagen.  Vermutlich waren die deutschen Gesundheitsämter zu sehr damit beschäftigt, die Quarantäne eingereister Österreicher und Schweizer (die auch keine höhere Infektionsquote hatten) zu überwachen, als dass man die Mitarbeiter in Pflegeheimen hätte in Hygiene schulen und laufend auditieren können.

Am effizientesten waren und sind wohl die Schweden: Trotz einer 20 mal höheren Infektionsrate als in Deutschland und der Schweiz sind dort „nur“ zwei oder vier mal so viele Menschen gestorben. Aber auch in Schweden hat man am Anfang der Pandemie beim Schutz der Heime versagt, wie der verantwortliche Epidemiologe mittlerweile eingestanden hat.

Eigenverantwortung vs. Nanny-Staat

Nach wie vor stellt sich auch die Frage der Eigenverantwortung. Wollen wir die gesamte Gesellschaft einsperren, weil vorerkrankte Senioren gefährdet sind, und dabei die Wirtschaft nachhaltig ruinieren? Oder geben wir den Risikogruppen für einen begrenzten Zeitraum die Verantwortung für eine Selbstisolation, konzentrieren uns aber auf den Schutz der Menschen in Senioren- und Pflegeheimen? Was wird noch verboten, um die Lebenserwartung zu verlängern? Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, Risikosport, Motorradfahren? ÖPNV während Grippewellen?

Corona und all diese Beispiele haben eines gemeinsam: Jeder Mensch kann anhand seiner Risikobereitschaft selbst und frei entscheiden. Warum wird bei Corona radikal verboten, bei allen anderen Beispielen nicht? Wenn jeder Mensch selbst entscheiden kann, ob er täglich eine halbe Flasche Schnaps trinkt oder nicht, warum kann ein Angehöriger der Risikogruppe nicht frei entscheiden, ob er während einer Corona-Welle zur Hauptverkehrszeit ohne FFP2-Maske eine volle Bahn betritt?

Mit welcher Begründung müssen jetzt nicht gefährdete Personen massive Opfer bringen, während bei anderen ansteckenden Krankheiten der Infektionsschutz dem Gefährdeten obliegt? Wer Angst vor einer Grippe hat, muss sich selbst schützen. Wieso sollte das bei Corona anders sein? Woraus leitet sich ein „Anspruch auf Virus-freie Umwelt ab“?

Die neue Gefahr und die Macht der Virologen

Das Corona-Virus scheint immer noch neu; Politikern und Medienschaffenden fehlt die Einschätzung, wie gefährlich es ist. In dieser Situation verlässt man sich komplett auf die Wissenschaftler. Fragt man nun einen Virologen oder Epidemiologen, wie das Virus gestoppt werden kann, erhält man als korrekte Antwort „Lockdown“. Würde man einen Internisten nach Organschäden fragen, wäre die Antwort „Alkoholverbot“, ein Unfallchirurg würde als Maßnahme sicherlich „Auto- und Motorradverbot plus Verbot von Erntemaschinen“, ein Pneumologe „Zigarettenverbot“ nennen. Alle diese Antworten sind richtig, alle diese Maßnahmen helfen. Menschen wissen aber bei den alten „Lastern“ und bewährten Techniken, dass es keinen kompletten Schutz gibt, dass das Restrisiko akzeptiert werden muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und Eigenverantwortung. Diese Verhältnismäßigkeit fehlt bei Corona.

Es heißt, Corona sei noch zu wenig bekannt. Mag sein, aber der Lockdown ist die viel größere und gefährlichere Unbekannte.

Hinzu kommt die Gewalt der Bilder gegen die Abstraktheit der Zahlen und das menschliche Naturell, das Unbekanntes nicht in die Zukunft projizieren kann. Die Lombardei hat zu lange mit Maßnahmen gewartet, angesichts zunächst nur sehr weniger Todesfälle. Das exponentielle Wachstum war zu abstrakt, um zu realisieren, was sich trotz zunächst nur weniger Toter anbahnt. Danach regierten die Bilder italienischer Särge, und der Wettlauf um die schärfsten Maßnahmen begann. Die milliardenschweren Hilfsprogramme für die Wirtschaft sind wieder zu abstrakt, als dass die Bevölkerung merkt, welche Gefahr sie bergen. Und wenn die Bilder der Schlangen vor den Arbeitsämtern erscheinen, ist es zu spät für ein Gegensteuern.

Viele Politiker und Medien agieren wie im Wahn. Zunächst wurde zur Maxime erhoben, möglichst viele Menschen zu retten. Schon da fehlte die Verhältnismäßigkeit. Danach wurde postuliert, dass Infektionen verhindert werden müssen, um Menschen zu retten. Seitdem ist das Verhindern von Infektionen zur Maxime geworden und hat sich komplett abgekoppelt vom eigentlichen Ziel. Das müsste lauten: mit vertretbarem Aufwand möglichst wenige Lebensjahre in der Gesellschaft durch Corona zu verlieren.


Martin Engelhardt ist Diplomphysiker aus Deutschland und lebt in der Schweiz.

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