Tichys Einblick
Verheizt auf deutschen Intensivstationen

Wie schwerkranke Corona-Patienten zum Opfer ignoranter Politiker wurden

Derselbe Staat, der die Freiheitsrechte der Bürger aus angeblicher Sorge um die Intensivkapazitäten beschneidet, hatte diese Kapazitäten um 20 Prozent abgesenkt. Durch anmaßende Politik hat er unendliches menschliches Leid in Kauf genommen. Von Lothar Krimmel

IMAGO / Ralph Lueger

Seit Beginn der Corona-Pandemie vor exakt zwei Jahren tanzen deutsche Regierungen und Medien wie im kollektiven Wahn um das goldene Kalb der „Krankenhausüberlastung“. Längst ist wissenschaftlich belegt, dass diese in Deutschland zu keinem Zeitpunkt gedroht hat und dass zu Pandemie-Beginn die irritierenden Bilder aus Bergamo andere Ursachen hatten. Trotzdem wird diese scheinbare Trumpfkarte zur Unterdrückung von Freiheitsrechten auch noch in der von der Pandemie befreienden Omikron-Welle gespielt.

Dass dies – anders als in aufgeklärten Demokratien wie Dänemark oder Großbritannien – in Deutschland möglich ist, hat verschiedene Ursachen. Zu nennen sind insbesondere

Wir erinnern uns: Mitten in der Pandemie, vor genau einem Jahr, traten die Personaluntergrenzen in Kraft, wodurch auch die Pflegekapazitäten der Intensivstationen um circa 20 Prozent gesenkt wurden. Derselbe Staat, der die Freiheitsrechte der Bürger aus angeblicher Sorge um die Intensivkapazitäten beschneidet, hatte diese Kapazitäten also willkürlich um 20 Prozent abgesenkt.

Heute, ein Jahr später, lässt sich nicht mehr verheimlichen, dass der Staat auch in anderen Bereichen durch anmaßende Politik nicht nur zur Verschwendung von Intensivkapazitäten ermunterte, sondern dabei auch unendliches menschliches Leid in Kauf nahm.

Das ARD-Magazin Kontraste veröffentlichte seine Recherche dazu im Dezember 2021 („Unnötig viele ECMO-Patienten sterben“). Im Deutschen Ärzteblatt vom 28. Januar 2022 legt nun auch ein Medizinethiker den Finger in diese klaffende Wunde („ECMO-Einsatz bei COVID-19: Hohe Sterblichkeit in der Klinik“).

Inzwischen liegen also Studien vor, die diesen weiteren Skandal der deutschen Covid-Strategie belegen. Danach starben in Deutschland mit rund 70 Prozent doppelt so viele mit dem Lungenersatz-Verfahren ECMO behandelte Covid-Patienten wie im internationalen Vergleich. Allein bis Mai 2021 waren es mehr als 2.300 ECMO-Tote auf deutschen Intensivstationen. Dieser groteske Unterschied zum internationalen Standard kann nicht annähernd mit dem etwas höheren Durchschnittsalter der deutschen Patienten erklärt werden.

Bei Patienten ab 70 Jahren lag die Sterblichkeit sogar bei unfassbaren 88 Prozent. Eine extrem teure und alle Beteiligten extrem belastende „Behandlung“ mit einer Sterberate von 88 Prozent kann man wohl nicht mehr Therapie nennen. Vieler dieser ECMO-Toten, die unter entwürdigenden Umständen auf qualvolle Weise im wahrsten Sinne „verendet“ sind, gehen auf Kosten einer inkompetenten und anmaßenden Politik. Sie sind die unsichtbaren Opfer einer von Politikern wie Markus Söder oder Karl Lauterbach ausgegebenen Losung, wonach „jeder Corona-Tote einer zu viel“ sei.

Den Ärzten ist der geringste Vorwurf zu machen. Sie haben die Schleusen des technisch Machbaren, jedoch medizinisch nicht mehr Vertretbaren und deswegen auch moralisch Verwerflichen quasi auf Regierungsbefehl geöffnet. Die staatliche Ermunterung zu einer würdelosen Maximaltherapie in Verbindung mit exzessiven Vergütungsanreizen hat einen Run vieler Krankenhäuser auf die Einverleibung dieser Geld und Reputation versprechenden High-End-Technik geführt. Am Ende waren es sage und schreibe 213 Kliniken, die dieses hochkomplexe Therapieverfahren in Deutschland angeboten haben. Das führte zwangsläufig einerseits zu massiven Qualitätsmängeln und andererseits zu einer viel zu weiten Indikationsstellung mit Einbeziehung selbst aussichtsloser Fälle.

Dieser spezifisch deutsche ECMO-Skandal, der symbolisch für das Scheitern der deutschen Corona-Politik steht, dokumentiert auch das Versagen des „Deutschen Ethikrats“ in der Corona-Pandemie. Er hätte einer großmäuligen Politik viel früher aufzeigen müssen, dass der unter großem Ethik-Getöse verkündete Anspruch, nach dem jeder Corona-Tote einer zu viel sei, in Wahrheit zum denkbar größten Verrat an einer ethisch verantworteten Medizin führt.

Und es sind nicht nur diese vermeidbaren Ursachen und die reinen Todeszahlen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Denn hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein ungeheurer Verschleiß an intensivmedizinischen Ressourcen, die anders viel besser hätten verwendet werden können. Ohne deren sinnlose Verschwendung hätte das Gerede von der „Überlastung der Intensivstationen“ von Anfang an als gezielt zum Verfassungsbruch genutztes Geschwurbel autoritärer Politiker demaskiert werden können.

Doch dieser gigantische materielle Schaden verblasst vor dem durch unnötige ECMO-„Therapien“ provozierten unsäglichen Leid der Patienten, der Angehörigen und gerade auch der Pflegenden: Patienten, die über Wochen in entwürdigender Weise ohne jeglichen Intimbereich ihrem Lebensende entgegen vegetieren. Angehörige, die diesen wochenlangen Todeskampf nicht begleiten, geschweige denn in würdiger Weise Abschied nehmen können. Und Pflegepersonal, das aufgrund extremster körperlicher und psychischer Belastungen selbst krank wird oder schlichtweg den Beruf aufgibt. Welcher Patient und welcher Angehörige würde bei klarem Verstand seine Einwilligung zu einem solchen Vorgehen geben?

Man muss sich den beschämenden Sachverhalt noch einmal vergegenwärtigen:
Eine Regierung bestimmt die angeblich drohende Überlastung von Intensivstationen als alleiniges Kriterium für die Aussetzung von Grundrechten. Gleichzeitig unternimmt sie alles, um erstens diese Intensivkapazitäten durch bürokratische Eingriffe zu reduzieren und zweitens den verbliebenen Rest mit Aufforderungen zur ebenso unsinnigen wie inhumanen Maximaltherapie zu belasten. Ein gezielt mit Parteigängern besetztes Bundesverfassungsgericht stellt der Regierung eine Blankovollmacht für dieses Treiben aus. Demonstranten, die gegen diesen unglaublichen Anschlag auf den freiheitlichen Rechtsstaat auf die Straße gehen, werden unter dem Beifall einer autoritären Innenministerin niedergeknüppelt. Und die deutschen „Leitmedien“ übertreffen die staatlichen Hetzer sogar noch im Tonfall.

Nachdem nunmehr die Omikron-Patienten trotz inständigen Hoffens der Panikabteilungen in Regierung und Medien nicht die Intensivstationen belegen, wird als „letzte Panik-Patrone“ die Angst vor einer „Überlastung der Normalstationen“ hochgekocht. Dies klingt fast wie eine Einladung an Patienten mit Omikron-Schnupfen, doch bitte ins Krankenhaus zu gehen, um so an der Erfüllung dieser Angst-Prognose mitzuwirken.

Doch was um alles in der Welt macht ein Omikron-Patient auf der Normalstation eines Krankenhauses? Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass das Krankenhaus – vom Kriegsgemetzel abgesehen – der mit Abstand gefährlichste Ort für jemanden ist, der dort nicht hingehört. Jedes Jahr sterben Zehntausende von Patienten in deutschen Krankenhäusern allein aufgrund vermeidbarer Todesursachen. Die paar Tausend unnötigen ECMO-Toten waren auch 2020 und 2021 nur ein kleiner Teil dieses Desasters. Medikamenten-Verwechslungen, Krankenhaus-Infektionen und Lungenembolien gehören zu den weitaus häufigeren Todesursachen. Die zugrunde liegenden Qualitätsmängel wurden durch permanente staatliche Eingriffe sogar noch verstärkt.

Die Konsequenz kann nur sein:


Dr. med. Lothar Krimmel, Facharzt für Allgemeinmedizin, war von 1992 bis 2000 Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und damit ein genauer Kenner des Medizinsektors.

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